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Babyboom zum Jahresende

Im Klinikum Görlitz wurde zum zweiten Mal in Folge der Geburtenrekord geknackt. In Weißwasser war das nicht so.

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© Pawel Sosnowski

Von Daniela Pfeiffer und Carla Mattern

Landkreis. Eins von fünf Weihnachtsbabys ist Matti Johannes. Geboren am 26. Dezember und noch nicht mal zu Hause gewesen, da steht er schon im Mittelpunkt des Pressetermins. Aber dem kleinen Jungen, mit dem dichten, pechschwarzen Haar ist das gerade alles total egal. Er schläft und wenn Neugeborene schlafen, kann sie auch das Geratter des Fotografen nicht wecken.

Silvester ist der kleine Bad Muskauer Enno Manfred Tzschichholz in Weißwasser geboren. Auf dem Foto ist Enno mit Mama Christin Jank, Schwester Ida Tzschichholz und Papa Morris Tzschichholz am Neujahrstag zu sehen.
Silvester ist der kleine Bad Muskauer Enno Manfred Tzschichholz in Weißwasser geboren. Auf dem Foto ist Enno mit Mama Christin Jank, Schwester Ida Tzschichholz und Papa Morris Tzschichholz am Neujahrstag zu sehen. © Rolf Ullmann

Daheim freuen sich ein 14-jähriger Bruder und eine neunjährige Schwester auf Matti und Mama Marlen Hoffmann. Die Görlitzerin liegt mit Kind Nummer drei voll im Trend. Immer mehr Frauen würden sich mit Mitte, Ende 30 noch mal für ein zweites oder drittes Kind entscheiden. Ein Nesthäkchen – so wie bei Familie Hoffmann. Vor allem gut situierte Familien.

Auch dieser Fakt wird mit dazu beigetragen haben, dass im Städtischen Klinikum Görlitz im zu Ende gegangenen Jahr bei 824 Entbindungen 844 Kinder zur Welt kamen – darunter also 20 Zwillingspärchen. Regine Werwoll, die leitende Hebamme, sagt, man sei am Jahresanfang sogar von noch mehr Zwillingen ausgegangen, begann der Januar doch mit sechs Pärchen gleich rekordverdächtig.

Ein neuer Zwillingsrekord wurde es am Ende nicht – im Vorjahr waren es 25 Pärchen. Aber die Kinderzahl von 844 ist neuer Rekord – der zweite in Folge und noch dazu ein sehr deutlicher. Schon 2016 gab es mit 817 Babys einen neuen Bestwert. Nun sind es also noch mal 27 mehr. Gerade am Jahresende hatten die Hebammen noch einmal ordentlich zu tun. Nach den fünf Weihnachtsbabys und einigen, die zwischen dem 27. und 30. Dezember auf die Welt kamen, waren es schließlich am Silvestertag noch einmal drei Kinder. Gestern gab es zudem ein Neujahrsbaby. Die kleine Salome Regina wurde am frühen Nachmittag als viertes Kind ihrer Familie geboren.

„Wir freuen uns über das Geburtenhoch und über jedes gesunde Neugeborene“, sagt Regine Werwoll. „Unsere Entbindungszahlen steigen vor allem durch die ausländischen Mütter. 2017 bekamen unter anderem 91 Polinnen und 38 syrische Frauen bei uns ihre Kinder.“ Insgesamt wurden im Kreißsaal Frauen aus 28 Nationen betreut. Das bringt auch Schwierigkeiten mit sich, denn Dolmetscher sind höchstens bei der Aufnahme dabei, nicht aber bei der Geburt. Gerade da müssen Hebammen der werdenden Mutter aber wichtige Anweisungen geben. „Mit Händen und Füßen, Mimik und Gestik machen wir das dann“, sagt Frau Werwoll. Manchmal akzeptieren begleitende Väter nicht, wenn das medizinische Personal nur aus Frauen besteht. Dann müsse man ihnen konsequent und selbstbewusst beibringen, dass das hier so ist. Regine Werwoll: „Die vielen verschiedenen Nationen sind schon eine Herausforderung, aber wir haben uns darauf eingestellt.“

Sorgenvoll ist der Blick in die Zukunft manchmal trotzdem. Bundesweit steigen die Geburtenzahlen, es werden immer mehr Hebammen gebraucht. „Es schließen mehr und mehr Kreißsäle aus Hebammenmangel“, sagt Kristina Winkler, die leitende Oberärztin der Görlitzer Frauenklinik. „Das wird in den nächsten Jahren noch prekär werden. Es gibt nicht mehr so viele, die angestellt in einer Klinik arbeiten wollen, weil die Dienstbelastung schon enorm ist.“ Am Görlitzer Klinikum ist die Lage noch stabil. Jedes Jahr wird eine Hebammen-Auszubildende genommen, zurzeit gibt es also drei – jeweils eine im ersten, zweiten und dritten Ausbildungsjahr. Sie müssen sich wohl um einen Job keine Sorgen machen – im Gegenteil: Es gebe immer wieder schon Abwerbungsversuche von anderen Kliniken. „Viele Häuser suchen Hebammen“, weiß Kristina Winkler, die in Dresden auch in einer entsprechenden Arbeitsgruppe Mitglied ist. In Großstädten komme es vor, dass werdende Mütter aus Kapazitätsmangel weggeschickt werden – nicht, wenn sie schon Wehen haben, sondern wenn sie sich zur Geburt anmelden möchten.

Ein solches Szenario ist trotz guter Zahlen für Görlitz noch unvorstellbar. Im Gegenteil: Angesichts der Krisen bei Siemens und Bombardier sind auch Regine Werwoll und Kristina Winkler nicht gerade optimistisch. „Unsere Angst ist, dass sich das sehr auswirken könnte, wenn Siemens schließt und Bombardier weiter abbaut. Viele junge Paare werden vielleicht wegziehen.“ Umso mehr genießen sie jedes Baby, das im Klinikum das Licht der Welt erblickt. Dass das auch nach Jahrzehnten Berufserfahrung und Tausenden entbundenen Babys noch möglich ist, beweist Regine Werwoll, wenn sie den kleinen Matti gedankenversunken huschelt und ihm mit dem Finger über die kleine Wange streichelt.

Im Kreiskrankenhaus in Weißwasser gab es keinen Geburtenrekord im vergangenen Jahr. Im Gegenteil: 299 Kinder kamen zur Welt, 2016 waren es dagegen 350. Ob das an einer Lücke in der Personalbesetzung lag? Die ist mittlerweile geschlossen, wie Jana-Cordelia Petzold, Referentin für Sozialmarketing, Presse- und Öffentlichkeitsarbeit bei der Managementgesellschaft Gesundheitszentrum des Landkreises Görlitz mitteilt. „Ja, wir hatten eine Lücke in der Personalbesetzung des Chefarztes beziehungsweise der Chefärztin, die überbrückt werden musste und noch im Jahr 2017 sehr erfolgreich neu besetzt werden konnte mit zwei Ärzten aus dem Carl-Thiem-Klinikum Cottbus, Chefarzt Dr. med. Dimitry Chuvashkin, Leiter der Klinik für Gynäkologie und Geburtshilfe, sowie Chefärztin Dr. med. Ulrike Wetzel, Leiterin der Klinik für Kinder- und Jugendmedizin. Gegenwärtig wurden zwei neue Hebammen gewonnen, so Frau Petzold.