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Auf Wildschweinjagd

Die Angst vor der Afrikanischen Schweinepest wächst – und stellt die Jäger im Kreis vor eine unlösbare Aufgabe.

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© Steffen Unger

Von Jana Ulbrich

Bautzen. Dort drüben im Unterholz müssen sie stecken. Lothar Jentschel lässt seinen Blick über die Lichtung schweifen. Die ganze Wiese ist umgewühlt. „Die sind hier“, weiß der erfahrene Jäger. Aber ob sie sich auch zeigen? Der 63-Jährige schultert das Gewehr und steigt auf den Ansitz.
Vielleicht hat er Glück.

Lothar Jentschel ist Vorsitzender des Jagdverbandes im Kreis Bautzen. Der Verband hat 300 Mitglieder. Und die haben jetzt eine große Mission: Sie sollen die Mastschweine in den Ställen der Region vor der Afrikanischen Schweinepest bewahren. Als ob das so einfach möglich wäre! Lothar Jentschel schüttelt den Kopf. „Nie und nimmer ist das zu schaffen“, sagt er. Geht es nach dem Vorschlag des Bauernverbandes, dann sollen die Jäger 70 bis 80 Prozent des gesamten Schwarzwildbestandes erlegen. Eine unlösbare Aufgabe.

Man muss sich das nur mal vorstellen: Zwei bis dreimal pro Woche macht sich Lothar Jentschel frühmorgens oder spätabends auf in sein Jagdrevier. Das letzte Wildschwein hat er im November geschossen. Wenn er den Zeitaufwand umrechnet, braucht er im Durchschnitt 20 Stunden für ein Schwein. Reichlich 2 500 Schwarzkittel haben die Jäger im Landkreis in der letzten Saison erlegt, 500 weniger als in der Saison davor – und viel zu wenige, um den Bestand wirklich ernsthaft zu reduzieren. Grob geschätzt tummeln sich 130 000 Wildschweine in Sachsens Wäldern.

„Wildschweine zu schießen ist ohnehin wie ein Kampf gegen Windmühlen“, weiß Lothar Jentschel. Denn selbst wenn ihm – wie vor Kurzem – eine Rotte von mehr als 40 Tieren vor die Flinte läuft, hat er nur einen einzigen Schuss. Ein einziges metallisches Klicken – und die ganze Rotte trollt sich. Schon deshalb ist dieser Auftrag von ganz oben nicht zu erfüllen.

Fast wie beim Schneeballsystem

Und was würde denn passieren, wenn die Jäger im Kreis jetzt tatsächlich viel mehr Schwarzkittel erlegen würden als bisher, fragt der Chef des Jagdverbandes. Schon jetzt wird es für die Jäger immer schwieriger, die Tiere zu vermarkten. Die meisten Aufkäufer für Wildfleisch heben inzwischen die Hände, sagt Lothar Jentschel. „Wenn die Politik will, dass wir mehr Schwarzwild schießen, dann muss sie uns helfen und Bedingungen schaffen“, sagt er. Er schlägt vor, dass zentrale Aufkaufstellen eingerichtet werden, von denen die Jäger einen ordentlichen Kilopreis für das erlegte Wild bekommen. „Es legt sich doch kein Jäger für Nichts und wieder Nichts stundenlang auf die Lauer.“

Ohnehin zahle sich die Jagd finanziell kaum noch aus. Der Landkreis Bautzen erlässt den Jägern jetzt wenigstens die Gebühr von 8,50 Euro pro Schwein für die obligatorische Trichinenprobe. Aber eine Abschussprämie wie im Nachbarkreis Görlitz gibt es im Kreis Bautzen bisher nicht. Der Kreis Görlitz zahlt den Jägern zwischen fünf und zehn Euro pro erlegtem Schwein. Aber am Ende, ist Jentschel überzeugt, wird das Problem auch damit nicht gelöst werden können.

Und auch nicht mit riesigen Wildschweinfallen, die die Landesregierung jetzt genehmigt hat. Solche Fallen lehnt der Verbandsvorsitzende sowieso kategorisch ab. „Das ist doch Massenschlächterei“, sagt er, „absolut unethisch. So etwas machen wir hier nicht mit.“ Lothar Jentschel hat sich auf seinem Hochsitz eingerichtet. „Wildschweine haben eine Reproduktionsrate von 300 Prozent, das ist beinahe wie beim Schneeballsystem“, sagt er. Die riesigen Mais- und Rapsschläge sind für die Tiere ein Schlaraffenland. „Da kommt kein Jäger mehr hinterher.“

Und Lothar Jentschel sieht noch ein ganz anderes Problem: Auf geschützten Flächen, also beispielsweise im gesamten Biosphärenreservat und im riesengroßen Naturschutzgebiet Königsbrücker Heide, ist die Jagd grundsätzlich verboten. „Das werden dann die Horte der Afrikanischen Schweinepest“, sagt Jentschel mit leicht sarkastischem Unterton.

Für ihn ist das geplante Reduzieren der Schwarzwildbestände keine Lösung im Kampf gegen das Schweinepest-Virus. „Der Hauptrisikofaktor ist doch der Mensch, der den Erreger aus Osteuropa mitbringt“, sagt er. Ein unachtsam entsorgtes Wurstbrot im Straßengraben kann theoretisch ausreichen, das Virus zu übertragen. Hier würde Lothar Jentschel ansetzen, wenn es nach ihm ginge.