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Anwalt soll Gerichtsvollzieherin genötigt haben

Sie solle aufpassen, dass sie nicht erschossen werde, wenn sie sein Grundstück betrete, soll er gesagt haben. Er bestreitet das vor Gericht.

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© Symbolbild

Von Jürgen Müller

Meißen. Dass Gerichtsvollzieher einen Job haben, der nicht unbedingt vergnügungs-steuerpflichtig ist, hat sich spätestens herumgesprochen, seitdem in Bärnsdorf ein Gerichtsvollzieher aus Meißen von „Reichsbürgern“ bedroht und festgenommen wurde, als er eine Zwangsvollstreckung vornehmen wollte.

Ganz so schlimm erging es einer seiner Kolleginnen in dem folgenden Fall nicht. Doch ein Anruf versetzte auch sie in Aufruhr. Am 18. Oktober vorigen Jahres klingelt bei ihr das Telefon. Ein ihr gut bekannter, aufgebrachter Mann ist am anderen Ende der Leitung. Gegen ihn liegt ein Erzwingungs-Haftbefehl vor. Das ist übliche Praxis, wenn jemand dem Termin zur Abgabe der Vermögensauskunft unentschuldigt fernbleibt oder er die Abgabe der Auskunft ohne Grund verweigert.

Dann erlässt das Amtsgericht auf Antrag des Gläubigers einen Haftbefehl. Die Haft dient nur dazu, die Abgabe der Vermögensauskunft zu erzwingen. Nach deren Abgabe wird der Schuldner aus der Haft entlassen. Die Haft darf die Dauer von sechs Monaten nicht übersteigen. „Er brüllte ins Telefon, dass er gar nicht daran denke, zu mir ins Büro zu kommen, weil sein Sohn Geburtstag habe. Wenn ich vor seiner Tür stünde, werde er mich abschießen“, berichtet die Frau. Sie erstattete Anzeige.

Sie kennt den Mann schon lange. „Ich war schockiert. Seine Schreiben werden zwar immer verwirrender, er ist präsent und laut, doch gewalttätig war er noch nie“, sagt die Gerichtsvollzieherin. Sie traue sich jetzt nicht mehr ohne Polizei auf sein Grundstück. „Es liegen Schuldtitel gegen ihn vor, da kann ich nichts machen“, sagt sie. Bis heute habe er keine Vermögensauskunft abgegeben. Stimmt nicht, sagt der Verteidiger, dies habe sein Mandant in Zwickau getan. Eine Überprüfung ergibt jedoch, dass das nicht stimmt.

Wegen Versuches der Nötigung sitzt der Mann nun vor dem Meißner Amtsgericht. Vor Gericht kennt er sich aus. Denn der Mann ist Rechtsanwalt. Diesmal braucht er selbst einen Anwalt. Und hat einen guten gefunden, einen früheren Arbeitskollegen, wie er sagt. Der wurde ihm sogar als Pflichtverteidiger zugeordnet. Das passiert sonst nur, wenn es eine Anklage wegen eines Verbrechens gibt oder ein Angeklagter nicht in der Lage ist, sich selbst zu verteidigen. Oder eben auch, wenn durch eine Verurteilung ein Berufsverbot droht. Das ist hier der Fall.

Normalerweise redet der angeklagte Rechtsanwalt viel. Und er will auch diesmal schon zu einem Wortschwall ansetzen. Sein Verteidiger stoppt ihn energisch: „Sei ruhig!“ Außerhalb des Gerichtssaales redet der Mann. Er bestreitet den Vorwurf, die Gerichtsvollzieherin genötigt zu haben. „Was mir vorgeworfen wird, habe ich nicht gesagt“, betont er.

Hintergrund der Sache ist, dass der Angeklagte jemanden öffentlich als Steuerbetrüger bezeichnet hat. Der verklagt ihn daraufhin zivilrechtlich und gewinnt. Der Angeklagte darf ihn nicht mehr öffentlich als Steuerbetrüger bezeichnen, so das Gericht. Dem Mann werden die Verfahrenskosten von 3 800 Euro auferlegt. Doch er weigert sich zu zahlen. „Ich zahle doch nicht für einen Steuerbetrüger“, sagt er.

Der 59-Jährige fühlt sich ohnehin von allen verfolgt, nicht zuletzt von der Justiz. Schon einmal stand er in Meißen vor Gericht wegen Verleumdung und übler Nachrede. In einem Schreiben an die Polizei in Radebeul hatte er einen anderen Anwalt, mit dem er seit Jahren im Rechtsstreit liegt, als Umsatzsteuer- und Werklohnbetrüger bezeichnet. An das Landgericht Dresden schrieb er, dass auf Betreiben des damaligen sächsischen Justizministers Thomas de Maizière eine Meineidsklage gegen besagten Anwalt eingestellt wurde. Tatsächlich gab es eine solche Meineidsklage nie.

Damals wurde der Anwalt freigesprochen. Das Gericht folgte der Gutachterin, dass der Angeklagte für diesen Tatkomplex schuldunfähig sei. Die seelische Belastung der Verfahren hätte seine Steuerungsfähigkeit ausgeschlossen.

Diesmal wird das Verfahren gegen ihn ohne Auflagen eingestellt. Grund ist, dass der Mann in einer Verhandlungspause doch noch eine Vermögensauskunft abgab. Damit sei der Rechtsfrieden wieder hergestellt, begründet die Richterin.