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Geschichten auf Keramik

Der Bischofswerdaer Hans-Peter Meyer steht auch mit 70 Jahren jeden Tag in seiner Werkstatt. Was er gestaltet, schätzen Kunden in ganz Europa.

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© Steffen Unger

Von Ingolf Reinsch

Bischofswerda. An die Wahl des Argentiniers Jorge Mario Bergoglio zum Papst war noch nicht zu denken, als Hans-Peter Meyer den Heiligen Franziskus schuf. Die Keramik des Franz von Assisi steht im Verkaufs- und Ausstellungsraum des Bischofswerdaer Künstlers. Nicht nur sie zieht den Blick des Besuchers auf sich. Ebenso Wandteller, die die Passionsgeschichte und andere biblische Szenen darstellen, Krüge, Vasen und weitere Gefäße, von denen uns Till Eulenspiegel entgegenlacht oder auf denen Märchenfiguren, sächsische Sehenswürdigkeiten wie Burg Stolpen und die Bastei im Elbsandsteingebirge oder auch ein sorbischer Hochzeitszug zu sehen sind. Jedes Stück ist ein Unikat – und ein Genuss fürs Auge und fürs Gemüt. Viele Werke schuf Hans-Peter Meyer mit Augenzwinkern. „Man muss nicht alles so ernst nehmen, sollte Dinge auch gelassener sehen“, sagt er.

Was der Bischofswerdaer schafft, ist einzigartig in der Region – und selten in Deutschland. Hans-Peter Meyer hat sich der Fayencemalerei verschrieben, er bietet gewissermaßen keramische Malerei. Jedes von ihm geschaffene Stück ist ein Kunstwerk. Das Besondere daran: Ein Gefäß oder eine Figur wird erst per Hand geformt, dann bei 900 Grad Celsius das erste Mal gebrannt und anschließend glasiert. Der Künstler malt auf die Glasur, was in der Branche die Ausnahme ist, ehe bei 1140 Grad der Glattbrand erfolgt.

Motiv für eine Briefmarke

Nicht nur im Aussehen, auch im Inhalt folgen seine Werke dem Detail. Was er gestaltet, muss in der Aussage stimmen, nennt der Künstler seinen Anspruch. Er liest dafür viel – und fördert mitunter Erstaunliches zutage. Etwa den 200. Geburtstag des Fahrrades im vergangenen Jahr. Auf einem seiner jüngeren Werke setzte der Bischofswerdaer dem Freiherrn Karl von Drais, der am 12. Juni 1817 in Mannheim mit seiner „Laufmaschine“ zur Probefahrt antrat, auf seine Weise ein Denkmal. Auch 500 Jahre Reformation waren im vergangenen Jahr ein Thema für Hans-Peter Meyer. Luther in Worms kann man in seinem Ausstellungsraum bewundern. Eine weitere Keramik zum Reformationsjubiläum, die für einen Auftraggeber in der Lutherstadt Wittenberg angefertigt wurde, wurde im vergangenen Jahr sogar als Motiv einer Briefmarke eines privaten Postdienstleisters in Sachsen-Anhalt ausgewählt.

Hans-Peter Meyer ist in seiner Profession familiär „vorbelastet“. Sein Vater Hans war ebenfalls Keramiker. Er malte jedoch, anders als sein Sohn, unter Glasur. Für Hans-Peter Meyer war und ist es im Leben wichtig, „immer mal wieder rauszukommen“, um den eigenen Horizont zu erweitern. Hans-Peter Meyer lernte in der heute noch bestehenden Töpferei Holland in Elstra, machte seinen Töpfermeister, war Schüler bei Walter Gebauer, einem der renommiertesten Vertreter von Bürgel-Keramik in Thüringen, studierte an der Hochschule für Bildende und Angewandte Kunst in Berlin-Weißensee. Der Bischofswerdaer reist viel, auch noch heute.

Arbeitstag beginnt 6.30 Uhr

Der Künstler, der bei Keramikfreunden deutschlandweit und darüber hinaus einen guten Ruf hat, ist 70 Jahre alt. Noch immer ist er produktiv, arbeitet jeden Tag in seiner Werkstatt. „In der Sofaecke zu sitzen, liegt mir nicht“, sagt er lachend. Sein Arbeitstag beginnt früh um 6.30 Uhr und endet gegen 18 Uhr. Mittlerweile gönnt er sich von 12 bis 13 Uhr eine einstündige Mittagspause. Ein Großteil seiner Arbeiten sind Auftragswerke. 60 Prozent, schätzt Hans-Peter Meyer, kommen aus den alten, 40 Prozent aus den neuen Bundesländern. Momentan gestaltet er sieben Wandteller für eine Arztpraxis. Auch Kunden beispielsweise in Frankreich, Holland, Österreich und Italien kaufen bei ihm. Oft ist es Mundpropaganda, die potenzielle Auftraggeber auf ihn aufmerksam werden lassen. Auch Messen und Ausstellungen tragen dazu bei, das Auftragsbuch zu füllen. Vor allem aber sind es Stammkunden – zum Teil Sammler der Meyerschen Keramik – die in Bischofswerda bestellen. Auch für das bevorstehende Wochenende, dem bundesweiten Tag der offenen Töpfereien, haben sich langjährige Kunden bereits in der Bischofswerdaer Keramikwerkstatt angesagt.

Beruf und Hobby sind eins

Neben dem Tag der offenen Töpfereien ist der Diessener Töpfermarkt vom 10. bis 13. Mai ein fester Termin für den Künstler. Dort treffen sich die besten Keramik-Kunsthandwerker Deutschlands. Aus 350 Bewerbungen werden 150 Teilnehmer durch eine Jury ausgewählt. Hans-Peter Meyer ist seit 1990 jedes Jahr dabei. Darauf ist er stolz. Ebenso, dass seine Werke schon zu Lebzeiten von zahlreichen Museen und Galerien im In- und Ausland gekauft und dort ausgestellt werden. Der 70-Jährige mag den Kontakt zu seinen jüngeren Kollegen. „Das hält auch mich jung“, sagt er.

Hans-Peter Meyer ist in der glücklichen Lage, dass Beruf und Hobby bei ihm eins sind. „Ich lese gern, interessiere mich sehr für Geschichte“, sagt er. Das kommt wieder den Geschichten zugute, die er auf seine Keramiken bannt. Und er fährt gern mit dem Fahrrad. Selbst daraus lässt sich beruflich was machen, wie die Erinnerung an den Zweiradpionier Karl von Drais zeigt.

Hans-Peter Meyer lädt am Tag der offenen Töpferei an diesem Sonnabend und Sonntag, jeweils von 10 bis 18 Uhr, in seine Werkstatt, Bautzener Straße 49 ein.