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Die letzte Reise

Der Wünschewagen geht erstmals von Neustadt aus auf Reisen. Der Fahrgast: eine Frau, die vor ihrem Tod noch mal das Meer sehen will.

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© ASB Neustadt

Von Nancy Riegel

Neustadt. Noch einmal an die Ostsee. Ein Wunsch, den wohl viele Deutsche haben. Für eine Frau aus Neustadt ist dies aber ein ganz besonderer Wunsch: Es ist ihr letzter. Das Ende ihres Lebens naht. Für Menschen wie sie hat der Arbeiter-Samariter-Bund (ASB) einen Wünschewagen eingerichtet. Mit diesem ging es zum ersten Mal von Neustadt aus auf Reisen.

Eine emotionale Erfahrung für alle Beteiligten. Neben der Neustädterin machten sich eine Begleitung sowie zwei ehrenamtliche Helfer auf den Weg in den Norden. Das Ziel: Graal-Müritz, 475 Kilometer von Neustadt entfernt. Die Idee zu dieser dreitägigen Ausfahrt hatte die Tochter der schwer kranken Frau. Ihre Mutter war das letzte Mal als Jugendliche an der Ostsee, da war sie vielleicht 16 oder 17 Jahre. Nun, am Ende ihres Lebens, wollte sie noch einmal das Meer und den Sand sehen.

In einem Reisetagebuch haben die Begleiter ihre Eindrücke festgehalten.

Mit Begeisterung und Freude ging es rasch über den Strand zum Meer. Beim Sammeln von Muscheln und Steinen vergaß unser Fahrgast alles um sich herum. Voller Euphorie genossen wir die Sonnenstrahlen im Gesicht und ließen uns die Meeresbrise um die Nase wehen.

Solch eine Reise muss genau geplant sein. Der Fahrgast verbringt die gesamte Fahrt im Wünschewagen, der üblicherweise in Leipzig stationiert ist und bei Bedarf sachsenweit im Einsatz ist. Es handelt sich um einen umgebauten Krankentransporter mit spezieller Federung, angenehmer Beleuchtung und Musik und weiteren Kleinigkeiten für größtmöglichen Komfort. Außerdem ist er mit dem nötigen medizinischen Equipment ausgestattet, damit den Fahrgästen im Notfall geholfen werden kann. Bei der Fahrt von Neustadt an die Ostsee kam dieses glücklicherweise nicht zum Einsatz. Für den Fahrgast wurde ein Schlafplatz in einem Pflegeheim in Graal-Müritz reserviert. Von dort aus ging es ins nahe gelegene Ostseebad Warnemünde.

Mit unserem Fahrgast, wegen der Anstrengungen des Strandspaziergangs warm im Rollstuhl eingepackt, bummelten wir gemütlich an Schiffen, Fischbuden und Souvenirläden vorbei. Mit ihren liebenswerten Späßen brachte sie alle zum Lachen.

Alle, die im ASB-Ortsverband Neustadt beim Projekt Wünschewagen mithelfen, tun dies ehrenamtlich, betont Geschäftsführer Alexander Penther. Außerdem helfen Spender, die Fahrten zu finanzieren, sodass die Ausflüge ganz nach den Wünschen der Kranken gestaltet werden können. Für sie und ihre Familien ist es die Möglichkeit, kleine oder große letzte Wünsche ohne finanzielle Sorgen erfüllt zu bekommen.

Am Tag der Abreise ging es für alle etwas eher aus den Federn, da der Fahrgast noch die Seebrücke von Graal-Müritz besuchen wollte. Schweren Herzens, aber mit vielen schönen erlebten Momenten im Gepäck, trat der Wünschewagen die Heimreise an.