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„Der extremste Schandfleck“

Zig Häuser an der B 182 in Strehla verfallen. Bei einem ist jetzt die öffentliche Hand eingeschritten. Das reicht Stadträten aber nicht.

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© Eric Weser

Von Eric Weser

Strehla. Die Warnbaken hatten lange auf dem Gehweg gestanden: Über Monate hinweg mussten Fußgänger die Straßenseite wechseln, wenn sie an der Hauptstraße 49 in Strehla vorbeiwollten. Gerade an dieser Stelle keine Freude, denn die B 182 ist hier kurvig, außerdem mündet die Bahnhofstraße ein. Ende Mai tat sich dann endlich etwas: Eine Dachdeckerfirma rückte an und nahm Reparaturen vor. Die Warnbaken kamen weg. Seither ist der Fußweg vorm Haus wieder benutzbar.

Einst war das Gebäude ein Ladenlokal, davor auch Gasthof („Zum Deutschen Haus“)
Einst war das Gebäude ein Ladenlokal, davor auch Gasthof („Zum Deutschen Haus“) © Verlag Brück & Sohn

Die Stadtpolitik ist mit dem Zustand dennoch unzufrieden. „Das Gebäude ist der extremste Schandfleck an der ganzen Straße“, sagt Stadtrat Detlev Goldbach (CDU). Wenigstens die wuchernden Pflanzen vorm Eingang sollten beseitigt werden. In der Pflicht sieht der Strehlaer das Land Sachsen. Dem gehöre das Haus schließlich.

Gebäude gehört einer Firma

Tatsächlich war es das Land, das die Dachsicherung beauftragt hatte. Das bestätigt der Staatsbetrieb Zentrales Flächenmanagement Sachsen (ZFM), eine dem Landesfinanzministerium nachgeordnete Behörde. „Es handelte sich um eine Gefahrenabwehrmaßnahme. Sie war notwendig, weil sich von dem Gebäude auf der Immobilie Dachziegel gelöst haben und in den öffentlichen Verkehrsraum abzustürzen drohten“, so ZFM-Vizechef Dieter W. Ruf. Rund 4 000 Euro habe die Maßnahme gekostet.

Dass der Freistaat überhaupt mit dem Gebäude zu tun hat, liegt Ruf zufolge an einem Erbfall. Demnach war und ist eine GmbH Eigentümerin des Gebäudes samt dem 430-Quadratmeter-Grundstück. Einziger Gesellschafter der GmbH sei ein im Mai 2016 gestorbener Mann gewesen. Dieser wohnte SZ-Recherchen zufolge zuletzt in Salbitz und war Jahrgang 1942.

Da alle Erben die Erbschaft ausgeschlagen hätten, sei der Freistaat gerichtlich als Erbe festgestellt worden, erklärt ZFM-Vizechef Ruf. Jährlich erbe das Land im Schnitt 300 Immobilien. Im Fall der Strehlaer Hauptstraße 49 sei das Land Sachsen aber nicht unmittelbar zum Eigentümer geworden. Dem Freistaat komme die mittelbare Funktion als Immobilieneigentümer zu, da das Land den Verstorbenen als Inhaber der GmbH beerbt habe.

Was mit der Immobilie passiert, scheint offen. Die Landesbehörde verweist auf ein Insolvenzverfahren gegen den Verstorbenen, das beim Amtsgericht Leipzig läuft. Der im Juli gerichtlich eingesetzte Insolvenzverwalter habe demnach die Verantwortung über den Nachlass des Mannes – und damit auch über die GmbH und über die Strehlaer Immobilie. Doch der Insolvenzverwalter, ein auf Insolvenzrecht spezialisierter Anwalt mit Sitz in Leipzig, widerspricht. Er sei als Insolvenzverwalter für den Nachlass des Verstorbenen bestellt, nicht für die GmbH.

Klingt nach keinem guten Omen für die Zukunft des Gebäudes, das „sowohl baugeschichtlich als auch ortsgeschichtlich von Bedeutung“ ist. So steht es in den amtlichen Informationen über die Strehlaer Baudenkmale. Demnach ist der Bau während des 18. Jahrhunderts errichtet worden. Äußerlich anzusehen ist dem Bau seine Bedeutung kaum: Zur Bundesstraße hin bröckelt der Putz so massiv, dass ein blaues Hydrantenschild oder die Verkabelung der Straßenlaterne kaum mehr Halt finden. Der hintere Teil des Grundstücks ist komplett mit wildem Wein überwuchert.

Im Stadtrat ist die Immobilie zuletzt immer wieder Thema. Der „Scherbelladen“, wie manche Räte sie Haus wegen einer Vergangenheit als Kunstwarenhandel nennen, gilt als Paradebeispiel für negative Entwicklungen im unteren Teil der Hauptstraße. In diesem Teil der Stadt stehen besonders viele straßenbegleitende Gebäude leer und verfallen – auch wenn es vereinzelt Gegenbeispiele gibt, in denen Leerstände wiederbelebt werden. Reimar Kalkhof (CDU) drängt darauf, dass das Strehlaer Rathaus mit den Eigentümern verlassener Grundstücke spricht, um die Bereitschaft zum Verkauf herauszubekommen. Das tue man, versicherte Stadtchef Jörg Jeromin (FWG). Ergebnisse sollen den städtischen Gremien auch präsentiert werden. Jeromin dämpfte allerdings zu große Erwartungen, dass die Stadt viel erreichen könne. „Aber wir bleiben dran.“