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Baukindergeld bringt Dresden wenig

Der staatliche Zuschuss gleicht die steigenden Preise in der Großstadt nicht aus. Warum Familien trotzdem bauen:

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© Christian Juppe

Von Kay Haufe

Es gibt sie nicht sehr oft, Geschenke vom Staat. 12 000 Euro spendiert er Familien mit einem Kind, die eine Wohnung kaufen oder ein Haus bauen wollen. Diese Summe steigt mit jedem weiteren Kind um jeweils 12 000 Euro an, verteilt auf zehn Jahre. Allerdings darf das Jahreseinkommen 75 000 Euro bei einem und 120 000 Euro bei drei und mehr Kindern nicht überschreiten. Mit dem sogenannten Baukindergeld, das Ende Juni beschlossen wurde, will die Regierung aus Union und SPD die Wohnungsnot im Land lindern. Aber klappt das auch?

Für Familie Tharann kommt dieser Geldsegen zum falschen Zeitpunkt. Sie ist im Herbst 2017 in ihr Reihenhaus in Pieschen gezogen und damit drei Monate zu zeitig für die gesetzlich festgelegte Frist, in der man für den Kauf Baukindergeld bekommen kann, nämlich vom 1. Januar 2018 bis 31. Dezember 2020. „Klar wäre das noch eine schöne Unterstützung gewesen, wir haben einen Sohn.“ Aber Anne Tharann ist realistisch: Diese 12 000 Euro hätten für sie nicht das Zünglein an der Waage bedeutet. „Die Immobilien in Dresden sind so teuer, dass allein das Baukindergeld nicht den Ausschlag für den Kauf gegeben hätte.“ Die 34-Jährige kann dies ziemlich gut einschätzen, hatte sie doch bereits mit ihrem Mann in Jessen ein Einfamilienhaus gebaut. „Dort, im eher ländlichen Raum, hätten wir für das Geld das Grundstück bezahlen können, das wäre ein großer Anreiz gewesen. Hier in Dresden ist ein frei stehendes Einfamilienhaus so teuer, dass wir uns nur ein Reihenhaus mit wenig Grundstück leisten können“, sagt Anne Tharann. Auch Analysen des Portals Immowelt.de zeigen, dass sich in Ballungsräumen mit hoher Nachfrage wie Dresden die Immobilienpreise in den vergangenen Jahren so stark verteuert haben, dass das Baukindergeld kaum Wirkung zeigen wird. Hier machen die 12 000 Euro beim Kauf einer 80-Quadratmeter-Wohnung maximal 6,4 Prozent aus, meist weniger.

Trotzdem hat sich Familie Tharann zum Kauf entschieden. Nachdem Anne und Mario Tharann lange gependelt waren, sollte nach der Geburt von Sohn Till 2013 wenigstens einer der beiden Beamten in Dresden arbeiten und hier die Heimstadt der Familie werden. „Die Mietpreise liegen ja auch bei rund zehn Euro pro Quadratmeter, Tendenz steigend. Da wollten wir das Geld in etwas Eigenes stecken, das uns in 20 Jahren gehört“, sagt sie. Doch sie weiß auch, dass andere Familien aus Dresden weggehen, weil die Immobilienpreise im Umland deutlich niedriger sind.

Das bestätigt auch Thomas Stein von der Ostsächsischen Sparkasse. Der Direktor Bauen und Immobilien hat die aktuellen Vergleichszahlen des Sparkassen-Immobilienberichtes 2018 vorliegen. „Während der durchschnittliche Verkaufspreis bei Einfamilienhäusern in Pieschen bei 1 990 Euro pro Quadratmeter liegt, beträgt er in Freital nur 1 340 Euro“, sagt Stein. Auch Radeberg und Kamenz lägen mit 1 410 Euro und 1 130 Euro deutlich darunter. „Wir haben die nahen Städte im Umland extra mituntersucht, weil wir merken, dass sich Familien die Preise in Dresden zunehmend nicht mehr leisten können und ausweichen.“

Oft zu wenig Eigenkapital

Vor allem jüngere Leute zwischen 30 und 50 Jahre seien heute deutlich interessierter, Eigentum zu erwerben als noch vor 15 Jahren. Die meisten wollen es auch selbst beziehen. Immerhin 75 Prozent aller Immobilien, die die Ostsächsische Sparkasse finanziert, wurden von Eigennutzern gekauft. „Der Sachse ist bestrebt, Besitz aufzubauen“, sagt Stein. Dennoch liege die Eigentumsquote in Dresden gerade mal bei 17 Prozent, während sie in Hannover etwa 25 Prozent beträgt. Der Vergleich mit den Sachsenzahlen von 39 Prozent bringt das Dilemma gut auf den Punkt: In ländlichen Gebieten besitzen die Bewohner deutlich mehr Immobilien als in größeren Städten. „Und diese Entwicklung wird sich durch das Baukindergeld noch verstärken“, sagt Thomas Stein. Seine Bank rechnet damit, dass die Preise für Dresdner Wohnungen und Häuser noch bis zu 20 Prozent steigen.

„Davon auszugehen, dass man mit 12 000 Euro Baukindergeld Familien zum Kauf animiert, halte ich für unrealistisch“, sagt der Finanzierungsfachmann. Denn allein schon die Eigenkapitalanforderungen, die bei mindestens 20 Prozent liegen, könnten nur wenige erfüllen. „Nehmen wir eine Dresdner Wohnung für 350 000 Euro, dafür müssten 70 000 Euro eigenes Geld da sein“, sagt Stein. Dazu addieren sich Nebenkosten wie Makler, Notar und Grunderwerbssteuer. Dies können sich die wenigsten jungen Familien leisten, wie Zahlen des Institutes der deutschen Wirtschaft (IW) belegen. Wenn doch, liegt in der Regel das Jahreseinkommen über den festgelegten Grenzen. Fazit: Die Förderung wird bei den Bewohnern großer Städte mit teuren Immobilien nicht ankommen.

Das bestätigt auch Immowelt-Geschäftsführer Carsten Schlabitz. „Durch das Baukindergeld wird sich die Eigentumsquote in angespannten Wohnungsmärkten nicht wesentlich verändern.“ Es komme eher bei Familien im ländlichen Raum an, wo die Preise deutlich niedriger sind und wo jetzt vermutlich mehr Neubauflächen ausgewiesen werden. Diese Rechnung gehe für Geschosswohnungsbau allerdings auch nicht auf, sagt Torsten Arlt, Geschäftsführer der Aktiva Bauträger GmbH. „Die Baupreise liegen inzwischen bei 2 200 bis 2 400 Euro pro Quadratmeter, dazu muss das Grundstück erworben werden. Endpreise von rund 2 900 Euro pro Quadratmeter akzeptieren Käufer nicht für Lagen in Freital oder Radeberg, maximal noch an der direkten Stadtgrenze wie Kreischa oder Bannewitz.“

So werden Dresdner Familien wohl weiter hin- und herrechnen, was für sie eine gute Lösung sein könnte. „An den Zinsen liegt es nicht, die schreiben wir derzeit für 15 Jahre bei rund zwei Prozent fest, für zehn Jahre sind es ab 1,4 Prozent“, sagt Sparkassenprofi Stein. Wie viele Familien sich aber tatsächlich für das Baukindergeld entscheiden, weiß Stein nicht, denn noch stehen die Rahmenbedingungen nicht fest und man kann sich noch nicht bewerben. Familie Tharann ist auch ohne zufrieden mit ihrer Wahl, denn durch die Förderung könnten auch die Preise weiter steigen.