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Ins Gefängnis wegen eines Fläschchens Parfüm?

Die Tat, die dem Angeklagten vorgeworfen wird, ist eine Bagatelle. Aus gutem Grund fürchtet er schlimme Folgen.

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© Steffen Füssel

Von Jürgen Müller

Radebeul. Da staunt der Laie, und der Fachmann wundert sich. Weil er ein Fläschchen Parfüm für gerade mal 13,25 Euro in einem Radebeuler Drogeriemarkt stahl, sitzt ein 28-Jähriger vor dem Meißner Amtsgericht. Und nicht nur das: Er hat einen Anwalt mitgebracht, der als Pflichtverteidiger zugeordnet werden möchte. Dies geschieht in der Regel nur, wenn eine Haftstrafe zu erwarten ist. Ins Gefängnis wegen 13 Euro?

Theoretisch ist das durchaus möglich. Denn der Radebeuler Angeklagte hat ein Problem. Nicht nur, dass er schon 19-mal mit der Justiz zu tun hatte und mehrfach auch zu Gefängnisstrafen verurteilt wurde, sondern vor allem deshalb, weil bei ihm gleich mehrere Bewährungen offen sind. Und so sind nun mal die Spielregeln. Wer Bewährung hat, also erst mal nicht ins Gefängnis muss, sich aber nicht bewährt, sondern neue Straftaten begeht, dem droht der Bewährungswiderruf, er muss die Haftstrafe also doch noch absitzen.

Den Diebstahl gibt der Angeklagte zu. Er habe das Parfüm aber für sich selbst verwenden wollen, sagt er. Das kann man ihm glauben, muss man aber nicht. Denn er hat einen Job und wird relativ gut bezahlt. Nötig hätte er es wohl nicht, das Parfüm zu stehlen. Und es ist in der Szene gut bekannt, dass Parfüm dieser Marke gern als „Tauschmittel“ für Drogen verwendet wird. Das streitet der Angeklagte, der mehrfach und zuletzt vor zwei Jahren wegen Drogenhandels verurteilt wurde, jedoch vehement ab. Seit 2011 sei er clean. Er habe übrigens keine unangebrochene Flasche gestohlen, sondern einen sogenannten „Tester“ ohne Verpackung. Das hatte wohl eher praktische Gründe. „Ohne Verpackung fällt die Flasche in der Tasche nicht so auf“, sagt der Radebeuler. Dass er immer wieder Straftaten begeht, hat seine Ursache wohl auch darin, dass er anfangs als Jugendlicher und Heranwachsender mit Samthandschuhen behandelt wurde, niemals die Konsequenzen seines Handelns spüren musste. So stand er elfmal vor allem wegen Diebstahl vor dem Jugendgericht und wurde kein einziges Mal verurteilt. In dem Wissen, dass ihm ja nichts passiert, motivierte ihn das wohl zu immer neuen Straftaten. Auch später kommt er wieder trocken durch den Regen, bekommt wegen Drogenhandels und Sachbeschädigung nur eine „Vorbewährung“. Ein Jahr später die erste Jugendstrafe von einem Jahr auf Bewährung. Wegen weiterer Straftaten wird auf zwei Jahre aufgestockt, doch er bekommt wieder Bewährung. Und macht munter weiter. Jetzt endlich wird die Bewährung widerrufen, er muss ins Gefängnis, sitzt zumindest einen Teil der Strafe ab. Der Rest wird zur Bewährung ausgesetzt, doch der Mann begeht erneut Straftaten. Die Bewährungszeit wird verlängert. Später sitzt er eine Gefängnisstrafe von einem Jahr und drei Monaten teilweise ab, Wegen Besitzes von Drogen und gefährlicher Körperverletzung fasst er ein Jahr und zehn Monate ab. Auch diese Bewährung lauft noch.

Ins Gefängnis muss er diesmal, entgegen seiner Befürchtungen nicht. Dass Gericht verurteilt ihn wegen Diebstahls zu einer Geldstrafe von 1 050 Euro. Die Strafe führt weder dazu, dass seine Bewährungen widerrufen oder auch nur die Bewährungszeiten verlängert werden. Allerdings tut ihm die Geldstrafe weh, und das soll sie ja auch. Der Mann hat nämlich rund 25 000 Euro Schulden, die aus nicht bezahlten Rechnungen, Mietschulden und nicht zuletzt aus Gerichtskosten bestehen.