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186 Hilferufe an einem Tag

Das Team des Coswiger Forstbetriebs Handschuh ist gerade sehr gefragt. Seit dem Sturmtief Friederike arbeiten sie nonstop. Kein Ende ist in Sicht.

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© Arvid Müller

Von Beate Erler

Coswig. Schon von Weitem ist der Lärm der Kettensägen zu hören. Vor dem Grundstück auf dem Steinbacher Weg in Coswig steht der grüne VW-Transporter des Forstbetriebs Handschuh. Noch ist der Anhänger leer, auf dem Armaturenbrett im Auto liegen Mützen und Handschuhe. Seit früh um sieben sind die Mitarbeiter schon wieder unterwegs. Weil Friederike vor mehr als drei Wochen alles andere als friedlich über die Region hinweggefegt ist, bleibt dem Coswiger Forstbetrieb keine ruhige Minute mehr.

Geht Chef Markus Handschuh an sein Handy, hat er meist keine Zeit. Entweder sitzt er gerade in einem Kran und versucht, einen ins Haus gefallenen Baum hinauszubugsieren, oder er ist auf irgendeiner Autobahn zum nächsten Einsatz unterwegs. „Wir sind total überlastet“, sagt er, „gefühlt haben wir noch bis Ende des Jahres mit den Sturmschäden zu tun.“

Auf dem Grundstück im Steinbacher Weg sind sie heute schon zum zweiten Mal. Vor zwei Wochen haben sie erst einmal nur die Bäume weggeräumt, die der Sturm schon umgeschmissen hatte. Heute fällen sie hier mehrere Bäume, die umzukippen drohen. Die drei Männer und eine Frau haben festes Schuhwerk an und tragen einen Helm mit Sichtschutz und Ohrenschützern. Markus Handschuh zieht eine kleine Tanne hinter sich her. Anschließend wird sie zersägt und im Schredder zerkleinert.

Das Familienunternehmen ist sonst vor allem in Dresden, Coswig, dem Forstbereich Moritzburg und im Rest von Ostsachsen unterwegs. Sie erledigen Spezialbaumfällungen mit Seilklettertechnik, Forstarbeiten und Kaminholzbeschaffung. Seit dem Sturmtief muss der normale Betrieb aber warten. Die vier Mitarbeiter sind seitdem von Montag bis Samstag von früh bis abends vor allem in Coswig und Weinböhla im Einsatz.

Besonders den Steinbacher Weg, wo der Forstbetrieb auch seinen Sitz hat, und sonst vor allem schöne Einfamilienhäuser stehen, trifft es immer besonders heftig, sagt Markus Handschuh. Der Orkan Kyrill, der auf den Tag genau auch am 18. Januar im Jahr 2007 über das Land zog, hatte auf dem Steinbacher Weg ebenfalls viele Schäden angerichtet. „Wir waren auch die letzten Tage hier auf jedem zweiten Grundstück“, sagt der Forstwirt, „der Sturm sucht sich immer dieselbe Schneise.“

Doch die Leute müssen Geduld haben. Die Wartezeit beträgt derzeit ungefähr drei bis vier Wochen. Der Forstbetrieb muss Prioritäten setzen und das waren die letzten Wochen vor allem die Fälle, in denen Bäume in Häusern steckten. In Weinböhla war es eine serbische Fichte und in Moritzburg mussten sie den Baum mit einem Kran aus dem Haus heben. Das war der bisher schwierigste Einsatz, sagt Handschuh.

Ein paar Häuser weiter gibt es noch weitere Überreste von Friederike: Eine Tanne ist quer über einen Zaun gefallen, unweit davon haben die Anwohner einen Baum bis zur Fällung mit Spanngurten gesichert. „Die Leute haben Angst, dass die Bäume umkippen und ihnen ihre Häuser ruinieren“, so der Exper. Am ersten Tag nach dem Sturm bekam er 186 Anrufe. „Die Leute haben nicht mehr nur angerufen, sie haben terrorisiert“, sagt er und lacht. Die meisten hätten aber Verständnis, dass nicht alles von heute auf morgen behoben werden kann.

Das Holz, das bei den Fällarbeiten zusammenkommt, bleibt zum Großteil bei den Kunden. Die Hackschnitzel aus Ästen gehen an die regionalen Reiterhöfe und Gärtnereien und die von besonders guter Qualität werden den Kindergärten für Spielplätze zur Verfügung gestellt. Einen kleinen Teil des Holzes verkauft der Forstbetrieb weiter. Für ihn ist so ein Sturmtief ein Gewinn, denn die Auftragsbücher sind knackevoll.

Bisher haben sie ausschließlich die Privatgrundstücke beräumt und werden damit noch bis mindestens Anfang März beschäftigt sein, sagt Markus Handschuh. Dann geht es in die staatlichen Flächen, in die Wälder und Waldwege, wo die Schäden noch gar nicht alle aufgenommen sind. Für den Rest des Freitagseinsatzes stehen noch zwei Vorhaben an. Auf der Hohensteinstraße in Coswig muss Markus Handschuh auf einem Baum 30 Meter in die Höhe klettern. Danach fährt das Team weiter nach Meißen.