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Sachsens Technologiegründer auf der Suche nach Wagniskapital in Dresden

Zum 6. Mal treffen Europas beste Startups auf potentielle Geldgeber. Die Hightech Venture Days haben sich zu einem der wichtigsten Investorenkongresse entwickelt.

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© Monika Skolimowska / dpa

Von Nora Miethke

Die Hollandtomate schmeckt nicht, das stellen Supermarktkunden immer wieder fest. „Warum nicht, weil zu wenig UV-Licht durch das Gewächshausglas dringt“, sagt Christoph Schubert. Der 39 Jährige will das ändern. Gemeinsam mit zwei weiteren Gründern hat er 2010 die Firma Compled Solutions GmbH in Dresden gegründet und eine sogenannte Grow Box entwickelt. Darin können Pflanzen mittels LED-Leuchten, Sensoren und Steuerungstechnik bei intelligentem künstlichen Tageslicht wachsen. „Das Stichwort ist Digital Horticulture, also die gezielte Steuerung vom Umweltparametern auf der Basis von Sensordaten, um im professionellen Gartenbau Qualität und Erträge der Pflanzen zu steigern und dabei auch noch die Kosten zu senken“, erklärt der Jungunternehmer.

Bisher war die Firma eher als Ingenieurbüro im Anlagenbau tätig und hat steuerbare LED-Beleuchtungssysteme für Pflanzenforschungsinstitute und Universitäten wie auch das Umweltbundesamt umgesetzt. Doch Schubert und sein neunköpfiges Team (inklusive Freelancer) wollen ihre Technologie direkt an Produzenten von Lebensmitteln und Arzneien vermarkten und das auch bald in den USA. Denn während im deutschen Gartenbau eher Investitionsstau herrscht, weil die Lebensmitteldiscounter ihren Lieferanten kaum Luft zum Atmen lassen, fließt in Nordamerika viel Geld in die digitale Landwirtschaft. Ein Wachstumstreiber in der Pflanzenzucht ist die Legalisierung des Anbaus von Cannabis in vielen US-Bundesstaaten. Es lockt ein Milliarden-Markt.

Generell würde Compled Solutions den Markteintritt in den USA auch aus eigener Kraft schaffen, meint der Geschäftsführer. Doch eine bis 1,5 Millionen Euro an Investitionen würden die Expansion erheblich beschleunigen. Deshalb hat sich Schubert erstmalig bei den Hightech Venture Days (HTVD) beworben, ein zweitägiges Treffen von Hochtechnologie-Startups und Wachstumsunternehmen mit Risikokapitalgebern. Es findet zum sechsten Mal am Mittwoch und Donnerstag in Dresden statt. Dieses Jahr können 40 handverlesene Start-ups aus Europa und Israel ihre Geschäftsideen vor 163 internationalen Investoren aus Großkonzernen wie Bosch und Evonik, Beteiligungsgesellschaften und privaten Business Angeln vorstellen, um Geld und strategische Partner zu gewinnen. Für Investoren wie den Roboterhersteller Kuka AG besteht der Anreiz, durch Beteiligungen an Hightech-Startups Innovationen selbst schneller umsetzen zu können. „Kuka ist ein großer Tanker. Wir helfen Startups größer zu werden und sie helfen uns, neue Ideen schneller zu realisieren“, beschreibt Elisabeth Schärtl, Innovationsmanagerin bei Kuka, ihr Interesse an der Veranstaltung. Im Fokus sind Unternehmen aus den sechs Schlüsseltechnologien: Maschinen- und Anlagenbau, Mikro- und Nanotechnologie, Informations- und Kommunikationstechnik, Umwelt- und Energietechnik, Life Science und Transport. Unter den sechs sächsischen Teilnehmern sind unter anderem Sunfire, Kiwigrid und Skeleton Technologies vertreten

Das 2016 gegründete Dresdner Biotechnologie-Unternehmen BMDX, das noch in der Gründungsphase steckt, will zum Beispiel vier Millionen Euro Risikokapital einwerben. um sein System für die schnelle Blutdiagnostik vor Ort zur Marktreife zu bringen. Ziel ist es , dass Ärzte Blutproben nicht mehr ins Labor schicken und tagelang auf die Ergebnisse warten müssen, sondern dass sie mit einem tragbaren Messgerät aus Biosensoren Blutparameter direkt und sofort messen und auswerten können, während sie quasi in der Sprechstunde noch die Diagnose stellen. So beschreibt Norman Gerstner, einer der Gründer, die Geschäftsidee. Auf den HTVD wollen sie Investoren, die sie bislang nur vom Telefon kennen, persönlich kennenlernen.

Kiwigrid, eines der innovativsten Unternehmen der neuen Energiewelt in Deutschland, ist da schon weiter. Die Dresdner Firma mit derzeit 160 Mitarbeitern will nach eigenen Angaben zwei zusätzliche strategische Gesellschafter suchen - zu den schon vorhandenen drei Gesellschaftern Aqton SE , die Beteiligungsgesellschaft des BMW-Erben Stefan Quandt, LG Electronics und der RWE Tochter Innogy. Die Gesellschafterstruktur soll den Energiemarkt der Zukunft abbilden, auf dem nicht mehr nur klassische Energieversorger die Hauptakteure seien, sondern auch Gerätehersteller für Solarmodule oder Batteriespeicher, erklärt Marketingchef Daniel Kühne. Kiwigrid würde gern einen Mobilitätsexperten mit an Bord holen oder einen Gesellschafter, der sich mit Künstlicher Intelligenz und Cloud-Technologie auskennt. Das wichtigste Argument in seinem sieben minütigen Pitch, mit dem er Investoren neugierig machen will, werde der Kundenstamm sein, verrät Kühne. BMW, Nissan, Eon, Innogy oder Q-Cells gehören zu den Unternehmen, die mit der von Kiwigrid entwickelten IoT-Plattform ihre Geräte und Dienstleistungen managen und vernetzen. „Unsere Kunden sind das wichtigste Wertversprechen gegenüber Investoren“, sagt der Marketingchef.

Compled Solutions kann zwar noch keine Großkonzerne als Kunden präsentieren. „Doch unsere Technik spielt in der absoluten Oberlieger“, betont Geschäftsführer Schubert. Er präsentiert am Ausstellungsstand in der Gläsernen Manufaktur von VW einen achtarmigen LED-Strahler, der die leistungsstärkste steuerbare Leuchte sei, die es laut Schubert zur Zeit auf der Welt gibt für die Pflanzenzucht. Obwohl die Dresdner Konkurrenz in den USA haben, ist der Gründer optimistisch, Investoren davon überzeugen zu können, Compled beim Markteintritt in Amerika unter die Arme zu greifen. „Wichtiger als Geld ist es, einen strategischen Partner zu finden, der uns hilft, das Marketing, den Vertrieb und die Logistik in Nordamerika aufzubauen“, betont Schubert.

Ob er auf dem Dresdner Treffen erfolgreich sein wird, wird sich erst in einigen Wochen bis Monaten zeigen. Jeder teilnehmende Investor macht im Anschluss der Veranstaltung neun Follow-ups, vertieft also die Gespräch mit den jungen Unternehmern. 15 Prozent der pitchenden Firmen haben bislang auf den HTVD ihren Investor gefunden, zieht Jörg Schüler, Vorstandschef des Veranstalters Hightech Startbahn, Bilanz. Seit 2013 fanden 61 Finanzierungsrunden statt, davon in 28 sächsischen Unternehmen. Offizielle Zahlen gibt es nur für 35 dieser Runden, in denen rund 400 Millionen Euro Risikokapital eingesammelt wurden.

Bei der Premiere der HTVD 2013 hatten sich 60 Startups um die Teilnahme beworben, 2017 waren es 223. In diesem Jahr gingen knapp 200 Bewerbungen ein. Den Rückgang erklären die Veranstalter mit der guten Finanzierungssituation in der sehr frühen Phase und den leicht rückläufigen Gründerzahlen aufgrund der guten Wirtschaftslage. Die Lage von europäischen Technologieunternehmen in der Seedfinanzierung habe sich in den letzten Jahren verbessert, betont Schüler. 2017 war ein Rekordjahr. 7,7 Milliarden Euro wurden in Venture Capital Fonds eingezahlt, in diesem Jahr werden sogar 8,2 Milliarden Euro erwartet. „Trotzdem brauchen wir in Europa noch mehr frühphasiges Wagniskapital, um mit den USA und Asien mithalten zu können“, so Schüler. Und besonders viel zu tun gäbe es in der Wachstumsfinanzierung. Denn die eher kleinen europäischen Fonds führen zu kleinen Finanzierungsrunden, weshalb europäische Technologie-Gründer häufiger welche drehen müssen als ihre Konkurrenten in Übersee.