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Gärtner warten auf Festnahme

Ein 38-Jähriger soll für mehr als 100 Garten-Einbrüche in Hartha, Leisnig und Waldheim verantwortlich sein. Einen Haftbefehl gibt es aber immer noch nicht.

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© André Braun

Von Verena Toth

Hartha/Leisnig/ Waldheim. Eine beispiellose Serie von Einbrüchen hat die Kleingärtner in Hartha, Leisnig und Waldheim seit dem Jahresbeginn in Atem gehalten. In regelmäßigen Abständen wurde die Polizei in nahezu alle Gartenanlagen der Stadt gerufen. In 110 Fällen ermittelt die Polizei. Mit Erfolg. Am vergangenen Freitag hatte die Staatsanwaltschaft Chemnitz die Durchsuchung einer Wohnung eines 38-jährigen Deutschen in der Region Hartha angeordnet. Den Tatverdächtigen trafen die ermittelnden Beamten zwar nicht an, dafür fanden sie zahlreiche Beweismittel und Diebesgut.

Im August wütete der Einbrecher in der Gartengruppe „Naturheilfreunde“ in der Harthaer Gartenstraße. Dort richtete er vor allem Sachschäden an.
Im August wütete der Einbrecher in der Gartengruppe „Naturheilfreunde“ in der Harthaer Gartenstraße. Dort richtete er vor allem Sachschäden an. © André Braun

Fotos vom Diebesgut - Wer erkennt sein Eigentum?

Der Leiter des Döbelner Polizeireviers Andree Wagner mit den sichergestellten Wertsachen.
Der Leiter des Döbelner Polizeireviers Andree Wagner mit den sichergestellten Wertsachen.
Dieses Fuchsfell stellten die Beamten ebenfalls sicher. Nun wird der Besitzer gesucht.
Dieses Fuchsfell stellten die Beamten ebenfalls sicher. Nun wird der Besitzer gesucht.
Vier verschiedene Ferngläser stellte die Polizei sicher, drei  von Carl Zeiss Jena, eins davon mit Lederetui, sowie eins von Minolta.
Vier verschiedene Ferngläser stellte die Polizei sicher, drei von Carl Zeiss Jena, eins davon mit Lederetui, sowie eins von Minolta.
Wem gehört diese Bohrmaschine von Bosch?
Wem gehört diese Bohrmaschine von Bosch?
Auffällig an dieser Überwachungskamera sind zwei abgeklebte Bereiche am Gehäuse. Wer kann dazu Auskunft geben?
Auffällig an dieser Überwachungskamera sind zwei abgeklebte Bereiche am Gehäuse. Wer kann dazu Auskunft geben?
Diese Fanwimpel haben vermutlich nur ideellen Wert, dennoch möchte die Polizei sie gern den Besitzern zurückgeben.
Diese Fanwimpel haben vermutlich nur ideellen Wert, dennoch möchte die Polizei sie gern den Besitzern zurückgeben.
Auch dieser digitale Satelliten-Receiver wurde sichergestellt.
Auch dieser digitale Satelliten-Receiver wurde sichergestellt.
Dieses Messer ist stark verschmutzt, der Griff ist in Hornoptik.
Dieses Messer ist stark verschmutzt, der Griff ist in Hornoptik.
Die Polizei hat jede Menge Schlüssel und Schlüsselbünde sichergestellt. Wer erkennt seinen wieder?
Die Polizei hat jede Menge Schlüssel und Schlüsselbünde sichergestellt. Wer erkennt seinen wieder?
Insgesamt vier verschiedene Aufbewahrungsschachteln mit Aufsätzen für Akkuschrauber verschiedener Marken befanden sich unter den sichergestellten Wertgegenständen.
Insgesamt vier verschiedene Aufbewahrungsschachteln mit Aufsätzen für Akkuschrauber verschiedener Marken befanden sich unter den sichergestellten Wertgegenständen.
Diese Fanwimpel haben vermutlich nur ideellen Wert, dennoch möchte die Polizei sie gern den Besitzern zurückgeben.
Diese Fanwimpel haben vermutlich nur ideellen Wert, dennoch möchte die Polizei sie gern den Besitzern zurückgeben.

Für Ingo Hamann, den stellvertretenden Vorsitzenden der Gartengruppe „Erholung“, ist die Nachricht keine Überraschung. „Ich warte schon seit zwei Monaten darauf, dass endlich etwas passiert“, sagt der 43-Jährige. Schließlich kenne er den Tatverdächtigen bereits seit Wochen namentlich und hatte schon damals seine Informationen an die Polizei weitergegeben. Seit Mai hatte es in der Anlage an der Dresdener Straße mindestens 20 Einbrüche und zwölf Anzeigen bei der Polizei gegeben. In der Nacht des 31. Juli war Hamann deshalb bei einem Rundgang in der Sparte unterwegs, um nach dem Rechten zu schauen. „Dabei ist mir ein Mann mit einem markanten Rucksack aufgefallen, der dort eigentlich nichts zu suchen hatte“, berichtet er. Einer vorbeikommenden Polizeistreife habe er in dieser Nacht seine Beobachtungen mitgeteilt. „Irgendwann lief der Mann mir über den Weg und ich habe ihn einfach angesprochen. Er war bereit, gemeinsam mit mir auf die Polizeibeamten zu warten, die daraufhin seine Personalien festgestellt haben“, erinnert sich Hamann. Zwar konnte der Mann nicht auf frischer Tat ertappt werden, doch in seinem Rucksack wurden eine Taschenlampe und Schraubenzieher festgestellt. „Etwa eine Woche später wurde ich von der Polizei gebeten, den Mann auf Bildern zu identifizieren, die mit einer Wildkamera geschossen wurden. Vor allem auch anhand des Rucksackes konnte ich ihn eindeutig wiedererkennen“, sagt Ingo Hamann.

15 Gärten waren danach im August in der Anlage „Naturheilfreunde“ betroffen. An einigen Parzellen wurden die Gartentore aufgehebelt, Fenster eingeschlagen oder aufgedrückt, Türen zerstört. Der Einbrecher ging jedoch noch dreister vor als in den Monaten davor. In die Gartenlaube von Waltraud Anger war er bereits zum dritten Mal eingestiegen. Wie bei den Einbrüchen zuvor hatte es der Dieb vor allem auf Speisen und Getränke abgesehen. Doch was er in der Nacht zum 18. August hinterließ, sei eine große Sauerei gewesen, sagt die 63-Jährige. Offenbar hatte der Eindringling eine Party veranstaltet, Mikrowelle und Backofen benutzt und Bierflaschen hinterlassen. Auch die Campingtoilette war benutzt und übel verschmutzt worden. „Seit 1982 haben wir den Garten. Wir haben alles reingesteckt, was wir hatten, um es uns vor allem für die Rentenzeit schön zu machen“, sagt die Waldheimerin. Doch nach diesen Vorfällen könne sie ihren Garten nicht mehr genießen. „Ich kann im Moment gar nicht mehr hingehen, mein Mann bringt alles in Ordnung“, erzählt sie.

Ende September kursierten im sozialen Netzwerk Facebook Fotos von dem nun Verdächtigen. Laut der Beschreibung im Internet soll der Einbrecher eine Art Clown-Maske und den markanten Rucksack getragen haben. Diesen Hinweisen ging die Polizei nach und erwirkte bei der Staatsanwaltschaft eine Wohnungsdurchsuchung. „Tatsächlich hat sich bestätigt, dass es sich dabei um diesen Tatverdächtigen handelt. Die selbst gebastelte Maske und den Rucksack haben wir in der Wohnung gefunden“, bestätigt die Beamtin, die die Einbruchsserie bearbeitet.

Die Einbruchsopfer sind froh, dass es nun in dem Fall einen Ermittlungserfolg gegeben hat. Ob diese Beweise allerdings ausreichen, um den tatverdächtigen Mann auch tatsächlich dingfest zu machen, ist fraglich. Ein Haftbefehl wurde gegen den mutmaßlichen Täter noch nicht ausgestellt. „Das könnte auch schwierig werden, da es sich nur um Gartenlauben- und nicht etwa um Wohnungseinbrüche handelt“, so Polizeipressesprecher Andrzej Rydzik. Die Sprecherin der Staatsanwaltschaft Chemnitz, Ingrid Burghart, sagte dazu: „Im Moment reichen die Voraussetzungen noch nicht aus, um einen Haftbefehl erlassen zu können. Der Mann ist nicht vorbestraft. Zudem müssen erst die gefundenen Spuren vollständig ausgewertet werden. Denn unklar ist, ob tatsächlich jeder der mehr als 100 Einbrüche eindeutig diesem Verdächtigen zugeordnet werden kann.“ Zudem bestehe keine Fluchtgefahr und der verursachte Stehlschaden sei relativ gering, da er es vor allem auf Lebensmittel und Getränke abgesehen hatte. Sollte es zu einer Anklage und Verurteilung kommen, müsse der Täter mit mindestens drei Monaten Freiheitsstrafe für einen Einbruch rechnen. Bei mehreren nachgewiesenen Fällen werde eine Gesamtfreiheitsstrafe gebildet.

Am Mittwochmorgen präsentierten die Polizisten im Döbelner Revier beschlagnahmte Gegenstände, die bislang noch nicht den Besitzern zugeordnet werden konnten. Diese können am Freitag im Döbelner Polizeirevier in Augenschein genommen und von den rechtmäßigen Besitzern wieder in Empfang genommen werden. „Unsere Kriminaltechniker und Sachbearbeiter haben eine immense Fleißarbeit geleistet. Es sind komplizierte und langwierige Ermittlungen. Noch längst sind nicht alle Spuren ausgewertet“, berichtet der Döbelner Revierleiter Andree Wagner. Auffällig war aber bei allen Fällen, dass der Täter immer in der gleichen Art und Weise vorging. Die Einbruchsspuren an Türen und Fenstern waren nahezu identisch. Auch das mitgenommene Diebesgut ähnelt sich. „Der angerichtete Sachschaden ist viel höher, insgesamt schätzen wir etwa 18 000 Euro“, so Pressesprecher Rydzik. Als Motiv gehen die Beamten von Beschaffungskriminalität aus.

Die von der Polizei sichergestellten Gegenstände, die noch nicht den eigentlichen Besitzern zugeordnet werden konnten, werden am Freitag, 19. Oktober, zwischen 9 und 15.30 Uhr im Polizeirevier Döbeln, Burgstraße 30, ausgestellt. Die Geschädigten haben die Möglichkeit, ihr wiedererkanntes Eigentum, gegebenenfalls mit einem entsprechenden Nachweis, wiederzuerhalten.

In unserer Bildergalerie können die Gegenstände in Einzelaufnahmen betrachtet werden: https://sz-link.de/Laubeneinbruch