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Ausgewiesen trotz Ausbildungsplatz

Wenn eine Firma Ausländer beschäftigt, gibt es viele Tücken mit Behörden. Die Suche nach Lösungen ist kompliziert.

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© Sven Ellger

Von Andreas Weller

Manchmal ist es zum Verzweifeln. Anfang November hat Abdullah Bukary einen Ausweisungsbescheid bekommen. Dabei lebt der 25-Jährige seit 2010 in Dresden. Damals hat er ein staatliches Stipendium seines Heimatlandes Saudi-Arabien erhalten. Nachdem er das Abitur in Dresden wiederholt hat – das aus Saudi-Arabien wurde nicht anerkannt – begann er Medizin zu studieren. „Das Studium war für mich aber zu viel Theorie, ich brauche Praxis und habe mir Arbeit gesucht“, erzählt der Mann in nahezu perfektem Deutsch.

Nach einem Werkspraktikum begann er im August eine Ausbildung bei der Firma Rosti. Der deutsche Ableger eines schwedischen Konzerns fertigt seit 2003 im Gewerbegebiet Coschütz/Gittersee Verschlüsse für Kunststoffverpackungen. Das Unternehmen ist international aufgestellt und lebt dies auch, hat unter den 60 Mitarbeitern aktuell drei Ausländer. Doch auch Produktionsleiter Jeannot Pinkert wurde vom Abschiebebescheid kalt erwischt. Denn darin stand, dass der Beruf, den Bukary lernt, auf der sogenannten Positivliste der Arbeitsagentur nicht enthalten ist. An Maschinenbedienern herrsche kein Mangel, deshalb dürfen Zuwanderer, die diesen Beruf lernen, nicht bleiben. „Das hatte ich noch nie gehört“, so Pinkert.

Wohnung gekündigt

Bukary sollte binnen zwei Wochen das Land verlassen oder sich einen Mangelberuf suchen. Sofort setzten sich Geschäftsführerin Antje Heinze, Pinkert und der Lehrling zusammen. „Wir wollen als internationales Unternehmen Menschen unterschiedlicher Herkunft beschäftigen, deshalb haben wir einen Weg gesucht, wie wir Abdullah behalten können.“ Jetzt lernt er Mechatroniker – das steht auf der Positivliste. Mittlerweile hat Bukary wieder ein Visum, wenn auch nur befristet. „Ich bin froh, dass ich so einen Arbeitgeber habe“, sagt der junge Mann.

In der Produktionshalle arbeitet auch Muhummad Alzaitoun als Maschinenführer. Der Jordanier hat schon als Student bei Rosti nebenbei gearbeitet. Der jetzt 37-Jährige kam 2006 zum Chemie-Studium nach Dresden und fand bei der Firma 2012 einen guten Job. In diesem Juli erhielt er sogar eine Festanstellung. Doch nun gibt es auch für ihn Ärger mit den Behörden. „Das Jobcenter sagt, mein Beruf hat nichts mit Chemie zu tun. Ich sei überqualifiziert und darf nicht bleiben.“ Er müsse eine entsprechende Stelle finden oder promovieren, um sich länger in Deutschland aufhalten zu dürfen. Der Jordanier hat seine Wohnung gekündigt, lebt nun in einer Wohngemeinschaft. „Ich kann ja nicht planen.“

Bis Oktober 2018 haben ihm die Behörden nun Zeit gegeben, die Vorgaben zu erfüllen. „Im schlimmsten Fall ist er bald weg“, so Produktionsleiter Pinkert. „Für das Unternehmen ist das ein großer Unsicherheitsfaktor.“ Auch weil es zunehmend schwierig sei, gute Mitarbeiter zu finden, wolle die Firma dafür kämpfen, dass Alzaitoun bleiben darf, ihn unterstützen, eine Stelle zu finden – vielleicht ja bei Rosti.

Auch wenn die beiden Protagonisten keine Flüchtlinge sind, sondern als Studenten nach Dresden kamen, sind bei Flüchtlingen ähnliche Diskussionen um Arbeitsplätze zu erwarten. Anerkannte Asylbewerber können sich uneingeschränkt Arbeit suchen. Alle, die eine Weile hier aber nicht anerkannt sind, dürfen nicht einfach eine Stelle annehmen – wie bei Bukary und Alzaitoun. Die Ausländerbehörde entscheidet im Einzelfall darüber. In Absprache mit der Arbeitsagentur wird bei jedem Zuwanderer, der aus einem Land außerhalb der Europäischen Union kommt, jeder Fall geprüft. Offiziell heißt es, es muss „arbeitsmarkt- und integrationspolitisch verantwortbar sein“. Das bedeutet, die Betroffenen dürfen nur sogenannte Mangelberufe lernen oder ausüben. Darauf stehen zahlreiche Berufe vom Mechatroniker über Programmierer bis zum Altenpfleger. Dabei muss aber auch noch darauf geachtet werden, ob Auszubildende, Fachkräfte oder Spezialisten gesucht werden.

Derzeit hat die Dresdner Ausländerbehörde in ihrer Statistik insgesamt 5 484 anerkannte Geflüchtete. Das ist der aktuell verfügbare Stand von Ende Oktober. 802 Personen sind laut diesen Zahlen sozialversicherungspflichtig beschäftigt. Dazu kommen 3 130 Menschen, die momentan hier leben und als asylsuchend gelten. Von ihnen sind 320 Personen bei der Arbeitsagentur als arbeitssuchend gemeldet. Sie dürften also theoretisch arbeiten.