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Große Bühne für den Hausmeister

Gerd Wünsche ist in über 26 Jahren zu einer Institution am Gymnasium geworden. Nun geht er und kommt doch wieder.

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© Norbert Millauer

Von Heike Sabel

Heidenau. Seine Bühne war der Keller. Hier hatte er sein Büro, in dem man ihn kaum antraf. Defekte Lampen, wackelnde Tische, schiefe Tafeln – alles ein Fall für Gerd Wünsche. 26 Jahre war er Hausmeister in Heidenaus Gymnasium. Am Dienstag ist sein letzter Tag. Noch zwei Mal zieht er einen seiner drei Blaumänner an. Dann braucht der Rentner nur noch einen für Zuhause.

In 26 Jahren hat sich einiges geändert. Heute undenkbar zum Beispiel, was die Abiturienten sich Mitte der 1990er-Jahre leisteten. Sie verbauten den Eingang zum Lehrerzimmer mit Ziegelsteinen. Klar, dass sie dabei auf Gerd Wünsche zählen konnten. Er war der Kumpel, den die Schüler auch mal auf einen Kaffee einluden, der aber auch die Grenzen aufzeigte. „Sonst hätten sie mir auf der Nase rumgetanzt“, sagt Wünsche und lacht.

Schlechte Laune wie bei den mürrischen Hausmeistern, die alle immer nur anknurren und zurechtweisen, gibt es nicht bei Wünsche. Stets freundlich, ruhig, warmherzig ist er trotz seiner großen Beliebtheit bei Schülern und Lehrern immer bescheiden geblieben, sagt Schulleiter Frank Clausnitzer. Der kennt ihn zwar erst zwei Jahre. Aber die Zeit reichte, dass auch Clausnitzer ihn vermissen wird. „Als Mensch ist er einzigartig.“ Gerd Wünsche hatte auch ohne Bühne immer und überall seinen Auftritt. Sanierung, Hochwasser 2002, Sporthallenbau und jetzt der Anbau ans Hauptgebäude: In allem steckt ganz viel Gerd Wünsche. Als er nach den aufregenden Wochen im August 2002 gefragt wurde, ob er lieber wieder an die weniger anstrengende Gleißberg-Schule gehen wolle, sagte er Nein. Die Flut-Zeit hatte ihn fest mit dem Gymnasium verbunden.

Spätestens seit dieser Zeit ist er froh, den Heidenauer Betrieb der Rundfunktechnik nach der Wende nicht übernommen zu haben. Dort hatte er lange als gelernter Funkmechaniker gearbeitet. Er hätte viele Leute entlassen müssen. Das wäre nicht seins gewesen.

Ein Platz für die Geschichte

Heute ist das Gymnasium ohne Gerd Wünsche kaum vorstellbar. Ihm sind solche Lobesworte fast peinlich, aber er freut sich – und lacht gern über sich selbst. Zum Beispiel wenn es um die moderne Technik geht. Beamer, interaktive Tafeln, die Licht- und Tontechnik in Aula und Sporthalle: „Bedienen ja, beherrschen nicht“, sagt Gerd Wünsche. Wenn er die 37 Lichtprogramme für die Aula-Bühne vor sich hat, ist er froh, wenn keiner im Dunkeln sitzt.

Etliche Jahre war der Hausmeister auch Kulturmacher. In der Aula des Gymnasiums trat auf, was Rang und Namen hatte: Uwe Steimle, Wolfgang Stumph, Olaf Böhme, Herbert Köfer und Wolfgang Lippert. Wünsche hat vieles in einer Chronik festgehalten, die auch ein Gästebuch des Gymnasiums ist. Die Musikschule Fröhlich schrieb anlässlich ihres zehnten Konzertes: „Alle kleineren und größeren Wünsche werden von ihm gern erfüllt.“ Das Buch wird er der Schule hinterlassen. Leider fehlen die vergangenen Jahre. Die Zeit wurde immer knapper, die großen öffentlichen Veranstaltungen weniger.

Noch mehr als in dem Buch steht, hat Gerd Wünsche im Kopf. Sein Wissen über die inzwischen 116 Jahre alte Schule ist erstaunlich. Seine Führungen sind legendär. Unzählige Klassentreffen hat er damit bereichert. Das historische Wissen hat er sich nach und nach angeeignet, er selbst ging in die Goethe-Schule. Vielleicht führt er das Buch und die Geschichte ja weiter. „Das müsste man sich mal überlegen“, sagt er und es klingt schon fast wie ein Ja. Nur ein Raum für die Geschichte und die Schätze aus der Vergangenheit fehlt im Gymnasium, auch jetzt mit dem Anbau. „Das wäre schon schön“, sagt Wünsche. Immerhin habe die Geschichte ihren Charme. „Doch Schulisches geht vor.“

Gerd Wünsche gibt dem manchmal abfällig betrachteten Hausmeisterberuf eine neue Ehre. Hof kehren, Laub harken, Schnee fegen – das wolle keiner mehr machen, sagt er. „Alle wollen im Büro sitzen, nicht viel machen, aber Geld verdienen.“ Gerd Wünsche ist das freundliche Gesicht des Hausmeisterberufs und könnte Werbung für ihn machen.

Gerd Wünsche stand nie auf der Bühne, aber oft im Mittelpunkt. Die Verabschiedung am letzten Tag vor den Ferien hat er genossen. Viele ehemalige Lehrer waren gekommen, und Clausnitzers Schulleiter-Vorgänger Uwe Beck schickte sogar aus Moskau, wo er jetzt arbeitet, eine Videobotschaft. Das rührte Wünsche. Vielleicht kommt Gerd Wünsche schon bald wieder ins Gymnasium. Am 11. November zum Jahreskonzert der Musikschule Fröhlich. Die hat ihn eingeladen. Dann wird er das erste Mal nicht der Hausmeister sein. Ein Gefühl, das ihm noch fremd ist.