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Einkaufsliste für die Läufer

Rosinenbrot, Gel, Bananen – Christina Hasselmeyer weiß, was beim Dresden-Marathon gebraucht und verbraucht wird.

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© Ronald Bonß

Von Michaela Widder und Jochen Mayer

Vom neuen Sieger beim Dresden-Marathon erfährt sie erst Stunden später. Wie schon in den vergangenen 17 Jahren. Obwohl sich Christina Hasselmeyer Monate vorher mit diesem Sonntag beschäftigt, vom Rennen selbst bekommt sie so gut wie nichts mit. „Das ist kein Problem, der Job macht mir einfach Spaß“, meint sie.

Wenn das Hauptfeld vorbeiströmt, dann müssen die Verpflegungsstellen schnell aufgefüllt werden.
Wenn das Hauptfeld vorbeiströmt, dann müssen die Verpflegungsstellen schnell aufgefüllt werden. © Ronald Bonß
Wasser brauchen alle. Für immer ausreichend volle Becher ist Logistik und Teamwork gefragt.
Wasser brauchen alle. Für immer ausreichend volle Becher ist Logistik und Teamwork gefragt. © Ronald Bonß

Hasselmeyer, 71 Jahre alt, ist wieder die Versorgungschefin für die 6 832 gemeldeten Läufer. „An der Verpflegung machen die Teilnehmer doch zuerst fest, ob es eine gute Veranstaltung ist.“ Ist der Tee zu heiß? Geht die Cola etwa in der zweiten Runde aus? Gibt es genug Riegel und Bananen? Die Ernährung, vor allem für die Marathonläufer, ist ein großes Thema.

Die Profis, wie Sieger Edwin Kosgei, brauchen nur regelmäßig ein paar Schlucke Wasser, um in 2:11:09 Stunden durchzukommen. Doch die meisten Läufer sind mindestens doppelt so lange unterwegs. Weil in Dresden für die 42,195 Kilometer zwei Runden zurückgelegt werden, muss alles gut geplant sein – damit auch Langsamere noch ausreichend versorgt werden.

Die komplette Planung dafür liegt in den Händen von Christine Hasselmeyer. Ihr ehrenamtlicher Job beginnt schon kurz nach dem Rennen, wenn sie Inventur im Lager auf der Hamburger Straße macht. Die pensionierte Lehrerin hatte nie ein Faible für Büroarbeit, für den Marathon-Verein aber führt sie akribisch Listen, hat Einsatzpläne entwickelt.

200 Helfer gehören zu ihrem Team an der Strecke. Außerdem arbeiten rund um das Marathon-Wochenende noch sieben Leute im Lager. „Ich kann nicht mehr so schwer tragen“, sagt sie fast entschuldigend. Doch ihr Enthusiasmus ist noch immer derselbe wie am Anfang.

„Sie ist beim Marathon die wichtigste Frau an meiner Seite“, sagt Marathonchef Peter Eckstein und gerät fast ins Schwärmen: „Christine ist absolut zuverlässig, gewissenhaft, sie muss sich nicht tausendmal rückversichern, wird nie ungeduldig und kann auch junge Leute begeistern.“ Eben die gute Seele, meint er.

Wenn Christine Hasselmeyer die große Einkaufsliste verschickt, müssen die Männer nur noch losfahren. 1 260 Kilo Bananen, 1 000 Energieriegel, 1 000 Gel – und 185 Kilo Rosinenbrot. „Das süße Brot kommt gut an“, meint sie. Auf die Wünsche der Läufer versucht sie jedes Jahr einzugehen. Seit 2013 werden beispielsweise kleine Papiertütchen mit zwei Gramm Salz in der zweite Runde verteilt, um die Marathonläufer mit Elektrolyten zu versorgen. Äpfel, rund 1 000 Kilo, gibt es nur im Ziel. „Die harten Dinger kann man nicht auf der Strecke verteilen“, findet Hasselmeyer. Wie auch Melone, „die matscht unterwegs zu sehr“. All das sind Erfahrungen, die sie über die vielen Jahre gesammelt und notiert hat.

Als Läuferin war sie selbst eine Spätstarterin. Vor 20 Jahren, also im Startjahr des Dresden-Marathons, ging sie jeden Abend eine Sechs-Kilometer-Runde, zwischendurch rannte die damals 50-Jährige mal ein paar Meter. „Wer sechs Kilometer laufen kann, der kann auch zehn“, sprach sie eines Abends mal ein Mann an. Was sie nicht wusste, es war Dietmar Hörnig, einer der Gründungsmitglieder des Dresden-Marathons. Er war es auch, der sie für die Premiere am 24. Oktober 1999 überredete.

„Das war mein erster Wettkampf, ich war Feuer und Flamme – und aufgeregt.“ Vor dem Start hatte sie ihre warmen Sachen in einem Rucksack an einem Baum in der Ostra-Allee gelegt. Von einer Gepäckabgabe hatte sie nichts gewusst. Die Klamotten fand sie wieder. 56 Minuten brauchte Christine Hasselmeyer für die 10 km, die Platz zwei in der Altersklasse bedeuteten. Ein Jahr später stand sie wieder in der Startlinie, bei der dritten Auflage lief sie sogar ihren ersten Halbmarathon. Danach wechselte die Übungsleiterin einer Gymnastikgruppe in die Organisation.

Am Sonntag hatte die Verpflegungs-Chefin einen freien Moment, um den Marathonstart zu verfolgen. Als die Massen an ihr vorbeiliefen, blickte sie in viele Gesichter und wusste: „Die werden jetzt gut versorgt. Wir haben alles dafür getan, sind gute Gastgeber, und das Wetter spielt auch mit. Das sorgt für gute Gefühle.“

Als der Besenwagen mit den Schlussläufern seine letzte Runde zog, klapperte Christine Hasselmeyer dahinter schon ihre Verpflegungsstände ab, wurde eingesammelt, was übrig blieb. Alles Langlebige wandert ins Depot, alles Verderbliche bekommt die Dresdner Tafel. Für Christine Hasselmeyer war das Marathonende der Neuanfang der nächsten Auflage 2019.