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Große Show vorm Werk I

Am letzten Viathea-Abend ist eine Performance mit Jugendlichen aus zehn Ländern zu sehen. Darunter eine Görlitzerin.

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© PR/Jennifer Rohrbacher

Von Ines Eifler

Görlitz. Eine große Bühne vor der alten Fabrik. Licht, Musik, Projektionen, Konfetti und ganz viel Wasser. Am Ende des dritten Viathea-Tages wird wieder eine große, aufwendige Inszenierung zu sehen sein. Nicht auf dem Obermarkt, der ist nämlich zu klein dafür, sondern auf dem Parkplatz zwischen dem ehemaligen Bombardier-Werk I und der Christoph-Lüders-Straße. Mit 30 Darstellern, mit Tanz, Gesang, HipHop, Rap und ganz viel Körpereinsatz.

Marie Siegemund wirkt in der Produktion „Crossing Lines“ am kommenden Sonnabend mit. Unter anderem für dieses Theaterprojekt hat sich die 19-Jährige zwischen Abitur und Studium ein Jahr freigenommen.
Marie Siegemund wirkt in der Produktion „Crossing Lines“ am kommenden Sonnabend mit. Unter anderem für dieses Theaterprojekt hat sich die 19-Jährige zwischen Abitur und Studium ein Jahr freigenommen. © Nikolai Schmidt

Mittendrin ist Marie Siegemund. Die 19-jährige Görlitzerin hatte vor zwei Jahren an einem Hip-Hop-Workshop des Freiburger Aktionstheaters Pan.Optikum in Görlitz teilgenommen, dessen Ergebnis beim Viathea 2016 auf dem Nikolaifriedhof aufgeführt wurde. Es war damals schon ein Höhepunkt des Straßentheaterfests. Zugleich diente es als Casting für ein wesentlich größeres, europaweites Vorhaben von Pan.Optikum aus Freiburg und der Berliner Gruppe Rapucation, die Rapsongs kreiert und darüber Bildungsinhalte vermittelt.

Inzwischen war Marie Siegemund in mehreren Ländern und ist dort zusammen mit knapp 30 Jugendlichen aus zehn Nationen mit dem Stück „Power of Diversity – Crossing Lines“ aufgetreten. Denn nach den Aufführungen auf dem Nikolaifriedhof vor zwei Jahren wurde sie zusammen mit drei anderen Leuten ausgewählt und für Sommer 2017 zu einem sechswöchigen Probenaufenthalt nach Freiburg eingeladen. Dort traf sie mit all denen zusammen, die in den anderen Partnerstädten des Projekts „Crossing Lines“ aus Hip-Hop-Workshops heraus gecastet wurden: alles junge Laien wie sie selbst, aber häufig mit dem Wunsch, Tanz zu studieren, am Theater zu arbeiten, einen kreativen Beruf zu erlernen. Marie Siegemund hat sich hingegen vorgenommen, Jura zu studieren. Als Kontrast dazu nahm sie sich nach dem Abitur am Augustum-Annen-Gymnasium Zeit für ihr Mitwirken an „Crossing Lines“ und für ein halbes Jahr Arbeiten und Reisen in Neuseeland. „Für mich war dieser Freiburger Aufenthalt das Abenteuerlichste, was ich je gemacht habe“, sagt Marie Siegemund.

Gleich nach ihrem Abiball im Juni 2017 gingen die Proben los. In Freiburg traf sie Menschen aus anderen Regionen Deutschlands, aus Dänemark, Großbritannien, Russland, Polen, Spanien, Slowenien, Rumänien, Algerien und den Niederlanden. „Crossing lines“, das meine natürlich das Überwinden politischer und gesellschaftlicher Grenzen, die durch die Teilnahme von Menschen aus mehreren Ländern möglich werde. „Aber für mich, wahrscheinlich für jeden von uns, war es zugleich eine ganz persönliche Erfahrung, sechs Wochen lang mit Leuten aus ganz verschiedenen Kulturen mit sehr unterschiedlichen Lebensweisen zusammenzuleben und etwas Gemeinsames zu erarbeiten.“

Wie Menschen miteinander zurechtkommen, ist auch Thema des Theaterstücks, das die 30 Darsteller auf Basis der Ideen von Sigrun Fritsch von Pan.Optikum und mit Rapsongs von Rapucation zusammen einstudiert haben. Es ist eine Geschichte darüber, wie Menschen nach einer Katastrophe zusammenfinden, miteinander und gegeneinander agieren, wie sie einander ausschließen oder einbinden, wie es zu Machtspielen kommt, wie Diktatur entsteht und wie Demokratie. Weil das Stück durch Mittel der Europäischen Union finanziert wird, ist es für das Görlitzer Viathea-Straßentheater überhaupt möglich, so eine große Produktion ins Programm zu nehmen.

Marie Siegemund freut sich sehr, dass „Crossing Lines“ nun in ihrer Heimatstadt aufgeführt wird, nachdem es in Freiburg und Rastatt, in der dänischen Hamletstadt Helsingoer, im englischen Newbury und Folkestone, in Murmansk, in Bytom in Polen und in Sibiu/Hermannstadt in Rumänien zu sehen war. Letzte Station nach dem Viathea in Görlitz ist Las Palmas de Gran Canaria. Zuvor aber wird sich die Gruppe mit dem Parkplatz vor dem Werk I vertraut machen. Dort finden in der nächsten Woche auch die Proben für die Aufführung am 30. Juni statt.

Am Donnerstag beginnt das Viathea wie gewohnt im Stadtpark und zieht dann am Freitag und Sonnabend in die Altstadt. „Crossing Lines“ wird gemeinsam mit portugiesischem Stelzentheater im Kommwohnenhof und einer Tanzperformance auf dem Theatervorplatz den Abschluss des Festivals am Sonnabend bilden. Spät am Abend, 22 Uhr, damit die Lichteffekte, die projizierten Bilder und Filme in der Dunkelheit ihre Wirkung entfalten können.

Programmhefte im SZ-Treffpunkt. Weitere Vorverkaufsstellen unter www.viathea.de