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Der Respekt bleibt

Extrembergsteigerin Ines Papert schwärmt vom Dresdner Bergsichten-Festival, den Sachsen und ihrem Publikum.

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© Paul McSorley

Von Jochen Mayer und Gabriele Fleischer

Ines Papert kommt nach Hause. So fühlt es sich für die vierfache Eiskletter-Weltmeisterin an, wenn sie am Donnerstag und Freitag beim Dresdner Bergsichten-Filmfestival auftritt. Die 43-Jährige kennt das besondere Publikum dort und schwärmt: „Das ist für mich Heimat, fast noch mehr als die Orte meiner Kindheit und Jugend.“ Ihre Wurzeln liegen in der DDR. Sie wurde in Wittenberg geboren, wuchs in Bad Düben auf, zog als 19-Jährige nach Berchtesgaden. Da gab es eine Stelle nach der Physiotherapie-Ausbildung und massenhaft Klettergipfel vor der Haustür. Das ist ihre Welt.

Davon bietet Ines Papert einen Rundum-Einblick bei den Bergsichten. Sie weiß, für wen ihr Auftritt ist und schwärmt von den Sachsen, die sie vom Klettern kennt, „die wissen, worum es geht“. Zu denen hat sie einen Draht, die sprechen ihre Sprache, selbst wenn ihr Sächsisch verblasst ist. Das nun schon 14. Berg und Outdoor Filmfestival hält sie für ein „liebevoll organisiertes Angebot von Bergsteigern für Bergsteiger, bei dem auch alle auf ihre Kosten kommen, die in der Natur aktiv sind. Was wir da draußen machen, das verbindet uns.“

Diese besondere Stimmung führt sie auf gelebte Kletter-Traditionen zurück. „Diesem Publikum muss ich nicht erklären, was Freiklettern ist“, sagt sie in einem Telefonat mit der Sächsischen Zeitung. Wenn sie im großen Hörsaal vorn steht, wird ihr Herz wieder schneller schlagen, weil es bei ihren Vorträgen selten solch einen enormen Publikumsandrang gibt. Sie fühlt sich geehrt von diesem Zuspruch. Aufgeregt ist sie vor den Auftritten, spürt aber keine Angst. Die kann sie auch beim Klettern ausblenden, um sich auf den nächsten Schritt konzentrieren zu können.

Schlüsselerlebnis in der Wand

Und doch durchlebte sie schon brenzlige Situationen auf der Suche nach dem Machbaren, der Grenzerfahrung. Wie auf der Tour im vergangenen Jahr in Patagonien. Als sie mit ihrer neuseeländischen Kletterpartnerin Mayan Smith-Gobat die legendäre Route „Riders on the Storm“ an der 1 300 Meter hohen Ostwand des Torre Central frei klettern wollte, gab es für sie ein Schlüsselerlebnis: „Beim Biwakieren in der Felswand hatten wir mitten in der Nacht schweren Steinschlag. Ein riesiger Brocken hat unser Zelt zerstört und uns knapp verfehlt. Da spürte ich große Angst.“ Vergessen war die Gefahr, als die beiden Frauen den Gipfel des Torre Central erreicht hatten und die Route tatsächlich größtenteils frei geklettert waren. Aber der Respekt vor der Natur bleibt.

Es war die Route ihrer großen Vorbilder. 1993 waren dort Bernd Arnold, Wolfgang Güllich und Kurt Albert unterwegs. „Wir haben in den Biwaknächten ständig über sie geredet und uns überlegt, wie es möglich war, mit weitaus geringeren Mitteln als wir sie hatten diese Wand zu durchsteigen. Die Jungs waren ihrer Zeit so weit voraus und haben Großartiges geleistet“, sagt sie voller Respekt.

Auf „Riders on the Storm“ hatte sich Ines Papert zwei Jahre vorbereitet mit vielen anderen Kletter-Projekten – Eis-, Mix- und Risskletterei, schwierigen Alpinrouten, die sie herausgefordert haben in Kanada, in der Schweiz, in China. Davon berichtet sie auch beim Bergsichten-Auftritt.

Sie weiß, wie wichtig ein funktionierendes Team ist. Deshalb kletterte sie „zum Kennenlernen“ mit Mayan Smith-Gobat eine neue Route am Mount Waddington in Kanadas Coast Mountains und wusste danach, dass sie zusammen in Patagonien eine Chance haben. „Der Reiz besteht darin, sich auszureizen, sich nicht abschrecken zu lassen von Ängsten und Zweifeln“, erzählt die Extrembergsteigerin. Deshalb will sie sich immer selbst ein Bild vor Ort machen, wenn sie auf sich gestellt ist.

Die Tour nach Kanada hatte noch einen besonderen Reiz. Mit ihrem damals 16-jährigen Sohn Emanuel machte sie einen Abstecher in die Rocky Mountains. „Ich wollte ihm meine Welt der Berge zeigen“, erzählt Ines Papert. „Es sollte eine kleine Einführung in das Alpinklettern sein mit Zeltleben, Schnee schmelzen, die Wand suchen. Es war eine besondere Zeit. Auch davon erzähle ich in Dresden.“

Das richtige Gleichgewicht finden

Sie weiß, dass viele Eltern Bedenken hätten vor solchen Aktionen. „Aber am Ende sind uns die Kinder endlos dankbar, dass sie ihre virtuelle Welt vor dem Bildschirm verlassen dürfen“, vermutet Ines Papert. Natürlich sei es schwierig, das richtige Gleichgewicht zu finden. „Aber mein Sohn muss auch die Gefahren kennenlernen. Diese einzuschätzen braucht es viel Erfahrung. Das lernt man nicht in Kletterhallen.“

Neben Erfahrung gehörten genauso Scheitern und Geduld zum Bergsteigen – und Neugier. Und so reizt es Ines Papert auch noch, einen 8 000er zu besteigen. Die Wahl-Bayerin würde dieses Abenteuer aber nie auf einer ausgetretenen Normalroute angehen. „Ich bin eine begeisterte Kletterin, liebe die technische Herausforderung, aber auch die Einsamkeit auf schwierigen Wegen.“ Diese Woche hofft sie jedoch erst mal auf Kletterwetter zwischen ihren beiden Auftritten in Dresden. Sie würde am Freitag zu gerne in der Sächsischen Schweiz noch klettern gehen.

Ines Papert „Zwischen Sturm und Stille in den einsamen Wänden der Erde“, Do. (20 Uhr/Zusatztermin, noch Karten erhältlich), Fr. (19.30 Uhr/Festivaleröffnung Dresdner Bergsichten, ausverkauft), TU-Hörsaalgebäude.