Merken

Die Apotheke zum Pflücken

Zum Tag der Stadtnatur widmeten sich Hunderte der heimischen Flora und Fauna.

Teilen
Folgen
© Sven Ellger

Von Henry Berndt

Von wegen nur Gras. Auf den Elbwiesen gibt es mehr Vitamine zu holen als in der Gemüseabteilung im Supermarkt. Und die richtige Medizin für Magen, Haut und Gelenke wächst gleich daneben. Das sind einige der Erkenntnisse, die am Samstagvormittag die Teilnehmer der Kräuterwanderung „Apotheke vor der Haustür“ mit heimnehmen konnten, die zum Tag der Stadtnatur angeboten wurde.

Die grünen Themen stießen auf deutlich mehr Interesse als in den Vorjahren. Zur Kräuterführung auf den Elbwiesen fanden sich fast 30 Interessenten an der Gleisschleife an der Messe ein und trotzten der brennenden Sonne. Der Naturschutzbund Deutschland (Nabu) hatte für die Führung Katrin Bräuer, Chefin der Ginkgo- und der Äskulap-Apotheke in Dresden, als Expertin gewinnen können. Sie brachte ihre Mitarbeiterin Eike Mehnert mit, die sie liebevoll als „Kräuterweiblein“ vorstellte.

Entlang eines kleinen Trampelpfades ging es zunächst hinüber zur Pieschener Allee, in der in vier Reihen teils jahrhundertealte Linden stehen. Nicht zufällig wurden gerade diese Bäume früher besonders verehrt, lernt man. Ihre Blüten helfen auch heute noch bei Erkältungen, taugen aber auch als Badezusatz und sogar als Deo. Im Schatten der Linden wachsen Taubnesseln, die entgegen landläufiger Meinung nicht mit der Brennnessel verwandt sind. Allerdings sind beide gleichermaßen vielseitig einsetzbar. Während die Taubnessel bei Husten und Menstruationsbeschwerden helfe, sei die Brennnessel ein wahres Wundermittel bei allen entzündlichen Erkrankungen im Körper. Und mehr als das: „Wenn ich auf einer einsamen Insel wäre und nur eine Pflanze mitnehmen dürfte, dann würde ich die Brennnessel nehmen“, sagt Katrin Bräuer. Ob als Tee, Suppe oder Medizin – dieses Gewächs kann viel mehr als nur wehtun.

Interessiert verfolgten die Naturfreunde die Tipps. Einige schrieben sogar fleißig mit. Neben älteren Damen, die auch selbst immer wieder Erinnerungen von den Wiesen ihrer Kindheit einbringen konnten, liefen auffällig viele junge Leute mit. Hunde, Fahrräder und Kinderwagen waren dabei, als die Kräuterrunde an der Elbe entlang ihren Lauf nahm.

Schellkraut, so hieß es weiter, hilft gegen Warzen und regt die Leber an, Wiesenlabkraut kommt in den Smoothie und Weidenrinde hilft gegen Zahnschmerzen. Nur weil die meisten heute lieber eine Aspirin-Tablette schlucken, statt auf Rinde herumzukauen, heißt das nicht, dass die Medizin aus der Natur ihre Wirkung verloren hätte.

Einige Meter machen sich auf der Elbwiese allerdings Gewächse breit, die hier nicht hingehören. Der eingewanderte Japanische Staudenknöterich ist ein Problem für die heimische Flora, sagt Eike Mehnert. Bis zu 30 Zentimeter wächst er pro Tag und entwickelt dabei ein unterirdisches Wurzelsystem, das nur mit Glyphosat bekämpft werden könne. „Auf den Elbwiesen ist das natürlich keine Option“, sagt Linda Reinhard vom Nabu. Und so macht der Knöterich vorerst, was er will.

Kräutersammler sollten das dagegen nicht tun, sondern einige Regeln beachten, wie Katrin Bräuer betont: Nur so viel pflücken, wie man braucht, nicht gerade in der Nähe von künstlich gedüngten Feldern und am besten gleich früh an trockenen Tagen. Vor allem aber gilt: In den Mund kommt nur das, was man auch eindeutig erkennt. Wer Bärlauch nicht von Maiglöckchen unterscheiden könne, der sollte die Pflänzchen im Zweifel lieber stehenlassen.

Neben der Kräuterwanderung wurden am Wochenende in Dresden zum langen Tag der Stadtnatur auch Dutzende andere kostenlose Rundgänge und Workshops angeboten. Auf die Beine gestellt wurde das Programm vom Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND). An der einen Ecke ging es um Fledermäuse und an der nächsten um den Artenreichtum auf dem Friedhof. Auch eine Einführung ins Sensen gehörten dazu. Gegen den Staudenknöterich würde aber selbst das nichts bringen.