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Willkommen bei den Hauptmanns

Die Pirnaer Stephanie und Robert Körner sind Hauptleute der Bundeswehr. Sie kümmert sich in Dresden um den Nachwuchs.

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© Daniel Schäfer

Von Jörg Stock

Man kennt das von den alten Herren: Ihre Frauen nennen sie den „Feldwebel“ oder den „General“. Die Körners in Pirna sind mit Anfang, Mitte Dreißig entschieden zu jung für Altherrenwitze. Aber wer gibt den Ton an, wenn der Mann Hauptmann war und die Frau Hauptmann ist? Stephanie Körner überlegt. Schwer zu sagen. „Es ist ein Geben und Nehmen.“ Beim Autofahren jedenfalls überlässt sie gern Robert das Kommando. Dabei hat sie sogar die Fahrerlaubnis für den Schützenpanzer. Falsche Bescheidenheit? Sie lacht. Klar könnte sie ein Auto fahren wie einen Panzer, sagt sie. „Aber Autos sind nicht so stabil.“

Menschen in Kampfmontur sieht man selten auf den Straßen. In Pirna dürfte Stephanie Körner so ziemlich die einzige Person sein, die in Uniform aus dem Haus geht. Es ist praktisch, sagt sie, zum Dienstbeginn gleich die Arbeitskleidung anzuhaben. Sie trägt sie mit Stolz. Nur manchmal, wenn sie nach Feierabend noch irgendwo anhalten muss, zum Einkaufen oder so, ist ihr das Tarnmuster nicht so recht. Dann spürt sie die Blicke, spürt, dass ihre Uniform nicht so geachtet ist wie andere Uniformen, etwa die der Polizei. Dann betrachtet sie den Feldanzug als ein Stück Öffentlichkeitsarbeit. „Die Leute sollen wissen: Es gibt noch Soldaten unter uns.“

Stephanie Körner lebt mit ihrem Mann und zwei Kindern in einem alten Bürgerhaus im Herzen von Pirna. Alteingesessene kennen den Ort noch als volkstümliche Schenke „Zum Gambrinus“. Heute steht „Campus Körner“ an der Fassade. Nach seinem Abschied von der Bundeswehr hat der Hauptmann der Reserve und Diplom-Pädagoge Robert Körner hier einen Schulungsort etabliert. Er bringt Leuten bei, die Mimik ihrer Mitmenschen zu deuten und mit diesem Wissen schnell und zielsicher Kontakt zu finden. Im Seminarraum hängen viele Gesichter, die Basis-Emotionen. Auch Gesichter von Stephanie sind dabei – ein zorniges, ein trauriges, ein sich ekelndes. Überhaupt nicht repräsentativ, findet sie. Ihr liebster Gesichtsausdruck ist das Lachen. Und das kann anstecken.

„Ich gehe positiv auf die Menschen zu“, sagt Stephanie Körner. Sicher ein Grund dafür, wieso sie diesen Sommer Chefin des Bundeswehr-Karrierebüros in Dresden geworden ist. Ihr kleines Team sucht Nachwuchs für die Truppe, in der Landeshauptstadt und drum herum, im Osterzgebirge, in der Sächsischen Schweiz, in der Meißner Gegend. Knapp 500 Freiwillige gewinnt das Büro jedes Jahr. Während ihre Mitarbeiter Beratungstermine mit Interessenten abarbeiten, reist Frau Hauptmann Körner über die Jobmessen und durch die Klassenzimmer. Sie mag den Kontakt mit den Jugendlichen, sagt sie, auch mit solchen, die Soldat sein doof finden. Sie will ihnen zeigen, dass der Job viele gute Seiten hat, mit sich selbst als bestem Beispiel.

Wohl behütet wuchs Stephanie Körner auf, in einer Kleinstadt im Münsterland. Als Schülerin war sie eher schüchtern, bekam kaum den Mund auf. Nach dem Abi wollte sie studieren – Geschichte, Pädagogik, vielleicht Sport. Finanzieren konnten ihre Eltern das nicht. Der Vater brachte die Bundeswehr ins Spiel. Also ging Stephanie zum Beratungsgespräch in die nächste Kaserne, bangen Herzens, wie sie sagt, denn die Institution flößte ihr Ehrfurcht ein. Aber bewerben, das wusste sie, musste sie sich sowieso, ob nun hier oder anderswo. Noch im Beratungsbüro füllte sie die Unterlagen als Offizierbewerberin aus.

Der Anfang war nicht leicht. Stephanie Körner wurde „Grenni“, Panzergrenadier, so ziemlich das Rustikalste, was es bei der Truppe gibt: viel Laufarbeit, viel Gepäck, viel Bodenkontakt. Tritt nie auf einen grünen Stein, es könnte auch ein Grenni sein, witzeln andere Waffengattungen. Die junge Frau gibt zu, nur eine vage Vorstellung von dem gehabt zu haben, was sie bei der gepanzerten Infanterie erwarten würde. Sie musste sich zusammenreißen, sagt sie, musste bissig sein. „Das kann man lernen.“

Heute hat die Bundeswehr 21 000 Soldatinnen, etwa zwölf Prozent der Truppenstärke. Der Anteil steigt stetig, sagt Stephanie Körner, „glücklicherweise“. Sie findet es mittlerweile ganz normal, wenn Frauen, genau wie in der Wirtschaft, auch in der Armee Führungsposten übernehmen. Freilich, man muss sich beweisen. Sie musste das auch, den altgedienten Feldwebeln zeigen, dass sie körperlich und fachlich was drauf hat. Nur wer sich Respekt verschafft, sagt sie, wird ein Team hinter sich bringen. Trotzdem hat nicht jeder etwas anfangen können mit ihr, überhaupt mit Frauen beim Bund. Stephanie Körner macht darum kein Aufhebens: „Wo viele Menschen zusammenkommen, gibt es Reibung.“

Die Armee hat das schüchterne Mädchen aus dem Münsterland komplett verändert. Stephanie Körner hat gelernt, Ansagen zu machen, Entscheidungen zu treffen und Verantwortung zu übernehmen, für viele andere. Und das nicht unbedingt im Kasernenhofton. Der Offizier muss wissen, wie man auf Menschen zugeht, wie man sie abholt, sagt sie. „Für mich war die Ausbildung sehr persönlichkeitsfördernd.“

Menschen abzuholen ist nun ihr täglich Brot als Werberin für den Waffendienst. Manchmal sogar im wörtlichen Sinne. Neulich hat sie einen ganzen Schwung Schüler vom Freitaler BSZ „Otto Lilienthal“ abgeholt und zu den Fliegerhorsten nach Holzdorf und Rostock-Laage mitgenommen, auf Truppenbesuch. Zählbares bringen solche Ausflüge zwar nicht unbedingt. Immerhin stellen sie Fühlung her zur sonst weitgehend unsichtbaren Truppe. Und vielleicht kommen ein, zwei von den „Lilienthalern“ irgendwann zurück, sagt sie, „wenn wir Glück haben als Pilot“.

Die Gefahr, im Einsatz Gesundheit und Leben zu verlieren, spielt bei ihren Vorträgen immer eine Rolle, sagt Hauptmann Körner. Schon deshalb, um sich nicht dem Vorwurf des Rattenfängertums auszusetzen. Geworben wird freilich mit den positiven Botschaften. „Mach, was wirklich zählt“, steht auf allen Werbebannern. Was heißt das? Es heißt, sagt Frau Körner, dass die Bundeswehr selbstbewusst ihre Aufgaben erfüllt, Verteidigung der Menschen- und Grundrechte zum Beispiel, inklusive Meinungsfreiheit. „Wir kämpfen auch dafür, dass man gegen uns sein darf“, sagt sie. Jeder einzelne Soldat leistet dafür seinen Beitrag. „Und das zählt.“