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Allergiker brauchen Stress-Strategien

Die Dresdner Psychologin Angelika Buske-Kirschbaum gibt Tipps zum Umgang mit Heuschnupfen und Allergien.

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© Christian Juppe

Von Kay Haufe

Frau Buske-Kirschbaum, sind Sie selbst Allergikerin?

Ich habe als Kind leicht unter Neurodermitis gelitten. Immer wieder schuppende, juckende Haut. Ich habe gemerkt, dass sich meine Haut drastisch verschlechtert hat, wenn ich gestresst war, etwa bei Prüfungen. So ist das Interesse am Zusammenhang von Stress und Allergien entstanden.

Greifen wir den Heuschnupfen-Patienten heraus. Was passiert, wenn er mit den Pollen in Berührung kommt?

Während der Pollenzeit haben wir eine hohe Dichte an Gräser- und Blütenpollen. Das Immunsystem des Allergikers reagiert darauf ganz besonders. Immunzellen schütten Moleküle aus, die die bekannten allergischen Symptome wie juckende und tränende Augen auslösen.

Was passiert dabei im Inneren?

Diese Moleküle können auch die Blut-Hirn-Schranke überwinden und Prozesse im Gehirn verändern. Ähnlich wie bei einem Infekt möchte das Immunsystem unser Verhalten so steuern, dass wir den Abwehrprozess nicht verhindern. Diese Moleküle versetzen uns in eine leicht depressive, lustlose Stimmung, in der wir zu Hause bleiben. Das hat aber nicht nur die positive Seite, dass wir uns schonen. Gedächtnis und Aufmerksamkeit leiden, wir fühlen uns müde. Einige Forscher vergleichen diesen Zustand mit dem, den man bei Personen mit einem Alkoholspiegel von 0,5 Promille beobachten kann.

Was hat das für Folgen?

Das ist durchaus bedenklich für den Alltag, zum Beispiel für das Autofahren. In Skandinavien wird sogar überlegt, die Prüfungssaison in eine andere Jahreszeit zu verschieben, weil Kinder mit Allergien in der Pollenzeit weniger leistungsfähig sind.

Welchen Einfluss hat Stress auf Allergiker?

Bei vielen Menschen verschärft sich die allergische Symptomatik unter Stress, das ist lange bekannt. Aber jeder empfindet Stress unterschiedlich. Betroffene müssen selbst herausfinden, welche Situationen für sie Stress sind und möglicherweise die Allergie verschlimmern. Einige können besser mit Stress umgehen, als andere. Menschen, die gut mit Stress klarkommen, sehen eine Situation eher als Herausforderung und weniger als Bedrohung. Beide Stresstypen schütten Hormone aus, die sich unterscheiden. Wenn wir Blutproben beider Stress-Typen in einer stressigen Situation untersuchen, ergeben sich völlig andere „Hormoncocktails“. Die Frage für den Allergiker ist also: Wie bewerte ich meine Stress-Situation? Und wichtig ist immer die Einsicht: Ich kann die Situation jetzt nicht ändern, aber die Art und Weise, wie ich sie bewerte und ich kann dann anders an sie herangehen.

Können Betroffene bestimmte Strategien gegen den Stress trainieren?

. Allergiker sollten ihr Bewusstsein schulen, welche Faktoren bei ihnen Stress auslösen und welche davon die Allergie verschlimmern. Es ist nicht immer möglich, diese Situationen ganz zu vermeiden, deshalb ist individuelles Stressmanagement wichtig. Der eine schafft das mit Joggen an der Elbe, der andere mit langen Spaziergängen in der Natur. Ein gutes Mittel ist Tagebuch schreiben. Der Patient lässt seinen Tag und verschiedene Situationen Revue passieren. Das strukturiert, lässt eine Neubewertung des Erlebten zu und hat einen therapeutischen Effekt.

Was sollten Allergiker meiden?

Erste Regel: Gehe deinen Allergenen aus dem Weg! Außerdem sollte Schlafmangel vermieden werden. Allergiker schlafen oft schlechter, das verschärft die Symptome. Sie sollten alles tun, um trotzdem genug zu schlafen, besser früher ins Bett gehen oder einen Mittagsschlaf machen.

Wie erforschen Sie den Stress und
seinen Einfluss auf Allergien?

Wir laden Patienten ein und führen eine Art Bewerbungsgespräch durch, was für viele eine Stresssituation ist. Das führt zu einer Stress-Reaktion: Die Hormone Cortisol und Adrenalin steigen, die Personen zeigen typsche Reaktionen wie Schwitzen oder Herzklopfen, wir messen die Stresshormone. Dann schauen wir, ob das Neurodermitis-Kind oder der Asthma-Patient einen Tag später stärkere Symptome aufweisen. Wir wollen die Mechanismen verstehen, um den Patienten Rüstzeug mitzugeben: Wie kann ich meinen Stress verändern und meinen Schub damit abmildern oder verhindern?

Was hat Ihnen gegen die Neurodermitis geholfen?

Ich habe genau analysiert, welche Faktoren bei mir Stress auslösen. Dann habe ich überlegt: Wie schaffe ich mir Oasen gegen den Stress? Die Wissenschaft kann bei der Antwort helfen: Soziale Unterstützung ist eine Wunderwaffe gegen Stress. Wenn Patienten in einem guten, sozialen Netzwerk eingebunden sind, hat Stress gleich viel weniger negative Auswirkungen. Es braucht Menschen, die zuhören, die sich Zeit nehmen, mit denen man regelmäßig etwas unternimmt. Auch Yoga, Sport oder Meditation können gegen den Stress helfen.

Gab es Allergien schon immer?

In den letzten 40 Jahren haben sie stark zugenommen. So schnell verändert sich der Gen-Pool nicht, es muss andere Gründe geben. Die Hygiene-Hypothese ist vielleicht eine sehr gute Erklärung. Bestimmte Helferzellen des Menschen reifen durch den Kontakt mit Bakterien und anderen Erregern. Durch massive Hygiene – jeder Schnuller wird sterilisiert – wird das Immunsystem nicht ausreichend stimuliert. Im Osten gab es bis vor etwa 15 Jahren deutlich weniger Allergiker als im Westen. Inzwischen sind die Zahlen ähnlich.

Wie kommt das?

Die Kinder der ehemaligen DDR sind – im medizinischen Sinne – vielleicht nicht so hygienisch aufgewachsen. Sie waren früh in Krippen mit anderen Kindern und waren damit vielen Keimen ausgesetzt. Sie haben draußen gespielt, im Dreck gewühlt. Das Immunsystem wurde dadurch gestärkt. Im Westen sind dagegen mehr Mütter zu Hause geblieben, es gab weniger Kontakt zu anderen Kindern. Inzwischen haben sich die Lebensverhältnisse angeglichen.

Ist das ein Tipp, die Kinder von klein auf vieles anfassen zu lassen?

Ja, die sollen ruhig mit Schlamm spielen und möglichst auch mit Haustieren in Berührung kommen. Doch wir wissen auch, dass auch Umweltverschmutzung, Rußpartikel, und Lebensmittel-Zusätze bei Allergien eine Rolle zu spielen scheinen.

Das Gespräch führten Franziska Klemenz und Kay Haufe.