Von Sebastian Beutler
Auf dem Kahlbaumgelände sieht alles so aus, als wenn die Bauarbeiter nur mal schnell Pause machen. An den Gebäuden zur Querstraße sind durch die offenen Fenster entkernte Räume zu sehen, eine Baurutsche hängt an einem anderen Haus gleich daneben. Altes Mobiliar und Bauschutt warten aufgehäuft, als kämen die Container jeden Augenblick. In Wahrheit kommt gerade gar nichts: kein Bauarbeiter, kein Container und auch kein weiteres Geld, um die Pläne zu verwirklichen. Nichts rührt sich auf dem Gelände, auf dem das Städtische Klinikum einst seine zweite Medizinische Klinik betrieb und nach dem Verkauf des Areals Bemühungen für ein Kompetenzzentrum für gerontopsychiatrische Pflege liefen.
Ende Januar hatte die Blanko 129 GmbH & Co KG mit Sitz in Berlin das Grundstück mit seinen 33 000 Quadratmetern und den zahlreichen Gebäuden für das Gebot in Höhe von 830 000 Euro übernommen. Mittlerweile ist im Unternehmensregister aus der nur für die Versteigerung gegründeten Blanko 129 GmbH die Projekt Görlitz UG & Co KG geworden. Mit Sitz auf dem Hans-Henny-Jahnn-Weg 19 in Hamburg. Die Adresse ist auch der Geschäftssitz der Immobilienfirma von Julia Kubis. Sie hatte ursprünglich den Görlitzer Projektentwickler Hagen Grothe auch finanziell dabei unterstützt, das Gesundheitszentrum auf dem Kahlbaumgelände zu errichten. Doch kam es zwischen beiden zum Zerwürfnis. Zwar zahlte Grothe Frau Kubis aus, doch blieb sie mit den beiden weiteren Gläubigern, zwei Deutsche, die in England leben, in Kontakt. Weil Grothe ihre Forderungen nicht begleichen konnte und sie das Grundbuch für neue Eintragungen blockierten, kam es schließlich zur Zwangsversteigerung. Ende Januar ersteigerte Julia Kubis schließlich für die Blanko-Firma das Gelände am Amtsgericht Görlitz. Damals erklärte sie gegenüber der SZ, sie wolle nun erst einmal nachdenken, was sie mit dem großen Grundstück machen wolle. Daran hat sich nichts geändert. Gegenüber der SZ legte sie die Lage jetzt wie folgt dar: Sie sei nun zunächst einmal Eigentümerin, das Grundstück sei so groß, da müsse man in Ruhe sehen, wie man es entwickeln könne. Einen Termin, wann ein Ergebnis der Überlegungen vorliegt, nannte sie nicht.
Die einst als Mieter vorgesehenen Partner des Kahlbaum-Gesundheitszentrums haben seit Monaten nichts mehr von den alten oder neuen Eigentümern des Geländes gehört. Manfred Thon von der Initiative Görlitz sagt: „Wir wissen von nichts.“ Ursprünglich sollte der Verein, der sich um psychisch kranke Menschen kümmert, in das Eckgebäude Dr.-Kahlbaum-Allee/James-von-Moltke-Straße mit einem betreuten Wohnangebot für psychisch Kranke einziehen. Die Pläne sahen zudem vor, eine Inklusionsfirma für psychisch kranke Menschen zu gründen, die dann den Park des Kahlbaumareals pflegen sollte. Auch wenn ungewiss ist, ob der Park in absehbarer Zeit entsprechend der Denkmalauflagen in seiner historischen Gestaltung wieder hergestellt wird, hält Thon an der Inklusionsfirma fest. „Die Projekte sind nicht gestorben“, sagt er. Die Gründung der Inklusionsfirma könnte im kommenden Jahr starten.
Je länger die Ungewissheit anhält, umso größer wird die Neigung der eigentlichen Partner des Gesundheitszentrums, sich nach Alternativen umzuschauen. Das betrifft vor allem die Evangelische Oberschule, die eigentlich als einer der ersten Mieter in das frühere Turm- und Schweizerhaus zur Querstraße einziehen sollte. Wie der Schulverein schon im Juni gegenüber der SZ erklärte, habe er verschiedene andere Objekte besichtigt. Eines der Gebäude, die infrage kommen, gehört dem Freistaat. „Wir hätten einen Investor und stehen in Verhandlung mit dem Land“, sagte damals Cornelia Immer. Bis neue Pläne konkreter werden, bleibt die Oberschule im Gewerbecenter, der Schulverein hat einen Antrag gestellt, um die Räume in den nächsten zwei Jahren nutzen zu können.
Bis zum St. Nimmerleinstag kann auch Julia Kubis nicht über das Kahlbaumgelände nachdenken. Denn die Stadt hat den damaligen Eigentümern Sicherungsgelder bewilligt, die auch ausbezahlt wurden und im Grundbuch stehen. Verbunden damit sind vertraglich vereinbarte Auflagen zur Sanierung der Gebäude. Wie der Chef des Stadtentwicklungsamtes, Hartmut Wilke, der SZ mitteilt, laufen diese Fristen Ende 2020 beziehungsweise Ende 2021 ab. Einen Kontakt zur neuen Eigentümerin aber hat die Stadt auch noch nicht.
Bliebe noch der Kölner Projektentwickler Michael Hölzel. Der hatte Mitte vergangenen Jahres ein Konzept für das Gesundheitszentrum vorgelegt. Er stehe weiterhin zur Verfügung, sagt er gegenüber der SZ. Doch Frau Kubis sagt, sie habe seit Wochen nicht mehr mit ihm gesprochen. Dabei schien es noch im Januar, als wäre es nur eine Frage der Zeit, bis das Grundstück von Frau Kubis zu Herrn Hölzel übergehen würde. Das aber können beide im Moment nicht bestätigen.