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Vom Chefkoch zum Altenpfleger

Der Thomas Ludewig war Küchenchef in einem japanischen Restaurant. Aber seine Berufung fand er ganz woanders.

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© Sebastian Schultz

Von Christoph Scharf

Riesa. Schwer ist sie, die Pflegepuppe. Die Arme gleiten links und rechts nach unten, der Kopf sinkt nach hinten. Da muss man genau wissen, wo man anfassen muss, um die nachgebildete Dame im Bett umzulagern. Solche Handgriffe gehören für Pflegepersonal zum Alltag – und gehören deshalb jetzt zur Ausbildung von Thomas Ludewig und seinen Kollegen in den Euro-Schulen Riesa, gleich neben dem Seifenwerk. In der früheren Fabrikantenvilla lernt der 32-Jährige jetzt für seinen Traumberuf.

Dabei hat sich der Koselitzer lange nicht mit Bettpfannen beschäftigt, sondern mit Porzellanschälchen. Mit Sushi, Reis und Sake. „Ich habe die Küche im Leipziger Yamato-Restaurant geleitet“, sagt Thomas Ludewig. Ein Umstieg vom Gastgewerbe in die Altenpflege? Das klingt nach einer anderen Welt. „Das würde ich so nicht sagen“, erwidert der Koselitzer. „Man hat in beiden Berufen eng mit Menschen zu tun.“

Schon nach der Schule seien für ihn nur diese zwei Berufe infrage gekommen: die Altenpflege oder das Restaurantfach. „Aber Altenpfleger konnte man damals erst mit 17 lernen. Ich wollte aber als 16-Jähriger nicht erst ein Soziales Jahr absolvieren, sondern gleich Geld verdienen.“ Also ging er ins Gastgewerbe – erst von Koselitz nach Leipzig, dann zwei Jahre nach Kärnten, wo er in einem Restaurant kellnerte, dann zurück nach Leipzig. Dort gab es Früh- und Spätdienste. „Praktisch war man aber sieben Tage rund um die Uhr für das Restaurant da – das wurde mir auf die Dauer zu viel“, erinnert sich der 32-Jährige.

2012 sah er dann seine Chance kommen: als Pflegehelfer in Leipzig neu anzufangen – bei einem ambulanten Pflegedienst. Der Alltag dort: Ältere Leute waschen, anziehen, ihnen Essen reichen, mal mit ihnen spazieren gehen oder Mensch-ärgere-dich-nicht spielen. „Das ist ein sehr dankbarer Beruf, kein Tag ist wie der andere“, sagt Thomas Ludewig. Natürlich sei es körperlich anstrengend und die Bezahlung nicht gerade übermäßig. „Aber was gibt es Schöneres, als wenn man für jemanden da sein kann, man ein Dankeschön von den Patienten zu hören bekommt oder einem die Angehörigen extra eine Weihnachtskarte schreiben“, fragt der Koselitzer.

Als seine eigenen Großeltern pflegebedürftig werden, zieht es ihn aus Leipzig zurück nach Hause, wo auch ein großes Grundstück wartet. In Gröditz findet er eine neue Anstellung als Pflegehelfer beim ASB. Doch auf Dauer fühlt er sich unterfordert – und freut sich, als ihm der Arbeitgeber nun eine berufsbegleitende Ausbildung in Riesa ermöglicht. Denn um Wundverbände anlegen dürfen oder Insulin spritzen zu dürfen, braucht es einen Abschluss als Altenpfleger. Für den büffelt er jetzt dreieinhalb Jahre lang in Riesa, jeden Mittwoch und Donnerstag acht Stunden lang.

Mit ihm gehören noch ein weiterer Mann und acht Frauen zur Klasse. „Das ist eine sehr angenehme Klassengröße, zumal wir alle um die 30 Jahre alt sind“, sagt Ludewig. In eine Ausbildungsklasse mit lauter 16-Jährigen hätte er sich nur ungern gesetzt. Zumal die Motivation bei Schülern, die alle schon in der Pflege gearbeitet haben, höher sein dürfte als bei Berufsanfängern. Die gibt es bei den Euro-Schulen in Riesa allerdings auch: Rund 70 Schüler erlernen dort aktuell den Beruf des Altenpflegers, entweder berufsbegleitend oder in einer dreijährigen Vollzeit-Ausbildung.

Sorgen, später auch einen Job zu bekommen, müssen sie sich nicht machen. „Altenpfleger werden dringend gesucht“, sagt Berit Kasten von der Arbeitsagentur Riesa. „Da gibt es definitiv Chancen auf dem Arbeitsmarkt.“ Aktuell sind allein im Raum Riesa 34 offene Stellen im Bereich der „nichtmedizinischen Gesundheitsberufe“ gemeldet. Die meisten davon machen Altenpfleger aus. Das sind mehr als doppelt so viele Stellen wie vor zwei Jahren. Sucht man den Beruf bei der Online-Jobbörse der Riesaer Arbeitsagentur landet man sogar mehr als 200 Treffer – dort sind aber auch etliche Zeitarbeitsfirmen dabei oder Unternehmen, die mit höheren Löhnen Pflegekräfte von Sachsen aus etwa nach Süddeutschland locken wollen.

In der Region gelten Pflegeberufe dagegen noch als ziemlich mäßig bezahlt. Das könnte sich bei dem anstehenden Fachkräftemangel aber noch ändern, findet Martin Bahrmann, Leiter Firmenservice bei den Euro-Schulen. „Die Bezahlung wird der Markt regeln“, ist der Meißner überzeugt. Für Thomas Ludewig steht bei dem Beruf ohnehin etwas anderes im Mittelpunkt. „Es ist toll, wenn die Patienten Danke sagen.“

Im September geht die nächste Altenpfleger-Ausbildung an den Euro-Schulen in Riesa los.

www.eso.de/riesa/