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Baustelle voller Besonderheiten

Auf die Herrnhuter Zinzendorfschulen wird bald das Dach gesetzt. Das i-Tüpfelchen ist die Verbindung der Gebäude.

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© Matthias Weber

Von Anja Beutler

Herrnhut. Das Kranballett gibt sich werktäglich in Herrnhut die Ehre: Erst schwenkt der hintere Kran den Bretterstapel nach vorn. Dann hebt der andere das Steinpaket hinüber. Architekt Daniel Neuer schaut dem Schauspiel zufrieden zu. Er steht oben auf dem Schulneubau, der jenseits der Christian-David-Straße in Richtung Löbau wächst. „Das ist alles genau abgestimmt: Kran eins gibt den Takt vor und die anderen beiden richten sich nach ihm“, erklärt er. Reibungslos soll alles auf der Baustelle für die neuen Zinzendorfschulen laufen. Und das tut es trotz leicht späterem Baustart bislang auch, betonen Architekt Neuer und Katrin Filschke, Vorstandsvorsitzende der Schulstiftung der Brüder-Unität und damit gewissermaßen Bauherrin.

Neue Blickwinkel: Die Aussicht vom neuen entstehenden Schulgebäude in Richtung Löbauer Straße.
Neue Blickwinkel: Die Aussicht vom neuen entstehenden Schulgebäude in Richtung Löbauer Straße. © Matthias Weber
Nah beieinander: Zwischen Neubau (links) und Altbau der Zinzendorfschulen ist kaum Platz.
Nah beieinander: Zwischen Neubau (links) und Altbau der Zinzendorfschulen ist kaum Platz. © Matthias Weber
Ungewöhnliches Material: Mit luftgetrockneten Lehmziegeln hantieren die Bauarbeiter sonst nicht.
Ungewöhnliches Material: Mit luftgetrockneten Lehmziegeln hantieren die Bauarbeiter sonst nicht. © Matthias Weber

In der Tat wächst das neue Schulgebäude am Zinzendorfplatz stetig in die Höhe. Kein Wunder: Zwischen 40 und 60 Arbeitern werkeln hier täglich zwischen 6 und 18 oder auch 19 Uhr. Maurer- und Betonarbeiten laufen noch, Ende November oder Anfang Dezember soll es dann mit dem Dach weitergehen: „Die 180000 Dachziegeln werden derzeit für uns produziert“, sagt Neuer. Zuvor aber müssen die Balken auf das Dach. Auch die sind in Arbeit, nicht weit von der Baustelle entfernt: Die Firma Holzbau Seeliger in Berthelsdorf bearbeitet die bestellten Balken und fertigt die Gauben. Keine einfache oder alltägliche Sache bei Holzlängen von zehn Metern.

Noch größere Dimensionen wird das Verbindungsstück zwischen den beiden Häusern über die Christian-David-Straße hinweg haben, das im neuen Jahr gebaut wird: Elf mal 14 Meter misst der Grundriss. „Das ist wie ein großes Einfamilienhaus, das da über der Straße schweben wird“, vergleicht Daniel Neuer. Innen wird es zwei Etagen haben, in denen Klassenzimmer sowie das Sekretariat und die Büroräume für die Schulleitung entstehen. Stahlträger sollen trotz des Gewichtes aber nicht zum Einsatz kommen – die Produktion von Stahl ist zu energieaufwendig und das würde dem Nachhaltigkeitsgedanken des ganzen Bauprojektes widersprechen. Deshalb ist eine andere Lösung gefunden worden: „Ein an vier Seiten geschlossener Betonrahmen wird mit Edelstahldornen verankert“, erklärt der Architekt. Die erstaunlich kleinen Löcher dafür sind bereits zu sehen.

Zu sehen bekommen derzeit auch die Schüler immer wieder etwas Neues. Zwar liegen die meisten Klassenzimmer nicht zur Baustelle hinaus. Aber im Physikkabinett beispielsweise lässt es sich nicht vermeiden, dass die Blicke nach draußen wandern. „Das kann man den Kindern ja nicht verübeln“, sagt einer der Physiklehrer schmunzelnd. Manchmal ergeben sich sogar direkte Bezüge zum Unterricht. Wenn es um die Funktionsweise von Flaschenzügen geht, liegen Bücherwissen und Praxis nur einen Katzensprung voneinander entfernt. Denn Alt- und Neubau sind sich buchstäblich zum Greifen nah.

Ein stetes Schulthema ist die nachhaltige Bauweise ohnehin: Weil die Lehmziegel für die Schule nicht gebrannt, sondern nur getrocknet werden, spart man so viel Kohlendioxid wie ein Mittelklasse-Pkw ausstößt, der knapp sieben Mal die Welt umrundet, rechnen die Schüler auf der Internetseite vor. Außerdem sei der Straßenverkehr lauter als die Baustelle, haben Messungen ergeben.

Innovativ und für die Baubranche in der Region ungewohnt ist die Baustoffwahl ohnehin. Alle Materialien müssen wegen der besonders umweltverträglichen und energieeffizienten Bauweise lückenlos zertifiziert und geprüft sein. Nicht immer wurde man deshalb in der Region fündig: Die Hölzer für das Dach stammen aus dem Bayerischen Staatsforst, wo es solche enormen Längen gibt. Aus dem Schwarzwald sind die Hölzer für die Fensterrahmen. Die sollen übrigens auch bald eingesetzt werden. Eine Winterpause wird es auf der Baustelle übrigens nicht geben: So lange es die Witterung zulässt, wird draußen weitergebaut. Daniel Neuers Ziel ist es, das Dach auf alle Fälle in diesem Jahr fertigzustellen. Danach geht es innen weiter – mit dem Einbau der nötigen Elektrotechnik.