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Warum drei Sidos am 1. Januar Geburtstag haben

Die Flüchtlingsfamilie aus Syrien ist kein Einzelfall. Tolle Familienplanung? Zufall? Schummelei?

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© dpa

Von Olaf Kittel

Rozan Sido ist stolz auf seine neuen Papiere, die er dieser Tage zugestellt bekam. Einen Ausweis und einen Reisepass, er hat ja jetzt eine dreijährige Aufenthaltserlaubnis. In den Papieren ist als Geburtsdatum der 1. Januar vermerkt.

Auch sein Sohn Kamal bekam seine Ausweise. Auch er ist am 1. Januar geboren. Und Mutter Roshan, die noch auf ihre Papiere warten muss, weil sie zum Zeitpunkt der Einreise nach Deutschland keine 18 war, hat ebenfalls am 1. Januar Geburtstag. Wie geht das denn?

Sehr einfach ist das bei Kamal. „Er ist wirklich am 1. Januar geboren. Das kommt bei uns auch mal vor“, erklärt seine Mutter. Sein Vater muss dagegen überlegen, an welchem Tag er wirklich geboren wurde. „Es muss vier oder fünf Tage vorher gewesen sein, also Ende Dezember.“ So richtig bewegt ihn das nicht, Geburtstage haben in seinem Kulturkreis keine große Bedeutung.

Erst hier in Deutschland spielen Ausweise und Geburtsurkunden eine wichtige Rolle. Er weiß das inzwischen und ist froh, seine alten Ausweispapiere aus Syrien zurückzuhaben. Lange Zeit waren sie verschwunden, er war beschuldigt worden, ohne Papiere eingereist zu sein. Dabei waren sie ihm nach der Flucht hier abgenommen worden und dann in Behördenschränken spurlos verschwunden. Jetzt hat alles seine Ordnung – so mag es Rozan Sido, der da sehr deutsch denkt. Und der 1. Januar ist als Geburtstag amtlich bestätigt.

Warum haben denn aber so viele Syrer gerade am 1. Januar Geburtstag? Roshan erklärt es: In ihrer Heimat kommen die meisten Kinder daheim und nicht im Krankenhaus zur Welt, es gibt also darüber nichts Amtliches. Nach der Geburt melden sich die Eltern eines Neugeborenen früher oder später bei einer Registrierungsbehörde – und dort wird meist kurz und schmerzlos der 1. Januar als Geburtstag eingetragen. Es ist also weder der Geburtstag noch der Tag der Registrierung.

Roshan hat eigentlich im August das Licht der Welt erblickt. Machte gar nichts, dass da fast fünf Monate dazwischen lagen. Es wurde der 1. Januar eingetragen. Auch die Jüngste der Sidos, die einjährige Reva, ist im Januar geboren. Aber über ihren Geburtstag wissen die Sidos ganz genau Bescheid: Es ist der 26. Januar 2016. „Sogar die Geburtsstunde ist auf der Urkunde vermerkt“, staunt Vater Rozan Sido noch immer. Kein Wunder: Reva wurde nach der Flucht geboren. Sie kam in Dresden zur Welt.

Und wann feiern die Sidos Geburtstag? In Syrien ist das eher unüblich, aber sie haben hier inzwischen daran Gefallen gefunden. Roshan hat sich ihren wirklichen Geburtstag im August ausgesucht und Freundinnen eingeladen. Ihr Mann Rozan feierte mit Sohn Kamal aus praktischen Gründen gemeinsam am 1. Januar, seine Eltern waren aus Hoyerswerda gekommen.

Nur bei Reva war die Sache ja sonnenklar, wann der erste Kindergeburtstag zu steigen hatte. Willkommen in Deutschland.