Merken

Dresdnerin auf UN-Mission

Wie Umweltprobleme der Welt gelöst werden können, wird im WTC erforscht – unter weiblicher Führung.

Teilen
Folgen
© Sven Ellger

Von Jana Mundus

Zwischen dem alten und dem neuen Arbeitsplatz liegen nur knapp vier Kilometer. Doch für Edeltraud Günther ist es eine Reise um die Welt. Von der TU Dresden zu den Vereinten Nationen. Aktuell ist sie Professorin für Betriebswirtschaftslehre an der TU Dresden. Ab Anfang September zieht sie in ihr neues Büro im Dresdner World Trade Center (WTC). Dort ist das Dresdner Institut (Unu-Flores) der Universität der Vereinten Nationen zu Hause. Sie wird dessen neue Direktorin.

Der Blick über Dresden ist perfekt. „Toll“, sagt Edeltraud Günther. An der Fensterfront des Arbeitszimmers in der 13. Etage des WTC steht eine kleine Sitzgruppe, der Schreibtisch ein paar Meter weiter ist noch leer. Bis zum Herbst 2017 saß dort noch Reza Ardakanian, heute ist er Energieminister des Irans. Der Wasserwirtschaftsingenieur hatte das Institut 2012 mitgegründet. Seitdem werden dort Strategien zur umweltschonenden Nutzung von Wasser und Böden erforscht, wird ergründet, wie mit Abfällen umgegangen werden kann. Wasser, Böden, Abfälle – dass sie damit beruflich mal etwas zu tun haben wird, hätte Edeltraud Günther vor knapp 30 Jahren wohl nicht gedacht. Doch in ihrem Leben lief es oft so. „Ich wusste immer, was ich wollte. Aber wenn sich andere Wege ergeben haben, bin ich sie gegangen.“

Aufgewachsen ist sie in Augsburg. Lehrerin will sie eigentlich werden, für Wirtschaft und Französisch. Frankreich ist schließlich ihr Traumland, in den Ferien verbringt sie viel Zeit dort. Doch als sie mit der Schule fertig ist, sind viele Lehrer arbeitslos. Also doch keine Option. Sie studiert Wirtschaft und Sprachen in Genf. „Als 1986 die Reaktorkatastrophe in Tschernobyl passierte, war ich entsetzt, dass das in meinem Studium gar keine Rolle spielte.“ Dabei hätten Themen wie Emissionen und Umweltrisiken doch mit der Wirtschaft zu tun. Sie macht die Problematik zum Thema ihrer Promotion und beschäftigt sich mit der Frage, wie die Führenden großer und mittelständischer Unternehmen Umweltschutz in ihre Arbeit integrieren. Bis heute ist die betriebliche Umweltökonomie ihr Schwerpunkt geblieben.

Seit 1993 ist ihr Mann an der TU Dresden angestellt, ist dort Professor für betriebliches Rechnungswesen und Controlling. Seine Frau hat Anfang der 1990er-Jahre eine Professur an der Fachhochschule in Merseburg inne. Sie pendelt. Als an der Fakultät Wirtschaftswissenschaften der TU Dresden 1996 eine weitere Professur besetzt werden soll, ist sich das Ehepaar einig: Gemeinsam an einer Fakultät, das geht nicht. „Aber dann waren es Kollegen meines Mannes, die sich wunderten, warum ich mich nicht bewerbe.“ Also reicht sie ihre Unterlagen ein und stellt sich vor – schwanger. „Dass ich trotzdem genommen wurde, begeistert mich noch heute.“ Zwei erwachsene Kinder hat das Paar heute.

Mit dem Dresdner UN-Institut hat sie in den vergangenen Jahren schon zusammengearbeitet. Auch weil sie vor zwei Jahren das neue Kompetenzzentrum für Nachhaltigkeitsbewertung und -politik der TU mitgründete. Als der Direktorenposten bei Unu-Flores neu zu besetzen ist, zögert sie nur kurz. Mit 52 Jahren etwas Neues wagen? Sie macht es wie immer in ihrem Leben: Sie geht den Weg, der sich ihr bietet.

Am 1. September beginnt die neue Aufgabe offiziell. Schon jetzt ist sie bei Terminen im WTC dabei, lernt die Kollegen kennen, die aus 14 Nationen stammen. Gewählt ist sie für vier Jahre, eine Verlängerung ist möglich. Die Professur an der TU Dresden pausiert bis dahin. Was sie sich vorgenommen hat? Die Partnerschaft zur TU Dresden weiter auszubauen und das Institut auch international immer mehr zu vernetzen. „Hier ist in den vergangenen Jahren schon gute Arbeit geleistet worden.“ Die gesammelten Daten will sie sich nun auch noch einmal mit ihrer sozialwissenschaftlichen Perspektive anschauen. Die Ergebnisse also in die Welt der Wirtschaft und Politik tragen. Gerade das ist wichtig. Die Welt ist komplex. Doch das Dresdner Institut kann einen Beitrag dazu leisten, einige ihrer Probleme anzugehen.