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Hungrige Störche

Viele Horste in der Sächsischen Schweiz bleiben leer. Andere sind zwar belegt, aber deutlich spärlicher als noch vor einem Jahr.

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© Daniel Schäfer

Von Nancy Riegel

Sächsische Schweiz. Ein hölzerner Storch an einem Wohnhaus ist ein Zeichen des Glücks. Der Vogel zeigt: Hier hat es Nachwuchs gegeben. Als Symbol für einen reichen Kindersegen will der Storch dieses Jahr in seiner eigenen Gattung aber nicht so recht gelten. Viele Horste im Landkreis Sächsische Schweiz-Osterzgebirge blieben leer.

Andreas Kunzmann ist ehrenamtlicher Regionalbeauftragter beim Naturschutzdienst und kümmert sich um die Weißstörche im Landkreis. Er hat nachgezählt: „Wir haben dieses Jahr 13 Jungvögel, davon zwölf in der Sächsischen Schweiz und einen in Wilsdruff.“ Das sind nicht einmal halb so viele wie im Jahr zuvor. 2017 flogen 28 junge Störche aus den Nestern, es war ein besonders erfolgreiches Brutjahr.

Davon kann 2018 kaum die Rede sein. Am meisten geklappert hat es im Neustädter Ortsteil Polenz. Am Gebäude des alten Gummiwerks, das heute zu Veritas gehört, hat Kunzmann drei junge Störche gezählt. „Hier kann man schon die ersten Flugübungen beobachten.“ Gleiches gelte für Langenwolmsdorf. Dort kann man zwei Jungvögel beobachten. Ursprünglich hatte das Paar vier Eier ausgebrütet. In der Gemeinde Dürrröhrsdorf-Dittersbach hat es in mehreren Nestern mit dem Nachwuchs geklappt: im Horst in Wilschdorf auf dem Gelände des örtlichen Brunnenbaus gibt es zwei junge Störche, in Dobra einen und in Rennersdorf ebenfalls zwei. Gleiches gilt für den Horst im Lohmener Ortsteil Doberzeit. Macht zusammen zwölf Jungvögel.

Zu wenig Futter für Nachwuchs

In vielen anderen Orten herrscht hingegen Flaute im Horst. In Struppen, Hohnstein und in Cotta ist kein Nachwuchs in Sicht, auch das Nest am Lidl-Markt in Neustadt ist leer geblieben. In Dittersbach ist sich Andreas Kunzmann nicht ganz sicher, in Pirna-Zatzschke hingegen schon: Hier wird zwar ab und zu mal Adebar gesichtet, allerdings handle es sich um ein einzelnes Tier. In Liebethal und in Pratzschwitz sind die Horste schon seit Jahren nicht besetzt.

Enttäuscht ist man auch im Stolpener Ortsteil Helmsdorf. Udo Liebold vom Dorf- und Heimatverein berichtet, dass im April zwei Störche gesichtet wurden. „Wir glauben, das waren dieselben wie im letzten Jahr.“ Auf Initiative des Vereins wurde vor ein paar Jahren im früheren Steinbruch ein neuer Mast mit einem schönen Storchennest errichtet. Letztes Jahr brüteten Steffi und Willi, wie das Pärchen getauft wurde, erstmals zwei Junge aus. Doch dieses Jahr waren die erwachsenen Vögel nach rund zwei Wochen verschwunden und kamen auch nicht wieder.

Woran liegt es, dass sich die Vögel mit dem langen Schnabel in diesem Jahr in der Sächsischen Schweiz kaum fortpflanzen? „Die Störche finden schlichtweg keine oder nur unzureichend Nahrung“, erklärt Andreas Kunzmann. Schuld daran sei maßgeblich die lang anhaltende Hitze und Trockenheit, die seit dem Frühjahr besteht. Im Horst in Langenwolmsdorf seien deshalb von den ursprünglich vier auch nur zwei Jungtiere übrig: Die Eltern haben zwei Junge aus dem Nest geworfen. Eine Storchenfamilie benötigt während der Aufzucht täglich mehrere Kilogramm Regenwürmer, Schnecken oder Lurche. Graben sich diese wegen der Trockenheit zu tief in der Erde ein, kommen die Vögel nicht mehr an die Nahrung heran. Dann bleibt den Störchen nichts anderes übrig, als die Zahl der Jungen zu reduzieren.

Birgit Hertzog, Umweltamtsleiterin im Pirnaer Landratsamt, bestätigt das und fügt hinzu, dass das Grünland im Umfeld der Horste bis auf wenige Ausnahmen bereits im Mai gemäht wurde. Seitdem sei wegen des fehlenden Regens kaum etwas nachgewachsen. Unter diesen Gegebenheiten ausreichend Nahrung für sich und den Nachwuchs zu finden, sei ein Problem für die Störche. Die Störche, die linkselbisch brüten, hätten es da noch schwerer als ihre Artgenossen auf der rechten Seite der Elbe. Dort gebe es weitläufigere Wiesen und Feuchtbiotope, in denen Storchenleckerlis wie Frösche, Mäuse oder Blindschleichen leichter zu haben sind.

Noch können die Naturschützer nicht genau sagen, wie viele Jungtiere der Störche im Landkreis dieses Jahr durchbekommen. „Im August wissen wir sicher mehr“, sagt Kunzmann. Immerhin: Das Gröbste sei überstanden. „Wenn der Nachwuchs die ersten Flugversuche wagt, ist das ein gutes Zeichen.“

Abschließend fügt der Storchenexperte hinzu, dass die Gemeinden im Landkreis kaum etwas dafür tun können, die Vögel nächstes Jahr zahlreicher zur Brut zu bewegen. Die Erfahrung habe gezeigt, dass Störche kaum Futter von Menschen annehmen. Klar, könne man Horste vorbereiten und von Müll befreien. Letztendlich bleibt aber das gleiche Problem bestehen: „Das Klima hat eine einschneidende Wirkung auf die Population der Tiere.“