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Frau D.’s Freudentränen

Das Comeback der Kelly Family war für viele Fans besonders. Für eine todkranke Frau aus Sebnitz und ihre Neustädter Pfleger besonders wertvoll.

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© Foto: ASB

Sebnitz/Neustadt. Aus dem kleinen Angelo mit den blonden Locken und der engelsgleichen Stimme ist ein erwachsener Mann geworden. Überhaupt sind alle Mitglieder der Kelly Family sichtlich gealtert. An ihrer Anziehungskraft hat sich dadurch nichts geändert. Tausende Fans jubeln der Band zu, als sie im Sommer ihre bekannten Hits wie „An Angel“ und „Why Why Why“ auf dem Hartmannplatz in Chemnitz zum Besten geben. Unter den Zuhörern, auf dem Rollstuhlfahrer-Podest, klatscht, summt und schunkelt eine 69-jährige Frau aus Sebnitz. Dass sie an der Show teilnehmen kann, hat sie ihrer Betreuerin der ASB-Sozialstation Neustadt zu verdanken – und dem Einsatz des Wünschewagens.

... und dann weiter zur Arena am Hartmannplatz in Chemnitz, wo sie einen tollen Blick auf die Bühne hatten.
... und dann weiter zur Arena am Hartmannplatz in Chemnitz, wo sie einen tollen Blick auf die Bühne hatten. © Foto: ASB

Denn ein unbeschwerter Konzertbesuch ist für Frau D. nicht mehr so einfach möglich. Die Sebnitzerin leidet unter Darmkrebs. In den vergangenen zwei Jahren lag sie in unterschiedlichen Krankenhäusern und wird nun von einem Palliativteam zu Hause betreut. Ihr Alltag ist bestimmt von starken Schmerzen. Dennoch: Frau D. hat die Lust am Leben nicht verloren. „Mit ihrem Charme verzaubert sie regelmäßig ihre Mitmenschen. Ihr Herz ist groß und das Interesse an ihren Mitmenschen ungebrochen“, erzählt ihre Pflegerin Waltraud Steglich.

Sie war es auch, die die 69-Jährige unbedingt zum Konzert der Kelly Family bringen wollte. Schon immer wollte sie die Band gerne mal live sehen, habe Frau D. ihr berichtet. Für die Herzenswünsche todkranker Menschen hat der Arbeiter-Samariter-Bund den Wünschewagen eingerichtet. Der Krankentransportwagen sollte nun auch dieses Mal zum Einsatz kommen, doch die Anfrage der Neustädter Pfleger musste erst einmal geprüft werden. Nach einigen Tagen durfte Waltraud Steglich endlich Frau D. von dem Konzert erzählen. „Nie werde ich die erstaunten Augen und die Freude vergessen, als ich ihr sagte: ‚Wir fahren gemeinsam zu einem Konzert der Kelly Family!‘“

Die 50. Fahrt des Wünschewagens Sachsen ging zusammen mit Fahrer Julian zunächst nach Bad Schandau. Zwei Jahre lang hatte die Patientin den Anblick ihrer geliebten Heimat, dem wildromantischen Kirnitzschtal, nicht mehr genießen können. Bei einem Eisbecher am Elbufer und lustigen Anekdoten waren Krankheit und Schmerzen so gut wie vergessen.

Gestärkt ging es weiter zum Zielort, der Arena Am Hartmannplatz in Chemnitz. Die Straßen waren, wie erwartet, verstopft. Doch dem Wünschewagen wurde freie Bahn verschafft und Frau D. vom Sicherheitspersonal auf das Podest für Rollstuhlfahrer gebracht. Mit bestem Blick auf die Bühne startete das Konzert der Kellys. „Es liefen Tränen, es wurde geklatscht, geschunkelt und gesummt. Frau D. war überglücklich, es war einfach großartig anzusehen“, berichtet Waltraud Steglich, die den Abend mit ihrem Schützling ebenso genoss wie sie. Auf dem Rückweg in die Sächsische Schweiz lief natürlich die CD mit allen Hits der Band, und Frau D. freute sich noch einmal über jedes Lied.

Für die schwer kranke 69-Jährige war dieser Tag mehr als nur ein Konzertbesuch. „Es gibt ihr viel Kraft und Zuversicht“, sagt ihre Pflegerin.

Deutschlandweit sind die Wünschewagen des Arbeiter-Samariter-Bundes im Einsatz – komplett ehrenamtlich und rein durch Spenden finanziert. In Neustadt wurde Ende 2017 erstmals ein letzter Wunsch erfüllt: Eine Frau wollte vor ihrem Tod gerne noch einmal das Meer sehen und mit den Füßen im Sand stehen. Im Frühjahr dieses Jahres dann fuhr der Wünschewagen mit einem Bewohner des ASB-Pflegeheims in den Harz, wo er als Schüler schon einmal schöne Stunden verbracht hatte. Die Fahrten mit dem Wünschewagen sind jedes Mal etwas sehr Emotionales und doch Erfüllendes für die Todkranken. Durch die umfangreiche Betreuung stehen für einen Tag lang nicht mehr die Schmerzen und der nahende Tod, sondern die Freude im Vordergrund. Damit die Wünschewagen auch weiterhin fahren können, ist das Projekt auf Spenden angewiesen. (SZ/nr)

Spendenkonto: ASB in Sachsen, IBAN: DE53 8602 0500 0003 5475 04