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Genervt vom Autobahn-Lärm

Mehr Fahrzeuge, mehr Krach – was aktuelle Zahlen belegen, spüren die Prischwitzer am eigenen Leib. Sie fordern besseren Schallschutz und haben konkrete Vorschläge.

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© Uwe Soeder

Von Katja Schäfer

Prischwitz. Zu sehen ist er nicht; aber zu hören: der fast ununterbrochene Fahrzeugstrom auf der A 4 bei Prischwitz. Wenn Motorräder oder große Laster vorbei rasen, schwillt das Dröhnen an. Manchmal wird es kurz etwas leiser. Aber Ruhe herrscht nie. „Die Lärmbelastung hat nahezu unerträgliche Ausmaße angenommen“, sagt Rainer Klöpzig. Diana Niklas und Claudia Schäfer nicken bestätigend. Alle Drei wohnen in dem Bereich von Prischwitz, der der Autobahn am nächsten liegt. Aber auch Gerold Funke, dessen Gehöft sich weiter drin im Ort befindet, leidet unter dem Krach. Viele andere Einwohner des Gödaer Ortsteils ebenfalls. 88 Leute haben eine Petition unterschrieben, die Rainer Klöpzig im Namen der Dorfgemeinschaft Prischwitz an das Landesamt für Straßenbau und Verkehr geschickt hat. Das Lasuv ist im Auftrag des Bundes für die Autobahn zuständig.

„Die Lärmbelastung hat sich verdoppelt“, sind sich Klöpzig und die anderen einig. Früher habe man noch einzelne Fahrzeuge gehört, jetzt sei daraus eine Dauerbeschallung geworden. In der Petition verweisen die Prischwitzer darauf, dass die Zählstelle Burkau, die dem Ort am nächsten liegt, 2006 rund 32 600 Fahrzeuge in 24 Stunden registrierte. 2016 waren es schon 42 400.

Die aktuelle Lärmkartierung vom Landesamt für Umwelt, Landwirtschaft und Geologie vorgenommen bestätigt das, was die Prischwitzer Tag für Tag und Nacht für Nacht erleben. Für die Einwohner der Gemeinde habe die Lärmbelastung durch die Autobahn in den vergangenen fünf Jahren zugenommen. Zum einen sei die Zahl der Menschen gestiegen, die von Lärm betroffen sind, der Gesundheitsschäden hervorrufen kann. Zum anderen sei die belastete Fläche größer geworden. So fasste André Laue, Leiter des Technischen Amtes in der Gödaer Verwaltung, unlängst vorm Gemeinderat die Ergebnisse zusammen. Allersdings – so ist es auf der Internetseite der Gemeinde nachzulesen – sei niemand ganztägig Lärm über 65 Dezibel ausgesetzt, der bei Dauerbelastung zu gesundheitlichen Schäden führen kann. Der nachts geltende Grenzwert von 55 Dezibel betrifft 16 Leute. Und rund 330 Einwohner sind Lärm ausgesetzt, der immerhin noch zu Belästigung führen kann.

Reichlich vier Kilometer des Gödaer Gemeindegebietes liegen an der A 4. Der von ihr ausgehende Krach betrifft vor allem die Orte Coblenz, Pietzschwitz, Zischkowitz und besonders Prischwitz. „Es gibt Zeiten, wenn meine Frau und ich da im Garten zehn Meter voneinander entfernt sind, hört der eine nicht, was der andere sagt. Dann flüchten wir nach drinnen“, berichtet Rainer Klöpzig. Aber auch im Haus sei es nie ganz still. Schlafzimmerfenster, die zur Autobahn zeigen, öffnen die Betroffenen nachts meist schon gar nicht mehr.

Claudia Schäfer erzählt davon, dass auf ihrer Terrasse der Krach oft unerträglich sei. Mit Besuch setzt sich die Familie deshalb an andere Stellen im Garten. Und trotzdem fragen Gäste: „Wie haltet ihr das bloß aus?“ Ihnen bleibe ja nichts anderes übrig, sagen die Prischwitzer dazu. Wegziehen sei keine Option. „Wir haben viel Geld ins Haus gesteckt. Die Kinder sind hier geboren. Das ist unser Zuhause“, sagt Claudia Schäfer. Als die Familie das um 1800 errichtete Gebäude vor 25 Jahren übernahm, war der Krach längst nicht so schlimm. Rainer Klöpzig, der reichlich 30 Jahre in Prischwitz lebt, nennt einen weiteren Grund fürs Bleiben: „Der Lärm wertet unsere Grundstücke ab. Und ohnehin würde sie niemand kaufen.“

Gutachten in Auftrag gegeben

Die Prischwitzer rechnen damit, dass der Verkehr auf der A 4 und damit der Krach weiter zunimmt. Sie beantragen deshalb in der Petition eine Vergrößerung der vorhandenen Schallschutzwände und den Einsatz von lärmmindernden Straßenbelag. „Temporeduzierungen würden auch was bringen – ohne große Kosten“, sagt Claudia Schäfer. Auch die Gemeinde hat in einem Schreiben ans Lasuv ihre Meinung zum Ausdruck gebracht, dass eine Geschwindigkeitsreduzierung in Höhe der Orte den Lärmschutz verbessern würde.

Doch viel Hoffnung dürfen sich die Prischwitzer nicht machen. In der Gemeinde Göda liege „eine geringe gesundheitsrelevante Lärmbetroffenheit“ vor, schätzt das Lasuv ein. Es könne daher „keine Lärmminderungsmaßnahmen zu Lasten des Bundes planen und umsetzen“, sagt Sprecherin Nicole Wernicke. Beim Ausbau der A 4 vor rund 20 Jahren seien vom damals zuständigen Autobahnamt Sachsen Schallschutzmaßnahmen gemäß des Planfeststellungsbeschlusses umgesetzt worden. Der Bund, dem die Autobahn jetzt gehört, finanziere keinen Lärmschutz, der über den damals festgelegten Umfang hinausgehe. Anspruch auf nachträgliche Maßnahmen bestehe nur, wenn der Lärmpegel um drei Dezibel steige. So eine Erhöhung trete bei einer Verdopplung der Verkehrszahlen ein – die sei derzeit nicht gegeben. Aufgrund vorliegender Beschwerden hat das Lasuv aber ein schalltechnisches Gutachten in Auftrag gegeben. Dabei wird unter anderem geprüft, ob Voraussetzungen für zusätzliche Lärmschutzmaßnahmen gegeben sind. „Das Ergebnis ist offen und nicht vor 2019 zu erwarten“, sagt Nicole Wernicke.