SZ +
Merken

Als der Schlamm im Garten war

Oderwitz wurde im Juni 2013 zweimal von Unwettern heimgesucht. Neben Hochwasser des Landwassers hatten die Einwohner dabei auch mit Erde umliegender Felder zu kämpfen. Fünf Jahre später hat sich im Ort viel getan.

Teilen
Folgen
NEU!
© Mario Heinke

Von Mario Sefrin

Oderwitz. Diesen 21. Juni 2013 werden Frank Schreiber und seine Familie aus Oderwitz wohl nie mehr vergessen. Gemeinsam haben sie an jenem Sonntag vor fünf Jahren auf ihrem Grundstück an der Hauptstraße gestanden, um Schlamm wegzuschaufeln, der sich im Garten und im Keller ihres Wohnhauses breitgemacht hatte. Der Schlamm war nach heftigem Regen vom benachbarten Spitzberg aus ins Dorf gespült worden. „Bis zu 40 Zentimeter stand der Schlamm in unserem Keller“, erinnert sich Frank Schreiber. Trotzdem ist er damals glimpflich davongekommen: „Unsere Kellerräume waren leer, da ist der Schaden nicht sehr groß gewesen“, sagt der Oderwitzer. Er weiß, dass es andere im Dorf damals viel schlimmer erwischt hat. „Da hat es große Schäden gegeben. Bei meinem Nachbarn hat es zum Beispiel die Heizungsanlage erwischt“, erzählt Schreiber.

Auch Alexander Pollier kann sich noch gut an die Ereignisse im Juni vor fünf Jahren erinnern. Besonders an das Unwetter am 9. Juni 2013 – denn Oderwitz war in jenem Sommermonat vor fünf Jahren in kurzer Zeit gleich zweimal von heftigen Unwettern getroffen worden. „Ich habe den Gewitterstreifen, der sich später über Oderwitz legte, vom Kottmar her aufziehen sehen“, sagt Pollier, Mitarbeiter der Gemeindeverwaltung und Gemeindewehrleiter der Oderwitzer Feuerwehr. Der mit dem Gewitter einhergehende Hagel und Starkregen hat den Ort weitaus stärker getroffen als das Hochwasser im Jahr 2010, das andernorts für schwere Schäden sorgte. Der Pegel des Landwassers schnellte am 9. Juni 2013 von 13 auf 14 Uhr zunächst von 29 auf 61 Zentimeter und stieg bis 15.30 Uhr bis auf den Spitzenwert von 2,15 Meter an – Alarmstufe vier. Zugleich wälzte sich eine Schlammlawine vom Spitzberg in den Ort – und überzog dort Grundstücke, Straßen und Plätze mit einer dicken Schlammschicht. „Der Schlamm war auch eine Woche später noch nicht überall entfernt“, erinnert sich Alexander Pollier.

Oderwitz ist auch in den Jahren zuvor – 2010, 2011 und 2012 – lokal von Hochwasser betroffen gewesen, sagt Alexander Pollier. Doch erst die beiden Unwetter im Juni 2013 seien für die Gemeinde große Herausforderungen gewesen. 160 Einsatzkräfte von Feuerwehren und Rettungskräften waren am 9. Juni 2013 in der Landwasser-Gemeinde unterwegs, erinnert sich Pollier. Erstmals kamen damals auch die nach dem Hochwasser 2002 in Sachsen aufgestellten Notfallpläne zu Hilfe, sagt Bürgermeisterin Adelheid Engel heute. „Solche Pläne, in denen unter anderem die Telefonnummern von Verantwortlichen und wichtigen Ansprechpartnern sowie Hinweise zu den einzelnen Hochwasserstufen stehen, mussten die sächsischen Gemeinden nach dem Hochwasser 2002 erstellen“, sagt die Bürgermeisterin. In Oderwitz ist es dabei nicht geblieben: „Wir haben mittlerweile eine eigene Whatsapp-Gruppe gegründet, in der alle Verantwortlichen aktuelle Meldungen mitlesen können“, sagt Adelheid Engel.

Daneben wurden in den vergangenen Jahren die Bedingungen der Einsatzkräfte und des Katastrophenschutzes in der Gemeinde verbessert. So wurde die Feuerwehr mit neuen Pumpen, Schlauchbooten und Schwimmwesten ausgerüstet, auch der Bauhof bekam Pumpen, die Fahrzeuglogistik wurde verbessert. „Und wir haben eine Übersicht erstellt, welche Stellen in der Gemeinde zuerst betroffen sind, um im Notfall zielgerichteter handeln zu können“, sagt Bürgermeisterin Adelheid Engel. Daneben gibt es mit der Gemeinde Kottmar einen Austausch über die Pegelstände des Landwassers in Eibau. „Das kommt dann etwa eine halbe Stunde später bei uns an“, so Adelheid Engel.

Die Schäden der beiden Unwetter vom Juni 2013 sind in Oderwitz noch nicht behoben. „Bislang sind rund 2,74 Millionen Euro verbaut“, sagt der Oderwitzer Bauamtsleiter Christian Wirrig. Knapp zwei Millionen Euro sollen bis zum 30. Juni 2019 dazukommen. Bis zu diesem Stichtag müssen sämtliche Maßnahmen der kommunalen Hochwasserschadens-Beseitigung abgeschlossen sein. Die Schäden des Hochwassers 2013 können dank 100-prozentiger Förderung behoben werden, ohne Eigenmittel der Gemeinden. Gebaut wird vor allem an Stützmauern, Böschungen, Gräben und Brücken – von denen Oderwitz allein 60 im Gemeindegebiet gehören. Dazu kommen noch einige im Privat- sowie in Staatsbesitz. Zu den privaten Schäden von Hochwasseropfern in Oderwitz liegen der Gemeinde keine Angaben vor.

Auch gegen den Schlamm, der sich 2013 vom Spitzberg durch den Ort wälzte, hat die Gemeinde etwas unternommen. „Zum einen wurde mit einem Vorflutgraben die Ableitung des Wassers vom Spitzberg in Richtung Landwasser verbessert, zum anderen haben wir mit der Agrargenossenschaft gesprochen, die die Felder bewirtschaftet“, sagt die Bürgermeisterin. Zwei Ergebnisse: Der Spitzberg wird nun nicht mehr bis an die Ortsgrenzen heran bewirtschaftet, außerdem soll hier künftig kein Mais mehr angebaut werden, da diese Pflanzen Schlammlawinen wenig Widerstand bieten. Adelheid Engel freut sich darüber: „Das sind vernünftige Ansätze.“

Dass etwas passiert ist am Spitzberg, ist auch Frank Schreiber nicht entgangen: „Da ist viel gemacht worden in der gesamten Gemeinde.“ Adelheid Engel sieht aber noch kein Ende gekommen. „Wir müssen in Zukunft nach weiteren Möglichkeiten suchen, um Starkregenereignisse abzufangen“, sagt die Bürgermeisterin.