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„Elefantenpfleger sind schwierige Typen“

Der Revierleiter Ronny Moche setzt eine neue Philosophie der Haltung durch. In deren Mittelpunkt: das Tier.

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© Sven Ellger

Von Henry Berndt

Ein bisschen ist das wie bei dem alten Otto-Witz: „Mein Hund gehorcht mir aufs Wort. Wenn ich ihn rufe: Kommst du her oder nicht? Dann kommt er her oder nicht. Und zwar sofort.“ Auch die Elefanten im Dresdner Zoo dürfen auch mal „Nein“ sagen. Dann gibt es eben mal einen Tag keine Fußpflege – dafür aber auch kein Leckerli. Revierleiter Ronny Moche hat sein Team auf den sogenannten „geschützten Kontakt“ getrimmt. Seitdem bewegt sich keiner der Pfleger mehr in direkter Nähe der drei grauen Damen. Gefüttert und gepflegt wird nur noch durch dicke Gitterstäbe. Die martialischen Elefantenhaken wurden durch Bambusstäbe mit aufgesteckten Tennisbällen ersetzt.

„Vorher war die Haltung auf Dominanz und Zwang ausgerichtet“, sagt Moche. „Der Mensch war das Alphatier. Jetzt können unsere Elefanten auch ihre eigenen Charaktere ausleben.“ Für Moche war diese grundlegende Umstellung längst überfällig – unabhängig vom Angriff des Jungbullen Thabo-Umasai auf eine Pflegerin im Jahr 2010, der auch ihn nie ganz losgelassen hat. Seit 18 Jahren pflegt der 38-Jährige die Dresdner Elefanten, nachdem er hier Ende der 90er-Jahren seine Ausbildung abschloss. Er kennt also auch noch die Elefantenhaken-Zeiten gut. Vor drei Jahren übernahm er die Revierleitung und setzte seine Philosophie durch – auch gegen Widerstände. Jetzt wird hier durch Belobigung erzogen. Wer mitmacht, bekommt Brot, einen Apfel oder eine dieser gewaltigen Möhren aus der Futterküche, groß wie Zuckertüten. „Die Elefanten haben nur eine Woche gebraucht, um sich umzustellen.“

Damit diese Idee im Zooalltag praktisch umzusetzen ist, hat Moche beim Umbau des Afrikahauses auf jedes Detail geachtet. Aus Zoos in ganz Europas schaute er sich die besten Dinge ab und saß dann in Dresden fünf Jahre lang jede Woche in der Bausitzung. Seine Sonderwünsche mögen nochmal eine Million Euro mehr gekostet haben, doch das Ergebnis ist es wert, findet er. Nicht ohne Stolz zeigt Moche nun die breiten Gänge in der Innenanlage, die hydraulisch bewegbaren Tore, die Fußbodenheizung und die allein 100 Quadratmeter große Mutter-Kind-Box.

Den neugestalteten Außenbereich können die Elefanten nun auch nachts ganz nach Belieben nutzen. Sie schlafen auf aufgeschütteten Sandhügeln. Ihre Stoßzähne können sich ohne Metallringe natürlich entwickeln. Auch die Personaldecke ist fast Luxus: Von vier Pflegern im Team sind immer zwei da.

Selbst radikale Tierschützer müssen zugeben: Für die Dresdner Elefanten ist vieles besser geworden. Jetzt brauchen sie nur noch eine „Lebensaufgabe“, wie Moche es nennt. Jungtiere sollen aus den drei Kühen Mogli, Sawu und Drumbo eine soziale Gemeinschaft machen. Er hofft, dass noch in diesem Jahr ein „Hochzeitsbulle“ zeitweise nach Dresden kommt und idealerweise dreimal für Nachwuchs sorgt.

Wie die Herde sich dann weiterentwickeln wird, das weiß auch Roche nicht. Mit keinem Menschen verbringt er so viel Zeit wie mit seinen Tieren, umsorgt sie von früh bis Feierabend. Zu Hause lebt er allein. „Elefantenpfleger sind schwierige Typen“, sagt er. So viel antrainierte Dominanz halte kaum ein Partner aus. Seine Freizeit nutzt Moche, um sich beim Radfahren, Schwimmen und im Fitnessstudio fitzuhalten. Auch, um nicht eines Tages feststellen zu müssen, der körperlich schweren Arbeit mit den Vier-Tonnen-Kalibern nicht mehr gewachsen zu sein.

So sehr er seine drei Elefantenkühe schätzt und achtet, so sehr weiß er auch, dass menschliche Emotionen wie Liebe hier fehl am Platz sind. Wenn die Zeit gekommen sei und Mogli, Sawu und Drumbo an einem anderen Ort besser aufgehoben wären, „dann werde ich den Teufel tun, das zu verhindern.“ Es gehe hier nicht um ihn und den Wunsch, die Tiere bis an ihr Lebensende zu pflegen. „Ich bin bloß hier, um sie zu betreuen.“ Und das möglichst gut. Einige Dinge, die in vergangenen Jahrzehnten in der Elefantenhaltung geschehen sind, reflektiert er heute kritisch. Mogli, Sawu und Drumbo wurden alle in Afrika gefangen. „Da ist vieles nicht gut gelaufen, aber ich spiele dieses Spiel heute mit.“ Ronny Moche will seinen Teil dazu beitragen, dass auch Elefanten in Gefangenschaft künftig der Respekt entgegengebracht wird, den sie verdienen.