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Bio-Pilze aus Leckwitz

Dresdner Unternehmer wollen in der ehemaligen Lehrgärtnerei Shiitake und andere Pilze züchten. Das ist erst der Anfang.

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© Sebastian Schultz

Von Stefan Lehmann

Nünchritz. Als Karl Kretschmer und Jens-Uwe Sauer die Tür öffnen, weht ihnen ein warmer Luftzug entgegen. Während draußen Minusgrade herrschen, sind die Temperaturen drinnen eher frühlingshaft. Die Luft ist feucht. Optimale Bedingungen für das, was hier in wenigen Wochen geerntet werden soll, erklärt Karl Kretschmer und tritt an einen der Baumstämme heran, die sich in der Halle stapeln. Auf dem Eichenholz zeichnen sich rötlich-braune Flecken ab. „Hier sieht man, wo das Holz mit dem Myzel infiziert worden ist.“ Höchstens drei Wochen wird es noch dauern, dann wachsen in der Halle am Ortsrand von Leckwitz die ersten Shiitake-Pilze.

Rund vier Hektar Außenfläche gehören zum Permagold-Gelände am Rande des Nünchritzer Ortsteils Leckwitz. Später soll einmal alles bewirtschaftet sein.
Rund vier Hektar Außenfläche gehören zum Permagold-Gelände am Rande des Nünchritzer Ortsteils Leckwitz. Später soll einmal alles bewirtschaftet sein. © Permagold
Bis zu 40000 Kilogramm Shiitake-Pilze – hier ein Exemplar aus einer ähnlichen Pilzzucht – könnten irgendwann geerntet werden.
Bis zu 40000 Kilogramm Shiitake-Pilze – hier ein Exemplar aus einer ähnlichen Pilzzucht – könnten irgendwann geerntet werden. © Arvid Müller
Von den Heidelbeersträuchern im Außenbereich sind aktuell nur dürre Zweige zu sehen. Die Pflanzen sollen auf dem sauren Boden besonders gut gedeihen.
Von den Heidelbeersträuchern im Außenbereich sind aktuell nur dürre Zweige zu sehen. Die Pflanzen sollen auf dem sauren Boden besonders gut gedeihen. © Sebastian Schultz

Kein Dünger, kein Unkraut-Ex

Kretschmer und Sauer sitzen im Vorstand von Permagold. Die junge Dresdner Genossenschaft hat einiges vor auf dem Gelände der früheren Kolping-Lehrgärtnerei, die Shiitake-Pilze und verschiedenen Seitlings-Sorten in der Halle sind erst der Anfang. Heidelbeeren, Kräuter, Gemüse – über kurz oder lang will Permagold auf der vier Hektar großen Außenfläche rund 50 Pflanzensorten anbauen. Deren Vorteil sei natürlich, dass sie schnell wachsen, man also zügig sein erstes Produkt ernten und an Großhändler und Restaurants verkaufen kann, sagen Sauer und Kretschmer. Das Besondere dabei ist die angewandte Methode.

Die steckt bereits im Namen: Die Pflanzen sollen nach dem Prinzip der sogenannten Permakultur angebaut werden. Das bedeutet, vereinfacht gesagt, auf die Natur zu setzen und beispielsweise Pflanzen so miteinander zu kombinieren, dass keine Zusatzstoffe wie künstlicher Dünger, Insekten- oder Unkrautvernichtungsmittel notwendig werden. So werde etwa Lavendel eingesetzt, um Schädlinge von den Pilzen fernzuhalten. Auf einer Fläche im Außengelände sind bereits Heidelbeersträucher angepflanzt worden. „Dort war mal der Lehrbereich für Nadelbäume“, erklärt Karl Kretschmer. Unter diesen Bäumen sei der Boden normalerweise extrem sauer. Was viele andere Pflanzen stört, sei für die Heidelbeere die optimale Grundlage. Nicht umsonst wachse in manchen Nadelwäldern nichts anderes mehr.

Nach diesem Prinzip lässt sich im Grunde endlos fortfahren. Der Dünger kommt von Rindern und Schafen, die am Rand des Geländes grasen. Das mag manchen Tierschützer ärgern. „Aber ganz ohne tierische Hilfe geht es nicht“, betont Karl Kretschmer. „Schließlich müssen dem Boden ja irgendwie auch wieder Nährstoffe zugeführt werden.“ Das Ergebnis dieser Permakultur sei dann ein Produkt, das nicht nur strengsten Bio-Siegel-Vorschriften genügt, sondern auch um Längen besser schmecken und nahrhafter sein soll als Lebensmittel aus konventioneller Landwirtschaft, so die beiden Vorstände. Außerdem werde der Boden und das Trinkwasser geschont.

Was Sauer und Kretschmer erzählen, klingt gut. Aber kann das funktionieren? Träumer jedenfalls wollen sie nicht sein. Auch sie wissen, dass sich das Projekt am Ende irgendwann rechnen muss. „Bisher wird Permakultur überwiegend als Hobby betrieben, das ist alles sehr idealistisch“, sagt Jens-Uwe Sauer, der einst die Plattform Seedmatch gegründet hat, auf der Unternehmensgründer um Investoren werben können. Sauer glaubt Permagold auf dem richtigen Weg. Immerhin gebe es schon Projekte, die den Dresdnern recht geben. Etwa das Unternehmen Lehmann, das mittlerweile die Supermarktkette Real mit Gemüse aus Permakultur-Anbau beliefert. Aufgrund der hohen Nachfrage nach Bioprodukten scheint es zumindest nicht ganz abwegig, dass auch die Dresdner in Leckwitz wirtschaftlich arbeiten können.

Das Startkapital jedenfalls stammt von einem Genossenschaftsmitglied, sagen sie. Sobald genügend Mitglieder eingetreten sind, soll die Genossenschaft das Land von ihm abkaufen, so der Plan. Die erste Zielmarke liegt bei etwa 580 000 Euro. Seit Herbst 2017 sind knapp 94 000 Euro zusammengekommen, mittlerweile zählt die Genossenschaft 151 Mitglieder. Bei der Gründung im Sommer waren es noch um die 30. Die finanzielle Hürde zum Mitmachen ist gering. „Ab einem Betrag von 50 Euro ist man dabei“, erklärt Jens-Uwe Sauer. Im Gegenzug sollen Genossenschaftsmitglieder die produzierten Lebensmittel günstiger einkaufen können, Stimmrecht bei der Jahresversammlung erhalten und außerdem eine Verzinsung von drei Prozent auf ihre Einlage bekommen.

Nächster Schritt: Bio-Wasser

Die Permakutur in Leckwitz soll auch nur eines der Projekte bleiben, mit denen Permagold auf den Markt drängen möchte. Ein weiteres ist Bio-Wasser, das im Erzgebirge aus einer Quelle abgefüllt und verkauft werden soll. Auch nach weiteren Anbauflächen für Permakultur sucht die Genossenschaft. Allerdings nicht in Deutschland, wo die Flächen weitgehend aufgeteilt seien. Möglicherweise könnte in Zukunft eine Kooperation mit Bauern in Moldawien starten. Noch sei das allerdings Zukunftsmusik, sagen die beiden Vorstände.

Zunächst gilt alle Aufmerksamkeit den Pilzen. An einem Stamm sollen bis zu zwei Kilogramm Shiitake wachsen, rechnet Karl Kretschmer vor. Allein in der ersten der beiden Hallen in Leckwitz könnten so jährlich bis zu 20 000 Kilogramm der asiatischen Delikatesse geerntet werden. „Später wollen wir die Kapazitäten verdoppeln und auch die zweite Halle nutzen.“

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