Merken

Wölfe im Rabenauer Grund?

Ein Freitaler fand ein Reh ohne Kopf am Wanderweg. Er denkt an den Wolf, der Revierförster hat einen anderen Verdacht.

Teilen
Folgen
© picture alliance / dpa

Von Annett Heyse

Freital. Es war am Sonntag vor einer Woche, als Rainer Paduch sich mal wieder auf seine Nordic-Walking-Runde begab. Wie üblich lief er von Hainsberg aus in den Rabenauer Grund. „Da sieht man ja früh am Morgen so einiges, aber das hatte ich nicht erwartet“, berichtet er im Nachhinein. Denn als er auf halber Strecke zwischen der Artur-Lohse-Brücke und den Villen nahe der Rabenauer Mühle war, entdeckte er dort ein totes Reh. Das Tier lag direkt am Wanderweg, war aufgebrochen, Rippenstücke hingen heraus. Der komplette Kopf fehlte.

Paduch schüttelte sich, machte ein paar Fotos und setzte seinen Weg fort. Gleich bei den Villen traf der Freitaler einen Anwohner, der informierte daraufhin den zuständigen Jäger. Kurze Zeit darauf war das verendete Tier weggeräumt – man wollte den Sonntagsausflüglern den Anblick ersparen. Doch Paduch lässt die Sache nicht in Ruhe. „War es ein Wolf, der das Tier gefangen und dort gefressen hat?“, fragt er.

Fakt ist, der Graupelz hat sich in den vergangenen Jahren von den ruhigen Gebieten der Lausitz immer weiter ausgebreitet und die Grenzen der Landeshauptstadt längst erreicht. Kürzlich wurde ein Tier auf einer Straße in der Dresdner Heide totgefahren. Auch zwischen Freital und Zinnwald wurde der Räuber mehrmals gesichtet. Berichte von Wölfen gab es in den vergangenen Jahren immer mal wieder aus Klingenberg, wo vereinzelt solche Tiere gesichtet wurden. Auch Anwohner aus dem Wilsdruffer Ortsteil Grund erzählten davon, Wölfe am Rande des Tharandter Waldes bemerkt zu haben.

Tummelplatz für Ausflügler

Definitiv waren Wölfe im Osterzgebirge unterwegs. Dort tappte im Frühjahr 2017 ein Wolf in eine Fotofalle bei Altenberg. Vor vier Jahren hielt sich ein Wolf ein paar Tage lang in der Umgebung von Obercarsdorf auf und riss dort nachweislich auch mehrere Schafe. Aber der Rabenauer Grund? Dessen Wanderweg ist quasi die Waldautobahn der Region. Hier tummeln sich täglich Spaziergänger, Radfahrer, Jogger. Kinder spielen in der Weißeritz, Hundehalter führen ihre Lieblinge aus. Und mehrmals am Tag dampft die Kleinbahn durch das Tal. Sollte sich tatsächlich ein Wolf, der als menschenscheu gilt, ausgerechnet hierher vorgewagt haben, wenn auch wahrscheinlich mitten in der Nacht?

„Alles Käse“, sagt Revierförster Dirk Junkuhn. Festzustellen, wer am Reh geknabbert hat, sei im Nachhinein unmöglich. Ein Wolf ist es aus seiner Sicht keinesfalls gewesen. „Der frisst doch nicht die Schädelknochen und lässt das saftige Fleisch liegen“, sagt der Forstmann. Das bestätigen auch die Experten vom Kontaktbüro Wölfe in Sachsen in der Lausitz. „Das Fehlen des Kopfes ist kein typisches Merkmal für einen Wolfsriss, sondern deutet auf einen Fuchs als Nachnutzer hin“, sagt Mitarbeiterin Jana Endel. Genaueres könne man ohne eine Dokumentation zu dem Fall nicht sagen. Im Übrigen werde nicht bei jedem gerissenen Tier eine Untersuchung angestellt. Endel: „Die Untersuchung von totem Wild in Bezug auf einen möglichen Wolfsriss obliegt der Jägerschaft. Der Landesjagdverband hat dazu die Jäger geschult.“

Aber wo ist der Rehkopf geblieben und wie kam das Reh zu Tode? Starb es am Wanderweg? Oder woanders? Und falls ja, wer schleppte den Kadaver in den Rabenauer Grund? Förster Junkuhn will sich eigentlich nicht an Spekulationen beteiligen. Er äußert dann aber doch noch einen Verdacht. „Es könnte auch jemand gewesen sein, der das Reh, wo und wie auch immer, aufgetrieben hat und es auf den Schädel mit dem Gehörn abgesehen hatte.“ Ein Trophäenjäger also? Junkuhn möchte die Sache nicht weiter kommentieren. „Das Reh wurde vom Jäger abgeholt und entsorgt. Die Sache ist damit für mich erledigt und ein Wolf war es nicht.“

Rainer Paduch ist sich da nicht so sicher. Er habe nochmals mit einem Anwohner aus dem Rabenauer Grund gesprochen. „Der hat mir erzählt, dass er auf dem Kamm des Grundes schon Wölfe gesehen hat.“ Möglich wäre es – die Rückkehr von Isegrim ist so oder so nicht mehr aufzuhalten. Auch die Täler und Berge, die Wälder und Felsen zwischen Freital und dem Erzgebirgskamm werden möglicherweise bald seine dauerhafte Heimat sein. Die Behörden sind zumindest darauf eingestellt: Schon seit 2011 ist das Osterzgebirge einschließlich des Tharandter Waldes sogenanntes Wolfserwartungsgebiet.