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Landgerichts-Prozess um einen schweren Raub

Glaubt man den Aussagen der zwei Angeklagten, bleibt nicht viel von der Anklage übrig.

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© Jens Trenkler

Von Frank Thümmler

Die Tat, wegen der zwei 25 und 32 Jahre alte Männer aus Kottmar vor dem Görlitzer Landgericht angeklagt sind, wiegt schwer: besonders schwerer Raub, Mindeststrafe fünf Jahre Freiheitsentzug. Seit Januar sitzen die beiden bereits in Untersuchungshaft. Die Zeit wird im Falle einer Verurteilung angerechnet. Ob es zu einer kommt, ist zumindest für einen der beiden nach dem ersten Prozesstag völlig offen.

Die beiden Männer, beide arbeitslos, beide zumindest im Tatzeitraum dem Alkohol und Drogen (Crystal Meth) zugetan, wird Folgendes zur Last gelegt: Sie sollen am späten Abend des 20. Oktober 2017 dem späteren Opfer vor dessen Wohnung in Oderwitz aufgelauert haben, um ihn auszurauben. Dann hätten sie ihn von hinten mit einer Zaunlatte niedergeschlagen, ihn – obwohl er zwischenzeitlich bewusstlos gewesen sei, mit Faustschlägen und Fußtritten traktiert, ihm schließlich 230 Euro Bargeld und 19 Flaschen Bier weggenommen und Gegenstände in der Wohnung (u. a. Fernseher und Laptop) im Wert von 700 Euro zerstört haben. So liest es der Staatsanwalt zu Beginn des Prozesses vor. Die Verletzungen des Opfers sind erheblich. Er erlitt u. a. eine Mittelgesichtsfraktur, ein Gesichtsnerv ist zerstört und nicht rekonstruierbar.

Beide Angeklagten nutzen gleich zu Beginn des Verfahrens die Möglichkeit, zu den Vorwürfen Stellung zu beziehen. Der Jüngere der beiden erzählt, dass er auf der Suche nach einer Bekannten war, um von ihr Drogen zu kaufen und sie beim späteren Opfer vermutete. Dort war die Frau nicht, aber sie wurden von dem späteren Opfer letztlich eingeladen, hereinzukommen und Bier zu trinken. Später provozierte der Jüngere das Opfer mit Bemerkungen über ein mögliches Verhältnis mit jener Frau. Als er daraufhin unvermittelt eine Backpfeife erhielt, sei er „komplett explodiert“, habe den Mann mit Fäusten traktiert, bis der Mitangeklagte dazwischengegangen sei. Daraufhin habe er Fernseher und Laptop mit einem herumliegenden Werkzeug zerstört. Danach seien sie gegangen, ohne etwas mitzunehmen. Eine Zaunlatte sei nicht im Spiel gewesen, Tritte habe es keine gegeben, auch keine Schläge gegen das am Boden liegende Opfer.

Das alles schildert der 25-jährige Angeklagte, wirkt dabei glaubhaft und wird in allen Punkten von seinem Mitangeklagten bestätigt. Den hatte er beim Haftrichter noch beschuldigt, die Schläge ausgeführt zu haben. „Da wollte ich noch alles von mir weisen, habe Mist erzählt und ihn belastet. Aber das stimmt nicht“, sagt er. Treffen die übereinstimmenden Aussagen der beiden Angeklagten zu und haben sie dem laut ihrer Schilderung ebenfalls dem Milieu zuzuordnenden Opfer tatsächlich nichts weggenommen, ist der Vorwurf des schweren Raubes wohl kaum aufrechtzuerhalten. Es bliebe wohl eine schwere Körperverletzung (Bewährung möglich) für den Jüngeren, für den anderen nichts übrig.

Dem Jüngeren werden zwei weitere Taten vorgeworfen, die er gestand. Nach seiner Aussage wollte er nach Streitigkeiten beide Male etwas „aus der Welt schaffen“, was unter seinem Alkohol- und Drogeneinfluss beide Male in Gewalt ausartete. Einmal trat er die Tür eines Casinos ein und riss die Überwachungskamera ab, beim anderen Mal verprügelte er einen Mann, der seine Verlobte beleidigt haben soll und ließ sich von ihm 15 Euro geben, eine „Dummheit“, wie er sagt. Im November 2017 habe er aber eine Therapie angefangen, sei jetzt clean. Das sagt auch sein Mitangeklagter, dem neben der Haupttat vorgeworfen wird, 2016 Wasserhähne aus einem Haus in Ebersbach gestohlen zu haben. Das bestreitet er. Er sei aus Neugierde in das lange offen stehende Haus gegangen, habe auch von gefundenem Alkohol getrunken, aber nichts mitgenommen.

Im Prozess folgen jetzt die Aussagen von Zeugen. Sollten sich am Ende die Schilderungen der Angeklagten bewahrheiten, fragt man sich, weshalb sie so lange in Untersuchungshaft saßen, übrigens ebenso, weshalb in dem Verfahren kein psychiatrischer Gutachter dabei ist. Schließlich sind die Vorwürfe schwer, und Alkohol und Drogen haben zumindest nach Aussage der Beschuldigten eine entscheidende Rolle gespielt. Das Verfahren wird am 30. August fortgesetzt.