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„Er lügt nach wie vor“

Eduard Geyer soll als Ehrenspielführer von Dynamo abgesetzt werden. Dieter Riedel und Hans-Jürgen Kreische erklären den Antrag und die Konsequenzen.

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© Mike Worbser

Von Sven Geisler

Sie haben gemeinsam gespielt, zusammen Meisterschaften und Pokalsiege mit Dynamo Dresden gefeiert. Für ihre Erfolge wurden sie zu Ehrenspielführern ernannt, ihre Fotos hängen überlebensgroß im Stadion. Doch einer passt nicht in diese Reihe. Das meinen zumindest Klaus Sammer, Hans-Jürgen Kreische und Dieter Riedel. Das Trio hat beim Präsidium den Antrag gestellt, Eduard Geyer aus der Liste zu streichen. Sie begründen ihren Antrag an das Präsidium mit der Stasi-Tätigkeit ihres früheren Mannschaftskollegen. Gleichzeitig stellen sie infrage, ob Geyer in seiner Karriere als Spieler ausreichend sportliche Verdienste für einen solchen Titel erworben hatte.

Sammer, Kreische und Riedel fordern, das Bild von Geyer aus der Ehrengalerie im Stadion zu entfernen. Andernfalls würden sie ihre Urkunden als Ehrenspielführer zurückgeben. „Unsere Entscheidung steht: Er oder wir“, sagte Riedel im Gespräch mit der SZ. Kreische fordert eine Klärung bis zum Beginn der neuen Saison Anfang August.

Bisher lief der Antrag vereinsintern, wurde von Präsidium und Ehrenrat behandelt. Weil es nach fast einem halben Jahr keine Konsequenzen gibt, sind die Geyer-Gegner an die Öffentlichkeit gegangen, haben den Fall in der DNN aufgerollt.

So wird man Dynamos Ehrenspielführer

Es ist eine gute Idee, die Tradition zu pflegen. In der Beitrags- und Ehrenordnung heißt es in Paragraf 4, Ziffer 5: „Früher aktive Mitglieder, welche sich in hervorragender Weise um den Verein und dessen Tradition verdient gemacht haben, können vom Präsidium zum Ehrenspielführer ernannt und mit einer Urkunde ,Ehrenspielführer der SGDynamo Dresden‘ bedacht werden. Sie sind von der Beitragszahlung befreit.“

Zum 60. Geburtstag des Vereins am 12. April 2013 wurden die inzwischen verstorbenen Wolfgang Oeser und Reinhard Häfner sowie Hans-Jürgen Kreische, Hans-Jürgen Dörner und Klaus Sammer ernannt.

Im nächsten Jahr wurde diese Ehre Dieter Riedel und Eduard Geyer zuteil, 2016 Hartmut Schade und in diesem Jahr Ulf Kirsten.

In den Statuten ist allerdings nicht geregelt, ob und wie eine solche Ernennung rückgängig gemacht werden kann. Das Präsidium beruft sich auf die Mitgliederversammlung. (SZ/-ler)

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In Gesprächen mit der SZ haben Riedel und Kreische unabhängig voneinander ihr Anliegen erklärt.

Seit 1992 ist bekannt, dass Geyer als inoffizieller Mitarbeiter der Stasi berichtet hat. Wieso kocht diese Geschichte jetzt wieder hoch?

Riedel: Aus Anlass des 50-jährigen Jubiläums des ersten Europapokalspieles war die Mannschaft am 20. September vorigen Jahres vom Verein eingeladen worden, eine anerkennenswerte Geste. An diesem Tag habe ich Unterlagen auf den Tisch bekommen, die ich davor nicht kannte und die mich erschüttert haben. Jeder wusste, dass Geyer ein IM war. Aber dass er der Stasi 1986 erzählt hat, Sammer und Riedel sind als Trainerteam politisch nicht tragbar und hätten viel früher abgelöst werden müssen, war für mich neu. Mit einer solchen Aussage hat er uns unter den damaligen politischen Verhältnissen quasi den Boden unter den Füßen weggezogen.

Kreische: Es geht nicht um uns, sondern darum, wer prädestiniert ist, die Tradition des Vereins zu repräsentieren. Er doch nicht. Einige Belege hatte der Autor Ingolf Pleil schon vor Jahren in seinem Buch veröffentlicht, aber das hatte ich nicht gelesen und habe sie erst im Herbst gesehen. Es ist aus unserer Sicht nicht zu vertreten, dass Geyer zum Ehrenspielführer ernannt wurde.

Ihnen war also die Dimension seiner Stasi-Mitarbeit nicht bekannt?

Riedel:Nein, ich bin bisher davon ausgegangen, er sei ein Mitläufer gewesen und habe nur belangloses Zeug berichtet. Wenn man jetzt weiß, dass er mehr als 20 Spieler bespitzelt hat, war er ein Hochkaräter. Es gibt viele, die diese Behörde schließen wollen, was aus meiner Sicht hoffentlich nicht passieren wird. Auch in 15, 20 Jahren muss jeder Einsicht nehmen können, welche Schweinereien von Mensch zu Mensch damals passiert sind.

Geyer meint, er habe zu dem Thema bereits 1992 und 2000 alles gesagt …

Riedel:Es ist eben nicht alles gesagt. Er lügt nach wie vor. Er war sogar noch zu meinem 70. Geburtstag, vier Tage danach habe ich die Unterlagen gesehen. Ich habe ihm einen Brief geschrieben und die Kopie der Quittung geschickt über 500 Mark Ost und 100 West, die er unterschrieben hat. Geyer hat immer behauptet, er habe nie Geld für seine Mitarbeit bekommen.

Sie haben sich an das Präsidium gewandt, den Ehrenrat eingeschaltet. Wie haben die Vereinsgremien reagiert?

Riedel: Wir haben lange gewartet, wollten keine atmosphärischen Störungen, weil die Mannschaft im Abstiegskampf steckte. Es gab eine Frist vom Ehrenrat an das Präsidium: bis 15. März. Bis jetzt ist nichts passiert. Deshalb ist uns der Geduldsfaden gerissen und wir sind an die Öffentlichkeit gegangen. Wenn neue Fakten auftauchen, muss man von Vereinsseite Stellung beziehen, auch wenn es 30 Jahre nach der Wende passiert. Die einzige Aussage, die wir erhalten haben: Das müsste die Mitgliederversammlung entscheiden.

Kreische:Die Beweislage ist eindeutig. Ich bin es leid, mich für meine Haltung rechtfertigen zu müssen. In der Mitgliederversammlung, wie sich Herr Ritter (Dynamo-Präsident/d. A.) das vorstellt, mache ich das sicher nicht. Was soll ich anhand dieser Fakten denn noch erzählen? Entweder sein Bild wird abgehangen oder nicht. Dann müssen wir die Konsequenz ziehen.

Welche Konsequenzen wären das?

Kreische: Wir müssten schweren Herzens, weil uns diese Wertschätzung durch den Verein wirklich sehr viel bedeutet, die Urkunde als Ehrenspielführer zurückgeben.

Riedel: Unsere Entscheidung steht: Er oder wir. Das Thema brennt uns es auf den Nägeln. Wie das Präsidium damit umgeht, davon kann man nur enttäuscht sein.

Setzen Sie dem Präsidium eine Frist?

Kreische: Was heißt Frist? Die Termine sind doch längst verstrichen. Wir sind ganz fair an die Sache rangegangen, um keine Unruhe zu stiften, aber wir wollen jetzt eine Klärung bis zum Saisonstart.

Könnte es einen Kompromiss geben und wie müsste der aussehen?

Riedel:Was heißt Kompromiss? Ich würde ihm einen einfachen Rat geben, nämlich dass er von sich aus sagt, er legt sein Amt als Ehrenspielführer nieder, nimmt sein Bild und geht damit nach Cottbus. Ich glaube nicht, dass er das macht. Man muss doch auch noch eines sagen: Welche Verdienste hat er denn als Spieler? Die sind verschwindend gering im Vergleich zu anderen wie zum Beispiel Gert Heidler.

Kreische: Der hat im Europapokal 16 Tore erzielt, ist Olympiasieger. Solchen verdienstvollen Spielern gegenüber ist es doch eine Unverschämtheit. Und wenn ich höre, Geyer ist als Trainer Meister geworden, weiß ich nicht, wieso dann Kurt Kresse nicht ernannt worden ist. Er hat die Grundlage geschaffen für unsere Erfolge, weil er den Laden nach dem Abstieg 1968 zusammengehalten hat. Oder Walter Fritzsch … Nein, rein sportlich gesehen hat Geyer null Berechtigung, Ehrenspielführer zu sein. Ich will nicht vom Bayern-Spiel anfangen, aber: Da sitzt ein Sammer draußen, ein erfahrener Spieler, ein Querkopf. Und Genosse Geyer spielt, weil er wahrscheinlich den Klassenkampf besser angenommen hat. Das ist alles Blödsinn gewesen. Dadurch haben wir international nicht das erreicht, was wir hätten erreichen können.

Gibt es noch eine Chance auf Aussöhnung mit Eduard Geyer?

Riedel: Ich kann nur für mich sprechen. Der Frust sitzt einfach zu tief, da muss man einen Schlussstrich ziehen.

Kreische: Diese Chance hat es gegeben, nach der Wende reinen Tisch zu machen, aber er hat sie nicht wahrgenommen.