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Aushängeschild für den ganzen Osten

Geising ist das Curling-Zentrum der neuen Länder. Dieser Erfolg ruht auf vielen Schultern.

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© Egbert Kamprath

Von Stephan Klingbeil

Schach auf Eis wird Curling oft genannt. Andy Büttner vom 1. Sächsischen Curlingverein Geising kann das gut nachvollziehen. „Der Sport ist vor allem taktisch interessant“, erklärt der 26-Jährige. „Es kommt außerdem auf das Zusammenspiel im Team an, das hat seinen Reiz.“ Es gehe oft um Nuancen. Viele Spiele seien schon sehr knapp ausgegangen. So wie vor rund acht Monaten.

Vereinschefin Martina Meißner ist auch selbst auf dem Eis aktiv. Der 1. SCV Geising ist Ostdeutschlands Nummer eins im Curlingsport.
Vereinschefin Martina Meißner ist auch selbst auf dem Eis aktiv. Der 1. SCV Geising ist Ostdeutschlands Nummer eins im Curlingsport. © Egbert Kamprath

Bei den Deutschen Meisterschaften im Mixed-Double gewann er mit Vereinskollegin Julia Meißner den Titel – in einem packenden Finish. „Jeder hat gegen jeden gespielt. Vor dem entscheidenden letzten Spiel gegen das ebenfalls noch ungeschlagenen Hamburger Duo hatten wir zeitweise sogar noch zwei Punkte Rückstand“, erinnert sich der Deutsche Juniorenmeister von 2011. Dann behielten die zwei Sachsen die Nerven. Der Lohn: die erste Deutsche Meisterschaft. Als Zugabe lösten die zwei Geisinger auch das Ticket für die Weltmeisterschaften in Kanada.

Mit zwei Siegen und fünf Niederlangen konnte sich das Erfolgs-Duo aus dem Osterzgebirge dort im April im Mittelfeld etablieren. Insgesamt waren 39 Teams dabei. In ihrer WM-Gruppe schlossen die beiden Sachsen auf Rang fünf vor der Türkei, Frankreich und Schlusslicht Kasachstan das Turnier ab. Damit stand auch fest, dass Deutschland nicht bei der olympischen Premiere der Mixed-Disziplin bei in Pyeongchang dabei ist.

Für Andy Büttner und Julia Meißner war diese erste WM-Teilnahme mit Platz 21 dennoch ein Achtungserfolg, der daheim in Sachsen live im Internet von ihren Fans teils nachts mitverfolgt wurde. „Das haben wir uns nicht nehmen lassen“, erinnert sich Martina Meißner, die Vereinsvorsitzende und Mutter der WM-Teilnehmerin stolz. „Fernsehbilder gab es leider hierzulande keine, aber die Spielzüge konnten wir online mit ansehen.“ Als die Geisinger in der Vorrunde den ersten Sieg eingefahren hatten, fiel ordentlich Ballast von deren Schultern. „Der Druck war schon ordentlich, umso mehr erleichtert waren wir, dass wir nicht ohne Punkte wieder nach Hause fahren mussten“, sagt Julia Meißner. Die WM war eine „unvergessliche Erfahrung und schon ein ganz anderes Niveau“, fährt sie fort. Die teils aus Profis bestehenden Teams, das Spezial-Eis und vor allem die vielen Zuschauer – das sei eine ganz neue Erfahrung gewesen. „Die Tribünen waren meist voll, das kennen wir ja hierzulande gar nicht.“

Curling ist in Deutschland weiterhin eine Randsportart und vor allem im Süden verbreitet. Füssen und Rheinmünster (Baden-Württemberg) sind Hochburgen. Allerdings hat sich Geising seit mehreren Jahren schon einen Namen gemacht, ist die Nummer eins in Sachsen und auch im Osten der Republik.

Eisstockschießen, das dem Curlingspiel ähnelt, hatte es schon länger in Geising gegeben. Curling hingegen hatte hier keine Tradition. Der 1. SCV wurde 1999 gegründet, im Jahr vor der Junioren-WM, die in Geising stattfand. Im neu errichteten Gründelstadion war so ein Wettbewerb möglich. Der damalige Vorsitzende Peter Nestler, Trainer Holger Schäfer und der Bürgermeister der 2011 nach Altenberg eingemeindeten, damals noch eigenständigen Stadt Frank Gössel hatten sich erfolgreich um die WM bemüht.

Ganz Geising war im Curling-Fieber. „Das war ein echter Hype“, erklärt Julia Meißner. Wie andere junge Einheimische ließ auch sie sich davon anstecken. Wie Büttner, der später über seinen Bruder Nico zum Curling kam, dessen Männerteam in einer Spielgemeinschaft mit Füssen ab 2001 drei Jahre lang sogar in der Bundesliga spielte, zählt sie seit vielen Jahren zu den Besten im Verein.

Da Curling aber in Deutschland nicht besonders gefördert wird, kommt es besonders auf das Engagement von Ehrenamtlichen, Trainern und Organisatoren an, so wie es auch in Geising der Fall ist. Andy Büttner engagiert sich neben seinem Beruf als Mitarbeiter eines Automobilzulieferers in Liebstadt wie weitere Helfer stark im Verein. Julia Meißner ist Trainerin am Talentstützpunkt. Neben ihrer Tätigkeit als Lehrerin für Deutsch und Ethik am Altenberger Sportgymnasium zeigt die 30-Jährige hierbei Kindern und Jugendlichen die Finessen ihres Sports.

Immer wieder schaffen es Talente in die vom Bund finanziell unterstützten C-Kader der Sportfördergruppe, zuletzt die 17-jährige Klara-Hermine Fomm aus dem Ortsteil Löwenhain. Mit Marlene Grieser gibt es eine weitere junge Spielerin aus Geising im D/C-Kader. Bei den Jungs, die die Mehrheit des Curler-Nachwuchses stellen, stand nach der guten Vorsaison ein ausbildungsbedingter Umbruch an. Das Team wird in dieser Saison neu aufgestellt.

Bald steht wieder ein hochkarätiges Turnier in der Mixed-Disziplin im Gründelstadion auf dem Plan. Schicht um Schicht wächst derzeit dort der neue winterkalte Belag. Vom 26. bis 29. Oktober macht hier die Curling-Champions-Tour Station – zum zweiten Mal. Nach der Premiere im vorigen Jahr werden sich erneut internationale Spitzenmannschaften in Geising messen. Mit dabei sein werden ebenfalls die beiden Lokalmatadoren Andy Büttner und Julia Meißner, die im Vorjahr einen starken fünften Platz belegten. Der Eintritt ist an allen vier Tagen frei. Für Interessierte steht obendrein kostenlos eine Bahn frei, um mit Unterstützung von Vereinsmitgliedern selbst Curling zu lernen.

Für Büttner und Julia Meißner ist das Turnier eine gute Vorbereitung auf den eigentlichen Saisonhöhepunkt: Ende Januar 2018 finden die Deutschen Meisterschaften im Mixed Double vor ihrer Haustür statt. Der 1. SCV erhielt den Zuschlag. „Hier Meister zu werden und sich für die WM in Schweden zu qualifizieren, wäre schon was ganz Besonderes“, sagen beide Lokalmatadore. Als Titelverteidiger dürfte das für das Duo sicher nicht unmöglich sein.