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„Hunde töten nicht einfach so“

Im Landkreis Meißen gibt es besonders viele Kampfhunde. Trotz der Todesfälle im Westen warnen Experten vor Hysterie.

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© Stefan Hesse/dpa

Von Stephan Hönigschmid

Meißen. Diese Fälle erschüttern Deutschland. Nachdem in Hannover Anfang April der Staffordshire-Terrier Chico seine 52-jährige Halterin und ihren 27-jährigen Sohn totgebissen hat, kam es vor wenigen Tagen im südhessischen Bad König zu einem weiteren Vorfall. Dort tötete ein Staffordshire-Mischling ein Baby.

Obwohl der Landkreis Meißen nicht betroffen ist, verfolgen Hundeexperten auch hierzulande die Vorfälle aufmerksam. Der Grund: Mit 52 registrierten Hunden gibt es eine auffällige Häufung der Rassen American Staffordshire-Terrier, Bullterrier und Pitbull Terrier, die in Sachsen als gefährlich gelten. Im gesamten Freistaat sind 322 dieser Hunde registriert.

Trotz der tragischen Fälle warnt die Radebeuler Hundetrainerin Antje Leutert vor vorschnellen Schlüssen. „Ich halte nichts davon, diese Hunde als gefährlich zu bezeichnen. Ein Pitbull ist auch nicht gefährlicher als ein Golden Retriever“, sagt sie und fügt an: „Ähnlich ist das bei den Staffordshire-Terriern. In den USA gelten diese als besonders gutmütige Tiere und werden unter anderem zum Kinderhüten eingesetzt.“ Auch wenn es von der Züchtung her Vorprägungen gebe, hänge viel von der richtigen Erziehung ab.

Dennoch räumt die Expertin ein: „Man darf Warnsignale nicht übersehen. Hunde sind soziale Wesen. Die töten nicht einfach so aus heiterem Himmel. Oft haben ihre Besitzer im Vorfeld bestimmte Dinge übersehen“, sagt Leutert.

Dass es möglich ist, rechtzeitig etwas zu tun, hat sie oft erlebt. „Ich habe vor einiger Zeit im Auftrag des Landratsamtes eine Deutsche Dogge begutachtet, derenen Halterin nicht in der Lage war, sie zu führen. Einmal riss sich der Hund los und schmiss eine andere Frau um.“ In der Folge habe der Hund nicht bei seiner Besitzerin bleiben können. „Er musste in die Doggennothilfe gegeben werden“, erinnert sich Leutert.

So wie dieser Fall enden allerdings nicht alle. Es gibt auch Erfolgsgeschichten. „Ich habe mal einen weiblichen Terrier aus dem Tierheim in Dresden betreut, der zuvor ein anderes Tier totgebissen hatte. Als er eine einfühlsame Halterin bekam und an den Maulkorb gewöhnt wurde, hatte er auf einmal ein anderes Wesen.“ Dabei geholfen haben auch gemeinsame Spaziergänge mit dem aggressiven Schäferhund eines jungen Herrn, dessen Hund auf diese Weise ebenfalls therapiert wurde, sagt die Trainerin. Mittlerweile sind nicht nur die Tiere friedlich und ein Paar, sondern auch ihr Herrchen und Frauchen.

Beispiele dieser Art kennt auch Karlheinz Heyne vom Meißner Tierheim in Niederau. „Ich weiß, dass die Polizei früher schwierige Hunde bis zu einem Alter von drei Jahren aufgenommen und daraus Diensthunde gemacht hat.“ Die Vorfälle in Hannover und Bad König möchte er nicht kommentieren, sagt jedoch: „Man muss die Erziehung der Tiere ernst nehmen. Das ist vergleichbar mit den eigenen Kindern.“ Antje Leutert ergänzt: „Für manche ist so ein Hund ein Statussymbol, aber sie sind eigentlich überfordert.“ In Hannover sei die Halterin behindert gewesen, was keine gute Voraussetzung sei, um einen Hund optimal aufzuziehen. In Bad König könne sie wiederum nicht verstehen, warum die Familie ihr Baby mit dem Hund allein gelassen habe, so Leutert.

Trotz der Vielzahl an „gefährlichen Hunden“ im Landkreis gibt es laut Landratsamt nur wenige bekannte Vorfälle. So musste die Behörde 2017 lediglich zwei Hunde an das Tierheim übergeben. Einmal war die Halterin nicht in der Lage, mit dem Hund zu einem Wesenstest zu gehen und im zweiten Fall hat der Hund mehrfach gebissen. Nur einer der Hunde gehörte zur Kategorie „Gefährliche Hunde“.