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Dynamo und die Tradition

Wie soll ein Verein mit seiner Geschichte umgehen und wer ist dabei aller Ehren wert – ein Diskussionsbeitrag.

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© SZ/Marion Gröning

Von Sven Geisler

Das sollte eigentlich eine nette Geschichte über die guten alten Zeiten werden, eine Geschichte über die Besten von einst und die Frage, wer denn infrage kommen könnte als Ehrenspielführer von Dynamo Dresden. Nachdem Klaus Sammer, Hans-Jürgen Kreische und Dieter Riedel am Freitagnachmittag erklärt haben, auf diesen Titel zu verzichten, könnte sie erscheinen wie die Suche nach den passenden Nachfolgern. Das war und ist jedoch nicht beabsichtigt. Diese drei Persönlichkeiten, die sich auch nach ihrer Karriere als Spieler wichtige Verdienste um den Verein erworben haben, gehören in diese Reihe, ihren Platz kann kein anderer einnehmen.

Maik Wagefeld: Dynamo von 1993 bis 2004; Januar bis Juni 2006 Das Talent aus dem eigenen Nachwuchs ist in den dunklen Jahren ein Lichtblick. Er spielt sich schnell in eine Führungsrolle und trägt mit zehn Toren entscheidend zum Aufstieg in die zweite Liga
Maik Wagefeld: Dynamo von 1993 bis 2004; Januar bis Juni 2006 Das Talent aus dem eigenen Nachwuchs ist in den dunklen Jahren ein Lichtblick. Er spielt sich schnell in eine Führungsrolle und trägt mit zehn Toren entscheidend zum Aufstieg in die zweite Liga © Robert Michael
Gert Heidler: Dynamo von 1968 bis 1982 Hat die Europapokal-Geschichte der SGD maßgeblich mitgeprägt, 56 der 98Spiele bestritten, 16Tore erzielt. Nur Hans-Jürgen Kreische hat international öfter für die Dresdner getroffen. 1976 mit der DDR Olympiasieger.
Gert Heidler: Dynamo von 1968 bis 1982 Hat die Europapokal-Geschichte der SGD maßgeblich mitgeprägt, 56 der 98Spiele bestritten, 16Tore erzielt. Nur Hans-Jürgen Kreische hat international öfter für die Dresdner getroffen. 1976 mit der DDR Olympiasieger. © Frank Kruczynski

Galerie der Dynamo-Legenden

Torsten Gütschow Dynamo bis 1993, 1996-99 Dreimal Torschützenkönig in der DDR-Oberliga, insgesamt mehr als 180 Treffer für Dynamo. Nach der Rückkehr sorgte er aber auch für andere Schlagzeilen.
Torsten Gütschow Dynamo bis 1993, 1996-99 Dreimal Torschützenkönig in der DDR-Oberliga, insgesamt mehr als 180 Treffer für Dynamo. Nach der Rückkehr sorgte er aber auch für andere Schlagzeilen.
Dieter Legler Dynamo von 1955 bis 1965 Einer der Helden in der Aufbauzeit: Der Stürmer erzielte sechs Tore in einer Partie, insgesamt war er in 140 Punktspielen 85-mal erfolgreich. Er starb 2003.
Dieter Legler Dynamo von 1955 bis 1965 Einer der Helden in der Aufbauzeit: Der Stürmer erzielte sechs Tore in einer Partie, insgesamt war er in 140 Punktspielen 85-mal erfolgreich. Er starb 2003.
Cristian Fiel Dynamo von 2010 bis 2015 Kam in der Absicht, nach einer Saison weiterzuziehen, blieb jedoch fünf Jahre, stieg mit Dynamo auf und beendete als Publikumsliebling in Dresden seine Karriere.
Cristian Fiel Dynamo von 2010 bis 2015 Kam in der Absicht, nach einer Saison weiterzuziehen, blieb jedoch fünf Jahre, stieg mit Dynamo auf und beendete als Publikumsliebling in Dresden seine Karriere.
Frank Ganzera Dynamo von 1959 bis 1976 Führte die Schwarz-Gelben als Kapitän in die Duelle gegen die Bayern. Danach bekam er ein Angebot aus München und lehnte ab. Ist Ehrenratsmitglied.
Frank Ganzera Dynamo von 1959 bis 1976 Führte die Schwarz-Gelben als Kapitän in die Duelle gegen die Bayern. Danach bekam er ein Angebot aus München und lehnte ab. Ist Ehrenratsmitglied.
Michael Hefele Dynamo von 2014 bis 2016 In seiner ersten Saison fast gescheitert und aussortiert, war er dann als Kapitän, Wortführer und Abwehrchef maßgeblich an der Rückkehr in die zweite Liga beteiligt.
Michael Hefele Dynamo von 2014 bis 2016 In seiner ersten Saison fast gescheitert und aussortiert, war er dann als Kapitän, Wortführer und Abwehrchef maßgeblich an der Rückkehr in die zweite Liga beteiligt.
Steffen Heidrich Dynamo von 2001 bis 2005 Das Gesicht der Wiederauferstehung aus den Niederungen des Fußballs. Führte die Mannschaft von der viertklassigen Oberliga bis in die 2. Bundesliga.
Steffen Heidrich Dynamo von 2001 bis 2005 Das Gesicht der Wiederauferstehung aus den Niederungen des Fußballs. Führte die Mannschaft von der viertklassigen Oberliga bis in die 2. Bundesliga.
Bernd Jakubowski Dynamo von 1976 bis 1986 Mit ihm hätte es das Drama von Uerdingen wohl nie gegeben. Als der Torwart zur Pause verletzt raus musste, lag Dynamo klar vorn. Er starb im Juli 2007.
Bernd Jakubowski Dynamo von 1976 bis 1986 Mit ihm hätte es das Drama von Uerdingen wohl nie gegeben. Als der Torwart zur Pause verletzt raus musste, lag Dynamo klar vorn. Er starb im Juli 2007.
Robert Koch Dynamo von 2009 bis 2014 Legte eine der steilsten Karrieren überhaupt hin – vom belächelten Stürmer der Oberliga-Reserve zum Aufstiegshelden, Torjäger und Kapitän der Zweitliga-Mannschaft.
Robert Koch Dynamo von 2009 bis 2014 Legte eine der steilsten Karrieren überhaupt hin – vom belächelten Stürmer der Oberliga-Reserve zum Aufstiegshelden, Torjäger und Kapitän der Zweitliga-Mannschaft.
Peter Kotte Dynamo von 1973 bis 1981 Kam von Stahl Riesa und fügte sich bei Dynamo mit drei Toren gegen seinen Heimatverein gut ein. 1981 aus politischen Gründen ausgeschlossen, rehabilitiert.
Peter Kotte Dynamo von 1973 bis 1981 Kam von Stahl Riesa und fügte sich bei Dynamo mit drei Toren gegen seinen Heimatverein gut ein. 1981 aus politischen Gründen ausgeschlossen, rehabilitiert.
Matthias Maucksch Dynamo von 1976 bis 1995 Bestritt 118 Spiele in der Bundesliga für Dynamo – das könnte ein Rekord für die Ewigkeit sein. Als Trainer ebnete er den Weg zum Aufstieg in die zweite Liga 2011.
Matthias Maucksch Dynamo von 1976 bis 1995 Bestritt 118 Spiele in der Bundesliga für Dynamo – das könnte ein Rekord für die Ewigkeit sein. Als Trainer ebnete er den Weg zum Aufstieg in die zweite Liga 2011.
Thomas Neubert Dynamo von 2001 bis 2006 Der Begriff Fußballgott wurde für ihn erfunden, zumindest in Dresden. Die Fans vergötterten ihren Neubi, der den Durchmarsch bis in Liga zwei mitgeprägt hat.
Thomas Neubert Dynamo von 2001 bis 2006 Der Begriff Fußballgott wurde für ihn erfunden, zumindest in Dresden. Die Fans vergötterten ihren Neubi, der den Durchmarsch bis in Liga zwei mitgeprägt hat.
Volker Oppitz Dynamo von 1984 bis 2010 Mit einem Jahr Unterbrechung (bei Landesligist Heidenau) unglaubliche 25 Jahre im Verein. Als Innenverteidiger und kluger Kopf die Entdeckung beim Neubeginn 2001.
Volker Oppitz Dynamo von 1984 bis 2010 Mit einem Jahr Unterbrechung (bei Landesligist Heidenau) unglaubliche 25 Jahre im Verein. Als Innenverteidiger und kluger Kopf die Entdeckung beim Neubeginn 2001.
Hans-Uwe Pilz Dynamo von 1982 bis 1995 Wurde in einer Nacht- und Nebelaktion aus Zwickau geholt und erfüllte fußballerisch die hohen Dresdner Ansprüche. In Bundesliga-Zeiten unverzichtbar.
Hans-Uwe Pilz Dynamo von 1982 bis 1995 Wurde in einer Nacht- und Nebelaktion aus Zwickau geholt und erfüllte fußballerisch die hohen Dresdner Ansprüche. In Bundesliga-Zeiten unverzichtbar.
Matthias Sammer Dynamo von 1972 bis 1990 Der Sohn des Trainers hatte es nicht etwa leichter als andere, sondern überzeugte mit seinen Leistungen. Obwohl er 1990 den Verein verließ, bleibt er ihm verbunden.
Matthias Sammer Dynamo von 1972 bis 1990 Der Sohn des Trainers hatte es nicht etwa leichter als andere, sondern überzeugte mit seinen Leistungen. Obwohl er 1990 den Verein verließ, bleibt er ihm verbunden.
Jörg Stübner Dynamo von 1983 bis 1992 Der Junge mit dem Popperscheitel wird zum Publikumsliebling, begeistert die Fans mit seinem Kampfgeist. Nach der Wende findet er sich nicht zurecht.
Jörg Stübner Dynamo von 1983 bis 1992 Der Junge mit dem Popperscheitel wird zum Publikumsliebling, begeistert die Fans mit seinem Kampfgeist. Nach der Wende findet er sich nicht zurecht.
Andreas Trautmann Dynamo von 1977 bis 1991 In Dynamos meisterlicher Saison 1988/89 ist der Verteidiger der „Fußballer des Jahres“, was er sich auch mit herausragenden Spielen im Europacup verdient hatte.
Andreas Trautmann Dynamo von 1977 bis 1991 In Dynamos meisterlicher Saison 1988/89 ist der Verteidiger der „Fußballer des Jahres“, was er sich auch mit herausragenden Spielen im Europacup verdient hatte.
Siegmar Wätzlich Dynamo von 1967 bis 1976 Gehörte wie Kreische zu der DDR-Auswahl, die bei der WM 1974 mit 1:0 gegen die BRD gewann. Karriereende nach drei Meistertiteln mit 28 Jahren wegen Verletzung.
Siegmar Wätzlich Dynamo von 1967 bis 1976 Gehörte wie Kreische zu der DDR-Auswahl, die bei der WM 1974 mit 1:0 gegen die BRD gewann. Karriereende nach drei Meistertiteln mit 28 Jahren wegen Verletzung.
Gerd Weber Dynamo von 1970 bis 1981 Galt als eines der größten Talente im DDR-Fußball, wurde 1976 Olympiasieger. 1981 von der Stasi verhaftet und zu zwei Jahren und drei Monaten Haft verurteilt.
Gerd Weber Dynamo von 1970 bis 1981 Galt als eines der größten Talente im DDR-Fußball, wurde 1976 Olympiasieger. 1981 von der Stasi verhaftet und zu zwei Jahren und drei Monaten Haft verurteilt.

Trotzdem sind diese Vorschläge ernst gemeint, denn es geht um mehr als einen Streit unter einigen Ehemaligen, es geht um die Tradition. Die Vergangenheit zählte nach 1990 nichts mehr im Verein, erst seit den 2000er-Jahren erinnert man sich bei Dynamo wieder an jene, die mit ihren Erfolgen die Tradition begründet haben. Wenn der Eklat um die Ehrenspielführer eine Debatte darüber anstößt, wem eine solche Ehre zuteilwerden sollte und wie der Verein mit seiner Stasi-Verstrickung umgeht, wäre das ein positiver Effekt.

Verdient hätten eine solche Auszeichnung viele, wir nennen einige Kandidaten – ohne Anspruch auf Vollständigkeit. Eine wichtige Frage dabei ist: Wo fängt man an, wo hört man auf? Zu spät mit dem Einstieg in den Europapokal 1968? Und zu früh mit Ulf Kirsten, der im April als bisher letzter Ehrenspielführer ernannt worden ist? Wie wertvoll waren jene, die in schwierigen Zeiten danach in der Bundesliga um den Klassenerhalt gekämpft oder nach dem Absturz in die Viertklassigkeit den Wiederaufstieg geschafft haben? Wie gewichtet man Erfolg, misst er sich allein an Titeln? Oder ergibt er sich aus den Umständen der Zeit, in der er errungen wurde?

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