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Ärger über den „Anti-Fußball“

Die Belgier schimpfen nach ihrer Niederlage im Halbfinale über den Spielstil der Franzosen.

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© dpa/Dirk Waem

Von Miriam Schmidt und Jana Lange

Enttäuscht schlich Kevin De Bruyne in Richtung Haupttribüne, wo Freundin Michelle und Sohn Mason Milian schon warteten. Nach der schmerzhaften 0:1-Niederlage gegen Frankreich und dem geplatzten WM-Traum bekam Belgiens Fußball-Nationalspieler erst einmal Trost von seiner Familie. „Wir sind enttäuscht, aber wir haben uns nicht vorzuwerfen“, sagte der frühere Bundesliga-Profi, der im Halbfinale in St. Petersburg seine schlechteste Leistung bei dem Turnier ablieferte. Auch deshalb endete der belgische Titeltraum, die talentierte Generation muss weiter auf die Krönung warten.

Dabei waren die Roten Teufel dieses Mal so nah dran wie lange nicht mehr. Erstmals seit 1986 standen sie im Halbfinale, doch wie schon vor 32 Jahren bleibt nur das Spiel um Platz drei. „Die Enttäuschung ist sehr groß. Wir sind alle sehr traurig, unser einziger Gedanke war es, ins Finale zu kommen“, sagte Trainer Roberto Martinez. „Ich hätte gerne das Finale gespielt“, gab De Bruyne zu. „Es ist frustrierend. Sie waren nicht besser als wir. Und am Ende verlierst du wegen einer Standardsituation“, sagte Thibaut Courtois.

Dieser Tiefschlag tat so teuflisch weh, der belgische Torwart musste seinem Ärger Luft machen. „Sie spielen nur Anti-Fußball“, schimpfte er, „da wäre ich lieber gegen Brasilien rausgeflogen. Die wollten wenigstens Fußball spielen.“ Kapitän Eden Hazard trat ebenfalls nach: „Wir hätten mehr verdient. Aber ich verliere lieber mit Belgien, als wie dieses Frankreich zu gewinnen.“ Die destruktive Spielweise der Equipe Tricolore, gerade nach der Führung durch Samuel Umtiti, stieß dem Verlierer bitter auf. Hazard war sich sicher: „Wenn wir zuerst treffen, gewinnen wir das Spiel.“ Doch auch der begnadete Dribbelkünstler vom FC Chelsea musste zugeben, dass dieser „kleine magische Moment“, der das Spiel hätte wenden können, eben an diesem Abend gefehlt hatte.

Dennoch sind die Belgier stolz auf ihre Leistung und das wohl bisher beste Turnier der goldenen Generation um De Bruyne. „Wir haben gut gespielt bei dieser WM, ich persönlich auch“, sagte der 27-Jährige. „Ich denke, dass die WM ein Schritt nach vorne war.“ Abwehrchef Vincent Kompany lobte die Mannschaft trotz der nicht überzeugenden Leistung im Halbfinale: „Wir haben immer Leidenschaft gezeigt, deshalb können wir trotzdem stolz sein.“

Und auch die Menschen in der Heimat feierten ihr Team. „Die Teufel können das Turnier erhobenen Kopfes verlassen“, urteilte der Sender RTBF. „Makellos in der Gruppenphase, großartig im Achtelfinale gegen Japan, heroisch gegen Brasilien, haben sie es uns erlaubt, unvergessliche Emotionen zu leben.“ Die Zeitung La Libre schrieb: „Einen Monat lang haben die Teufel Belgien weit über ihre Anhänger hinaus begeistert. Ihre Heldentaten haben das ganze Land mitgerissen.“

Nun wollen sie die WM am Samstag im Spiel um Platz drei zu einem für sie versöhnlichen Abschluss bringen. „Dritter bei einer WM werden zu können, das passiert nicht so oft. Belgien hatte nur 1986 die Chance und wurde Vierter“, sagte Martinez. Danach bleibt die Hoffnung auf die nächsten Turniere, mindestens eine weitere Chance auf die Krönung sollte die goldene Generation noch bekommen. „Wir müssen versuchen, von Turnier zu Turnier stärker zu werden. Belgien hat eine Fülle junger Talente“, sagte der Spanier Martinez, der weitermachen will. (dpa, sid)