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Dorfhain macht Schuldnern Abwasserrohre dicht

Wer seine Gebühren nicht zahlt, muss mit ernsten Folgen rechnen. Am Montag bekamen das drei Anwohner zu spüren.

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© Brühl

Von Verena Schulenburg

Dorfhain. Die weißen Gardinen sind zugezogen, einzelne Rollläden herabgelassen. Von den Bewohnern ist nichts zu sehen. In der Einfahrt des Einfamilienhauses parkt am Montagmorgen nicht das Auto der Familie, die hier üblicherweise wohnt, sondern das Fahrzeug der Dorfhainer Gemeindeverwaltung. Sie sind angekündigt, werden von den Bewohnern wohl aber nicht erwartet. „Es geht los“, sagt Rathaus-Mitarbeiterin Heike Linné zu ihren Kollegen und guckt dabei wenig erfreut. Das Abflussrohr zum Einfamilienhaus muss verschlossen werden. Noch nie hatten die Angestellten so einen Auftrag.

Die Familie, die in dem beschaulichen Wohngebiet in Dorfhain ihren Traum vom Eigenheim verwirklichte, hat ihre Abwasserrechnungen nicht bezahlt – über Jahre hinweg. Rund 6 000 Euro Schulden haben sich angesammelt. Jeden Monat wurden es mehr. Persönliche Gespräche, Angebote für Ratenzahlungen, zwei Mahnungen und eine letzte Fristsetzung – nichts half. „Wir haben alles versucht“, resümiert Heike Linné und zuckt mit den Schultern. Nun will die Gemeinde nicht länger die Dreckbrühe der Abwasserschuldner gratis entsorgen. Mitarbeiter der Gemeindeverwaltung schraubten deshalb in den Morgenstunden den Gullydeckel auf dem Grundstück der Familie ab und setzten eine Druckblase in das Abflussrohr. Diese schmiegt sich unter Luftdruck derart an das Rohr, dass es absolut dicht ist. Hier fließt nichts mehr durch.

Und nun? Vom Händewaschen, die Klospülung betätigen, geschweige denn die Waschmaschine anzuschalten, dürfte den Hausbewohnern abzuraten sein. Wenn nichts abfließen kann, bleibt eben alles im Haus. Die einzige Lösung: „Sie müssen bezahlen“, sagt Heike Linné. Sobald Geld fließt, könne binnen Stunden auch das Abwasser wieder fließen. Eine scheinbar radikale Maßnahme, die völlig legitim ist. Die Gesetzgebung ermöglicht das schon länger. Im Dezember 2016 machte die Dorfhainer Rathausspitze ernst und änderte ihre Satzung für die Entsorgung des Schmutzwassers. Sie wurde zum Jahreswechsel 2017 rechtskräftig. Seitdem kann die Rathausspitze als einzige Kommune im Landkreis Sächsische Schweiz-Osterzgebirge all denjenigen das Rohr verschließen, die ihre Gebühren nicht bezahlen. Dorfhain hat nichts zu verschenken. Versorgungsunternehmen von Strom oder Wasser stellen bei Zahlungsausfall ihrer Kunden ebenfalls die Versorgung ein. Außerdem geht es um Gerechtigkeit. „Es ist doch den Bürgern gegenüber unfair, die jeden Monat ihre Gebühren bezahlen“, erklärt Linné. Glücklicherweise sei von den rund 570 Haushalten in Dorfhain der Großteil in dieser Hinsicht zuverlässig.

Die neuen Möglichkeiten, die sich der Rathausspitze mit der Satzungsänderung ergeben, haben auch schon zum Erfolg geführt. Einige sündige Anwohner zeigten im Jahresverlauf Reue und zahlten ihre Schulden, entweder komplett oder in Raten. „Wir sind keine Unmenschen, mit uns kann man schließlich auch reden“, sagt Linné. Wer sich allerdings gar nicht rührt, dem könne auch nicht geholfen werden. Legitim sei es sogar, den säumigen Anwohnern den Bagger vor die Tür zu schicken. Die Rathausspitze hat sich mit der Druckblase im Rohr nicht nur für eine schnellere Variante entschieden, sondern auch für eine kostengünstigere im Sinne der Schuldner. Während den Schuldnern für die Druckblase 150 Euro pro Woche in Rechnung gestellt werden, kostet ein Baggeraushub zur Verschließung des Abwasserrohres mehrere Tausend Euro. Während der Bagger dauerhaft den Anschluss kappen kann, sei die Druckblase selbst nur ein kurzfristiges Hilfsmittel. „Es muss regelmäßig geprüft werden, ob sie richtig sitzt“, erklärt Heike Linné.

Mit ein bisschen Glück dürfte dieser Zeitraum überschaubar sein. Die säumigen Eigenheimbesitzer in Dorfhain haben nach dem Eingriff an ihrem Abflussrohr noch am selben Tag angekündigt, ihre Schulden so schnell wie möglich zu begleichen. „Der Ernstfall bewegt“, sagt Linné. Ähnlich erging es den Mitarbeitern auch bei zwei weiteren Schuldnern, deren Abfluss ebenfalls am Montag gekappt werden sollte. Drei Stunden nachdem die Druckblase bei einem Dorfhainer gesetzt wurde, sei Geld an die Gemeinde geflossen, stolze 16 000 Euro. Eine dritte Blase musste an diesem Tag gar nicht erst im Untergrund verschwinden. Die säumige Dame bat den Abwasserabstell-Trupp vor ihrem Haus darum, zu warten. Sie fuhr zur Bank und kam mit dem geschuldeten Geld zurück.