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Die Retter der Leberwurst

Ein junger Meister übernimmt die Fleischerei Dünnebier in Bad Schandau. Die Geschichte einer geglückten Nachfolge.

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© Dirk Zschiedrich

Von Dirk Schulze

Bad Schandau. So was wollen die jungen Leute doch heute nicht mehr machen, heißt es allenthalben. Ob Bäcker, Fleischer, Klempner oder Zimmerer – das Handwerk klagt über Nachwuchsmangel. Die Arbeit ist hart, der Verdienst oft geringer als in der Industrie. Nicht zuletzt hat die Kundschaft ihren Anteil daran, die ihr Essen lieber im Supermarkt am Ortsausgang kauft und den Rest im Internet bestellt. Immer mehr inhabergeführte Geschäfte auf dem Land müssen deshalb schließen, einen Nachfolger zu finden ist oft unmöglich.

In Bad Schandau ist das jetzt geglückt – obwohl es auch hier lange Zeit nicht danach aussah. Gut anderthalb Jahre lang hat Fleischermeister Reinhard Dünnebier nach einem gesucht, der seine Fleischerei an der Marktstraße übernimmt. „Das ist ein arbeitsintensives Handwerk. Du musst bereit sein, Stunden zu schrubben“, sagt der 66-Jährige, der längst in Rente sein könnte. An die 30 Kollegen schrieb er an, ob sie in dem Ladenlokal im Zentrum von Bad Schandau nicht eine Filiale eröffnen wollen. Keine Antwort. Zu einem Dutzend Kollegen ist er sogar persönlich hingefahren. „Alle haben mit dem Kopf geschüttelt“, sagt Meister Dünnebier. Die Konkurrenz auf der grünen Wiese, die Personalfrage – das wollte sich keiner mehr antun.

Die Wende passierte dann im März in der Einkehr „Zum alten Hansjörg“ am Lilienstein. Auf Rast bei einer Familienwanderung hörte dort Bastian Pohlingk von der Suche des Branchenkollegen. Der 33-jährige Fleischer stammt aus dem Oberland und lebt mittlerweile mit seiner Partnerin in Heeselicht. „Es war schon immer mein Traum, mich selbstständig zu machen“, sagt er. Seinen Meistertitel hat er schon seit zehn Jahren in der Tasche, die Lehre bei einer Sohlander Privatfleischerei schloss er zuvor als einer der jahrgangsbesten Gesellen ab. Es folgten Stationen bei den großen regionalen Fleischereibetrieben Dürrröhrsdorfer und Korch. Dass das Fleischerhandwerk seine Sache ist, stand für ihn schon nach dem ersten Praktikum in Jugendjahren fest.

Beim ersten Treffen mit Altmeister Dünnebier stimmte die Chemie zwischen den beiden sofort – ein nicht zu unterschätzender Faktor bei einer Geschäftsübergabe. Das Praktische haben die beiden dann rekordverdächtig in einem guten halben Jahr über die Bühne gebracht. Fachliche Unterstützung kam von der Handwerkskammer, die Finanzierung übernahm die Sparkasse.

Im Hinterhof der alten Fleischerei wurde zuletzt viel gebaut. Der neue Inhaber Bastian Pohlingk hat die Produktionsräume, ein Trockenlager und zwei Kühlzellen komplett erneuern lassen. Gemeinsam haben der alte und der junge Meister hier in den vergangenen Tagen schon reichlich Wurst und Knacker gemacht, damit die Theke zur Neueröffnung gut gefüllt ist. Produziert wird frisch und vor Ort. Die angelieferten Schweinehälften und Rinderviertel stammen aus der Region, das Wild aus den umliegenden Wäldern des Nationalparks.

Die Rezepte gibt Altmeister Dünnebier an seinen Nachfolger weiter, allen voran die Formel der bei den Kunden besonders beliebten Leberwurst, die auch in umliegenden Bäckereien verkauft und an eingeschworene Fans bis nach Hamburg verschickt wird. Auch das Mittagsangebot und der Partyservice bleiben bestehen, Köchin Sindy Petters wird übernommen. Mit einigen frischen Spezialitäten setzt der neue Fleischermeister seine eigenen Akzente im Sortiment, darunter eine Käse-Lyoner und eine scharfe Paprika-Lyoner. Ab Montag darf verkostet werden.