Merken

Der Koch mit dem eigenen Kopf

Aus Ärger über Bürokratie boykottierte Dirk Unger den Dippoldiswalder Markt. Das wurde zum Politikum.

Teilen
Folgen
© Egbert Kamprath

Von Franz Herz

Dippoldiswalde/Kreischa. Dirk Unger legt in seiner Gulaschkanone zwei Holzscheite nach. Soljanka und Kesselgulasch sollen zur Mittagszeit ja schön heiß sein, wenn die Kunden kommen. Seit bald zehn Jahren steht er jeden Mittwoch auf dem Dippser Wochenmarkt in der Ecke vor der Apotheke – fast jeden Mittwoch. Denn Anfang vergangenen Jahres gab es eine Pause, die hohe Wellen geschlagen hat. Unger hat sich an einer Festlegung der Stadtverwaltung gestört, dass ab Januar 2017 die Wochenmarkthändler ihre Fahrzeuge nicht mehr neben dem Stand stehenlassen durften. Das stand schon jahrelang so in der Dippser Marktordnung, hatte aber nie jemanden interessiert. Irgendjemand in der Stadtverwaltung hatte dann gemerkt, dass die Buchstaben der Verordnung und das Leben auf dem Markt nicht zusammenpassen. Wie entschied das Rathaus? Das Leben muss sich an die Buchstaben anpassen.

So etwas geht Unger gegen seine Natur. Denn er ist aus Überzeugung selbstständig. „Ich will mein Ding machen. Regeln sind in Ordnung, wenn sie nachvollziehbar sind, aber nicht, bloß weil ein Chef es so meint“, sagt er. So hat er sich vor Jahren entschieden, sein eigener Herr zu werden. Doch das lief anders, als er sich gedacht hatte.

Der Kreischaer ist gelernter Heizungsbauer und war in dieser Branche als Außendienstler unterwegs. Damals hatte er ins Auge gefasst, sich als Imker auf eigene Beine zu stellen, und hat damit begonnen. In Spitzenzeiten besaß er 70 Bienenvölker. Aber er hatte noch ein zweites wirtschaftliches Standbein gesucht. Da kam seine Frau auf die Idee: „Mach doch eine Gulaschkanone“. Heute ist das sein Hauptberuf.

„Das gefiel mir. Ich war ohnehin Hobbykoch, und als Außendienstler hatte ich das oft vermisst: handwerklich gutes Essen ohne Geschmacksverstärker, wie es die Mutter früher gekocht hat“, erinnert er sich. So hat er sich eine Feldküche der tschechischen Armee besorgt und ist an zwei Standplätze gegangen, auf den Markt in Dippoldiswalde und auf den Alaunplatz in der Dresdner Neustadt. In Dipps stand er zuerst direkt vor dem Rathaus, wo die meisten Leute vorbeikommen, die von der Herrengasse auf den Markt gehen. Dort war er fest etabliert – bis eben die Regelung mit den Fahrzeugen kam, die Unger nicht einleuchtete. Auch andere Markthändler waren mit dieser Vorschrift nicht einverstanden, aber Unger zog den klaren Schnitt und kam nicht mehr auf den Dippser Markt. Nicht zuletzt nach seinem Rückzug aus Dipps schlugen in der Stadt die Wellen hoch. Bürger empörten sich in der Ratssitzung, der Oberbürgermeister wurde angesprochen, bis er schließlich nachgegeben hat. Nach drei Monaten hat Jens Peter dem Rat vorgeschlagen, die Marktordnung zu ändern, was der auch so beschlossen hat.

Dirk Unger, der sich in der Zwischenzeit noch einen zweiten Tag auf den Alaunplatz gestellt hatte, hörte das und kehrte nach Dippoldiswalde zurück. Er ist auch dem Bürgermeister nicht böse. „Der hat das Thema ernst genommen, ist über seinen Schatten gesprungen und hat das korrigiert. Das muss man anerkennen, wenn so etwas in unserer Gesellschaft funktioniert“, sagt Unger. Peter ist auch später zu ihm an die Gulaschkanone gekommen. So ist Unger mit der Dippser Stadtverwaltung wieder im Reinen.

Mit seinen Kunden in der Stadt ist er das sowieso. Er duzt jeden, den jungen Kerl genauso wie die weißhaarige Dame. So ist das bei ihm. Dafür bietet er auch nicht nur einen Imbiss an. Im Winter stellt er ein Zelt mit Heizung auf, wenn es ganz kalt wird. Jeder Kunde bekommt einen Zettel mit, auf dem steht, was es nächste Woche gibt. Und wenn er einmal nicht kommen kann, weil beispielsweise der Weihnachtsmarkt aufgebaut wird, warnt er seine Stammkunden auch schon vor.

Und die kommen nicht nur aus der Nähe. Monika Lojack aus Reichstädt beispielsweise holt schon seit Jahren jeden Mittwoch ihr Essen an der Gulaschkanone. „Ich richte mir das immer so ein, dass ich meine Besorgungen erledige und eben auch hier mein Mittagessen mitnehme“, erzählt sie. Ähnlich hält es Marika Kadenbach aus Hennersdorf. „Da muss ich an dem Tag schon einmal nicht selber kochen“, sagt sie. Das hat Dirk Unger schon für sie erledigt. „Mein Geschäftsprinzip ist ja, dass ich in kurzer Zeit viele Kunden bedienen kann. Das braucht Vorbereitung.“ An Tagen, wenn er auf den Markt geht, fängt er um 5  Uhr an zu kochen. Gegen 8 Uhr fährt er los, ab 9 Uhr baut er auf, und dann geht es über die Mittagszeit rund. Wenn er am Nachmittag wieder zurückgefahren ist, warten noch Abrechnung und das Putzen auf ihn. Das ist dann ein Zwölfstundentag.