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Klauen für den Lebensunterhalt

Ein tschechischer Ladendieb muss jetzt für 33 Monate ins Gefängnis. Nicht zum ersten Mal.

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© Jens Kaczmarek

Von Jana Ulbrich

Bautzen. Morgen fahren wir nach Deutschland. Das sagen sich Michal K. und seine Freundin Klara N. aus dem tschechischen Ceska Lipa (Böhmisch Leipa) auch am Vorabend des 22. März 2017. Nach Deutschland fahren, das heißt für die beiden, klauen fahren. Sie haben keine Arbeit, sie nehmen regelmäßig Drogen, sie brauchen Geld für ihren Lebensunterhalt. Seit Jahren machen sie das schon so.

Am nächsten Morgen also beginnen sie wieder ihre Diebestour auf die deutsche Seite der Grenze. Gleich früh um acht fangen sie im Reno-Markt in Löbau an. Sie sind wie immer zu dritt. Ein Kumpel fährt das „Fluchtfahrzeug“, Michal K. und seine Freundin sacken in den Geschäften ein, was sie unauffällig einsacken können: Bei Reno sind es Sportbeutel und Adidas-Strickmützen, bei Mäc Geiz wenig später Shampoo und eine Schere, im Penny-Markt Shampoo und Zigaretten. Bei Kaufland in Bautzen nehmen sie einen Sportrucksack mit, eine Jogginghose, elektrische Zahnbürsten, Batterien und Parfüm – alles Dinge, die sich dann später in Tschechien schnell zu Geld machen lassen.

Diebestour endet im Kaufland

Aber dazu wird es an diesem Tag nicht mehr kommen. Denn bei Kaufland in Bautzen endet am späten Vormittag ihre Diebestour. Ein aufmerksamer Ladendetektiv beobachtet das Pärchen und macht Videoaufnahmen. Er informiert einen weiteren Mitarbeiter, beide warten dann schon an der Kasse, als Michal K. und seine Freundin sich vorbeischleichen wollen. Die beiden Angestellten fordern Michal K. zum Mitkommen auf. „Da hat er sich plötzlich umgedreht und hatte so eine Spritze in der Hand“, schildert später der Detektiv. „Wir sind erschrocken und haben einen Schritt zurück gemacht. Das hat er blitzschnell genutzt und ist auf und davon.“ Mit quietschenden Reifen sei das Pärchen in einem Auto, das draußen schon gewartet hatte, davongefahren. Polizeibeamte nehmen die Verfolgung auf. Wenig später können Michal K. und seine Freundin gestellt werden. Seitdem sitzt der 26-Jährige in Untersuchungshaft.

Nun sitzt der ausgezehrt wirkende junge Mann auf der Anklagebank im Großen Schwurgerichtssaal des Bautzener Landgerichts. In Handschellen führen Polizeibeamte ihn in den Saal. Staatsanwalt Jens-Hagen Josinger wirft ihm gemeinschaftlichen und räuberischen Diebstahl vor. Räuberisch, weil er diese Spritze in der Hand hielt, die als ein gefährlicher Gegenstand gilt. Er hätte sie durchaus auch als Waffe benutzen und die beiden Angestellten zumindest schmerzhaft verletzen können. Sie mussten damit rechnen, dass er das tun könnte. Obwohl er, wie seine Verteidigerin Juliane Metzner-Dornig später in ihrem Plädoyer sagen wird, bei allen seinen Diebstählen nie gewalttätig geworden sei.

Notorischer Seriendieb

Es sind sehr viele Diebstähle: Michal K. aus Ceska Lipa ist, so könnte man es sagen, ein notorischer Seriendieb. Elfmal schon ist er in Tschechien wegen Diebstahl verurteilt worden, viele Monate hat er dafür bereits im Gefängnis verbracht. Beim ersten Mal vor Gericht ist er gerade 20 Jahre alt. Er hat sich mit dem Diebesgut seinen Lebensunterhalt verdient, sagt er dem Gericht. Vor allem hat er sich auch seine Drogenabhängigkeit finanziert.

Ende Oktober letzten Jahres hat ihn das Amtsgericht in Zittau für einen Diebstahl in einem Zittauer Kaufland-Markt zu einer Geldstrafe verurteilt. Nur wenige Tage später, am 2. November, stiehlt er mit seiner Freundin Klara schon wieder. Diesmal in einer Drogerie in Neugersdorf. Parfüm für 245 Euro wird später fehlen, und die Verkäuferin, die versucht, sich dem Pärchen entgegenzustellen, wird blaue Flecke davontragen, weil er sie in grober Art wegstößt, um sich den Weg nach draußen zu bahnen. Das alles kommt zur Sprache im Bautzener Schwurgerichtssaal. Auch Klara N., die Freundin, die bereits zu einer Haftstrafe von einem Jahr und vier Monaten verurteilt ist, wird als Zeugin gehört.

Michal K. gibt die Diebstähle auch allesamt zu. Nur getan haben will er nie jemandem etwas. Die Spritze, beteuert er, habe er nur in der Hand gehabt, weil er den Kaufland-Mitarbeitern zeigen wollte, was er in seinen Taschen hat. Wie dem auch sei: Die Große Strafkammer unter Vorsitz von Landgerichts-Vizepräsidentin Carmen Becker verurteilt den 26-Jährigen wegen besonders schwerem gemeinschaftlichem Diebstahl zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und neun Monaten.

Am Ende entschuldigt sich Michal K. sichtlich bewegt für das, was er getan hat. Diesmal, sagt er, habe ihm die Strafe die Augen geöffnet. Jetzt sitzen sie beide im Gefängnis. Das sei bitter. Er will nach dem Gefängnis eine Therapie machen und dann mit seiner Freundin ein neues Leben beginnen, sagt er. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.