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Frisches Nass aus der Unterwelt

Die Stadtwerke Görlitz haben Freitag einen neuen Brunnen eingeweiht. 30 alte Bauwerke werden dafür stillgelegt.

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Von Matthias Klaus

Görlitz. Ein bisschen grün, ein bisschen duster, ein bisschen wie eine Szene aus einen Fantasy-Film. Und dennoch allerneueste Technik – die Stadtwerke Görlitz machen diese Kombination möglich. Es ist Freitagvormittag und Bernd Bauer ist in seinem Element. Der Abteilungsleiter Wasserwerke bei den Stadtwerken Görlitz erklärt gerade den ersten Besuchern das allerneueste, allerschickeste Bauwerk des Unternehmens. Ein Bauwerk, das tatsächlich staunen lässt. Allein der Name hat es in sich: Horizontalfilterbrunnen. Zwölf Meter tief können die Gäste in den schauen. Unten wabert klares Wasser, an den Seiten des Schachtes, 2,8 Meter breit, verläuft eine Leiter. Lust zum Absteigen hat offenbar niemand. Geht auch gar nicht für einen Laien. Denn das ganze Konstrukt ist hochwassersicher und damit normalerweise dicht, bis Wartungsarbeiten anstehen. Bernd Bauer klopft auf die Glasscheibe, die den Schacht abschließt: Hier kommt nichts durch im Fall der Fälle. Die Stadtwerke haben aus dem Hochwasser von 2010 gelernt.

Das Bild zeigt die „Brunnenstube“, die zweite Ebene im Brunnenbauwerk.
Das Bild zeigt die „Brunnenstube“, die zweite Ebene im Brunnenbauwerk. © pawelsosnowski.com

Drei Jahre hat der Bau des neuen Brunnens an den Neißewiesen gedauert. 2,5 Millionen Euro steckten die Stadtwerke in das Vorhaben. „Hori-Brunnen“, so wird der neue Bau intern bei den Stadtwerken genannt, eine Abkürzung des komplizierten Namens. Für den Nichtwasserexperten stellt sich das Ganze so dar: Vier 60 Meter lange Leitungen, horizontal in die Erde gelegt, daher der Name, sind mit Filtern versehen und mit dem Zentralschacht verbunden. Sie liefern diesem das Grundwasser. 550 Kubikmeter können so pro Stunde gewonnen werden. Der neue Brunnen ist eine echte Innovation in der Region. Die nächsten Horizontalfilterbrunnen gibt es in Hoyerswerda, Riesa, Dresden. Dort werden sie allerdings eher zum Senken des Grundwasserspiegels benötigt. In Görlitz jedenfalls werden mit dem neuen Brunnen 30 andere aus dem Jahr 1878 überflüssig. Sie werden nach und nach schichtenweise gefüllt, schildert Bernd Bauer. Wenn die alten Brunnen offen gelassen würden, könnte das unter Umständen zur Beeinträchtigung der Trinkwasserqualität führen, vor allem nach heftigem Regen oder Hochwasser.

Der Bau des neuen Brunnens, einfach war er nicht, vor allem wegen den Naturschutzauflagen. Vier Standorte hatten zunächst zur Debatte gestanden. Wirtschaftliche aber auch Gründe des Naturschutzes hatten schließlich den jetzigen Standort bestimmt. Der ist immerhin 700 Meter vom Wasserwerk entfernt, was eine zusätzliche Leitung erforderte.

„Der neue Brunnen ist Teil unseres Zukunftsprojektes“, sagt Matthias Block, Vorstandsvorsitzender der Stadtwerke. Dieses Vorhaben gliedert sich in zwei Teile: zum einen die Wassergewinnung, zum anderen die Wasseraufbereitung. Klimawandel und die demografische Entwicklung in und um Görlitz – diesen beiden Problemen müssen sich die Stadtwerke stellen, so Matthias Block. Neben der Wassergewinnung sei die Aufbereitung zunehmend ein Thema. „Wir haben es immer mehr mit Arzneimittelrückständen und Mikroplastik im Abwasser zu tun“, sagt Matthias Block. Deshalb haben die Stadtwerke ein Konzept erarbeitet. Es gebe einen Zeitplan. Wie der genau aussieht, darüber sagte der Vorstandschef nichts.

So oder so: Der Bau des neuen „Hori-Brunnens“ war kein ganz einfaches Vorhaben. Zunächst sollte ein Generalunternehmer mit dem Projekt betraut werden. Dann kam aber die Einsicht: Das wird zu teuer. Deshalb wurde diese Ausschreibung aufgehoben, das Verfahren in mehrere Teile, Lose, vergeben. Vor allem größere und kleinere Unternehmen aus der Region profitierten von den anstehenden Aufträgen.

Der Naturschutz war ein ganz besonderer Teil der Arbeiten am neuen Brunnen. „Der Wachtelkönig ist auf den Neißewiesen zu Hause und sein Brutrevier mussten wir für die Zeit des Baus umsiedeln. Nun ist er wieder wohlauf in seiner alten Umgebung“, so Bernd Bauer. Für den Hochwasserschutz wurde zudem von den Stadtwerken ein bepflanzter Damm errichtet, 7000 Kubikmeter Erde bewegt. Der neue Horizontalbrunnen, er passt sich an – ohne dass man seine Unterwelt von außen sieht.