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Das Geheimnis vom Kuckucksstein

Sind einige Steinformationen aus der Oberlausitz frühzeitliche Kalender? Ralf Herold ist fest davon überzeugt.

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© Steffen Unger

Von Jana Ulbrich

Oberlausitz. Ralf Herold ist am Donnerstag früh sehr zeitig aufgestanden. Er will es mit eigenen Augen sehen! Am 21. Juni ist Sommersonnenwende – der längste Tag des Jahres.

Ralf Herold ist hinauf zur Sternwarte in Sohland an der Spree gekommen. Hier oben steht seit ein paar Tagen ein Steingebilde aus Lausitzer Granit. Es ist die originalgetreue Nachbildung eines sagenumwobenen Felsens, des Kuckuckssteins aus den Königshainer Bergen. Herold und seine Mitstreiter von der Sohlander Fachgruppe Archäoastronomie haben die rätselhafte Steinformation hier oben im Maßstab 1:2 nachentstehen lassen. Auf dass sie ihr Geheimnis künftig auch den Besuchern der Sternwarte lüften kann.

Am eindrucksvollsten ging das jetzt an diesem frühen Sommeranfangsmorgen: Es ist 4.47 Uhr, als die Sonne am Horizont überm Bieleboh erscheint. Der Himmel ist zwar ein bisschen wolkenverhangen. Aber Ralf Herold kann dennoch sehr gut sehen, was er sehen will: Die Sonne schiebt sich über die Bergkette, steht jetzt genau im Blickfeld zwischen der großen, alten Linde auf der linken und der alten Eiche auf der rechten Seite – und scheint in diesem Moment durch die Sichtöffnung im Auge des Modell-Kuckuckssteins.

Ralf Herold lächelt. Es funktioniert. Für rund zehn Minuten etwa scheint die Sonne jetzt durch das kleine Sichtfenster. Nur in den Tagen um die Sommersonnenwende ist das so. In einer Sichtöffnung auf der anderen Seite der Felsformation passiert das Gleiche zur Wintersonnenwende. Ralf Herold ist davon überzeugt, dass der Kuckucksstein ein prähistorischer Kalender ist, eine Art Stonehenge der Oberlausitz.

Reichlich 30 derartige Objekte haben die Archäoastronomie-Enthusiasten inzwischen in der ganzen Oberlausitz entdeckt – Felsengebilde, die seit Tausenden von Jahren die Sommer- und Wintersonnenwenden oder die Tagundnachtgleichen zum Frühlings- und Herbstanfang anzeigen und auf diese Weise unsere Ur-Ur-Ahnen durch die Jahreszeiten wiesen. Auch der Kälberstein bei Sohland und der Teufelsstein bei Plieskowitz gehören zu diesen „Sonnenheiligtümern“, wie Herold und seine Mitstreiter die Felsgebilde nennen.

Wissenschaftlich belegt werden kann diese Annahme allerdings nicht. „Wir haben keine Nachweise, dass diese Steine tatsächlich von Menschen in dieser Absicht aufgetürmt wurden“, sagt Cornelia Rupp vom Sächsischen Landesamt für Archäologie. Es gebe weder Schriftquellen noch archäologische Zeugnisse, die dafür echte Beweise liefern würden, erklärt sie. „Das heißt aber nicht, dass wir das grundsätzlich anzweifeln“, fügt die Archäologin hinzu. „Es lässt sich eben nur nicht beweisen.“

Für Ralf Herold sind die Beobachtungen Beweis genug. „Wir haben nur eine Hypothese, aber wir können ja sehen, dass sie funktioniert – Jahr für Jahr wieder“, sagt der 57-Jährige. Am Funktionsmodell auf dem Sternwartengelände wollen die Vereinsmitglieder das künftig auch den Besuchern demonstrieren. Wie es die Menschen in der Frühzeit allerdings geschafft haben, die Steine mit ihren Sichtöffnungen derart passgerecht übereinanderzustapeln, das ist auch für Ralf Herold noch ein ungelöstes Rätsel.

Aber mag die Archäoastronomie auch umstritten sein, Potenzial haben die geheimnisvollen Steinformationen allemal. Die Arbeitsgruppe um Ralf Herold hat schon vor zwei Jahren ein Konzept entwickelt, wie sie für den Tourismus in der Region werben könnte:

Der kleine Kuckucksstein an der Sternwarte soll künftig der Startpunkt für eine neue Rad- und Wanderroute sein, die auf insgesamt 20 Kilometern zu zwölf solcher Oberlausitzer „Sonnenheiligtümer“ führt. In Sohland haben die Vereinsmitglieder damit offene Türen eingerannt. „Selbstverständlich unterstützen wir so ein Projekt“, sagt Bürgermeister Hagen Israel (parteilos). Die Gemeinde hat dem Verein geholfen, Fördermittel für den Aufbau des Modellfelsens und die notwendigen Informationstafeln zu bekommen. Ein Wanderweg zu den Sonnenheiligtümern, sagt der Bürgermeister, das sei ja auch eine gut passende Ergänzung zum Sonnenuhren-Weg durch das berühmte Sonnenuhren-Dorf Sohland-Taubenheim.

Die Sternwarte in Sohland/Spree (Schluckenauer Straße 8a) lädt am Sonnabend zum „Astronomischen Sommerfest“ ein. 15.30 Uhr wird das Kuckucksstein-Modell feierlich enthüllt. Es gibt eine GPS-Schatzsuche und am Abend Live-Schaltungen zu Archäoastronomen in Niederösterreich, der Oberpfalz und sogar nach Arabien.