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Vier Freunde, ein Hotel und der Fiskus

Ex-Staatsminister Michael Sagurna und seine Partner werden beschuldigt, bei einer Immobilie in Geising steuerlich nicht sauber gearbeitet zu haben.

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© MKL-News

Von Ulrich Wolf

Die Gutbürgerlichkeit ist förmlich zu greifen, hier in dieser Wohnsiedlung in Dresden-Kleinzschachwitz. Hellgelb und weiß getünchte Fassaden von Einfamilien- und Reihenhäusern aus den 1990er-Jahren stehen Spalier. Gepflegte Vorgärten, Jägerzäune, mit Basaltstein gepflasterte Wege, Carports, Pergolen als Sichtschutz. 100 Meter entfernt fließt die Elbe dahin.

2002 aber stand der Fluss in den Grundstücken, und die Nachbarn kamen sich näher: der Zimmermann, der Textilunternehmer, der Hotelkoch und der Politiker. So nah, dass man gemeinsam nach Urlaubswohnungen Ausschau hielt – und auf das ehemalige Ferienhaus der Technischen Universität Dresden stieß. Fast schon in Tschechien gelegen, stand es seit 1991 leer, tief im Wald auf dem Kamm des östlichen Erzgebirges bei Geising. Für ein paar Tausend Euro erwarben es die Nachbarn aus Kleinzschachwitz vom Freistaat Sachsen. 2007 war Eröffnung.

Zehn Jahre später ist einer der vier, der Hotelkoch, tot. Er nahm sich im November 2010 das Leben. Den anderen drei wirft die Staatsanwaltschaft Dresden „einen dem Steuergeheimnis unterliegenden strafbaren Sachverhalt“ vor. Es gehe um Tricksereien bei der Mehrwertsteuer und um Subventionsbetrug, heißt es in Justizkreisen.

Der Politiker, das ist Michael Sagurna, 62 Jahre alt. Einst Regierungssprecher unter Premier Kurt Biedenkopf, dann Chef der Staatskanzlei unter Georg Milbradt und seit 2013 Präsident der Sächsischen Landesmedienanstalt. Textilunternehmer Jens Rothmann ist 51 und macht hauptberuflich mit Autoschonbezügen sein Geld. Der Jüngste des Trios heißt Mirco Grahl, ist Zimmermann und selbstständig mit der Baudienstleistungsfirma HVIS sowie Miettoiletten unterwegs.

Für den Erwerb des Hotels gründete das einstige Quartett 2005 eine Eigentümergemeinschaft, eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR), bei der sämtliche Gesellschafter mit ihrem gesamten Vermögen haften. Inklusive eines Erweiterungsbaus im Jahr 2011 steckte die GbR etwa 1,5 Millionen Euro in das heutige Dreisternehotel. Gut 400 000 Euro eigenes Geld nahmen sie in die Hand, der Rest kam als Kredit. Etwas mehr als ein Drittel der Summe wurde gefördert, in Form einer Investitionszulage.

Mitgehangen, mitgefangen

Für den Betrieb des Hotels mit 21 Zimmern hingegen gründeten die Nachbarn aus Kleinzschachwitz eine GmbH. Ihr Chef war zunächst der Koch, der sich jedoch schon 2008 aus gesundheitlichen Gründen zurückzog. Fortan führte Zimmermann Grahl die Geschäfte. Politiker Sagurna gehörte nur für wenige Monate zu den Gesellschaftern der Betreiber-GmbH. Er hielt jedoch immer wieder seinen Kopf in die Kamera, wenn es um die Vermarktung ging.

Tatsächlich machte das Hotel jahrelang überwiegend positive Nachrichten. Wegen häufiger Personalwechsel, insbesondere beim Küchenchef, kamen 2015 jedoch Verkaufsgerüchte auf. Grahl betonte damals: „Operativ schreiben wir schwarze Zahlen.“ Was im Rückblick zu bezweifeln ist.

Offensichtlich ließen vor allem Rothmann und Sagurna das Hotelprojekt quasi nebenher laufen. Das Finanzielle regelten ihre Steuerberater, das Tagesgeschäft der in der Hotellerie unerfahrene Grahl. Der Zimmermann kam aber nach eigenen Angaben wegen nicht bezahlter Rechnungen einiger Auftraggeber mit seinem Baugewerbe in finanzielle Schwierigkeiten. Ende August 2016 wurde ein Insolvenzverfahren gegen ihn eröffnet, wenige Tage später wieder eingestellt. Beim Vollstreckungsgericht Dresden hat er derzeit drei Aktenzeichen. „Das hat mit der Anklage der Staatsanwaltschaft aber nichts zu tun“, sagt er.

Die Ermittler bezweifeln offenbar, dass die Einkommen der GbR sowie der GmbH steuerrechtlich korrekt verrechnet wurden. Gleiches soll für den Einsatz der Investitionszulage gelten.

Grahl, Rothmann und Sagurna können das nicht nachvollziehen. Und sie fragen sich, warum die Anklage ausgerechnet zum zehnjährigen Bestehen des Hotels auf den Tisch kommt. Von den Ermittlungen wollen sie 2014 erstmals erfahren haben. Grahl betont, ihr früherer Architekt habe sie angezeigt, nachdem man ihm gekündigt habe. Aus dem Dunstkreis der anderen Beschuldigten heißt es, die Anzeige stamme von einem Geschäftspartner Grahls. Der Zimmermann weist das zurück.

Das Amtsgericht Dresden prüft

Nachbarn sind sie jedenfalls nicht mehr. Grahl ist weggezogen aus der Siedlung. Und mit der Freundschaft sieht es wohl auch nicht mehr so toll aus. Das Ende der Betreiber-GmbH etwa war wenig rühmlich. Die letzte Gesellschafterversammlung im November 2016 dauerte nur zehn Minuten, von morgens 8.45 Uhr bis 8.55 Uhr. Sie fand bei Grahl privat statt, der einzig verbliebene Mitgesellschafter Rothmann erschien nicht. „Die Gesellschaft wird aufgelöst. Zum Liquidator wird Mirco Grahl bestimmt“, lautete der letzte Beschluss. So steht es im Protokoll der Versammlung.

Inzwischen hat Textilunternehmer Rothmann das Hotel allein gepachtet. Er hat die Organisation einem pfiffigen jungen Gastronomen übertragen. Das Objekt laufe nun gut, heißt es. Grahl sagt, er sei schon lange nicht mehr oben in Geising gewesen, habe mit seiner Baufirma genug um die Ohren. Ansonsten solle man Sagurna fragen. „Der ist bei uns federführend, was die Pressearbeit angeht.“

Der Präsident der Landesmedienanstalt, selbst ein Jurist, indes betont, er wolle den Disput um die Anklage der Staatsanwaltschaft nicht über die Medien führen. Es handle sich um ein komplexes und offenbar auch kompliziertes Verfahren. „Wir müssen dem Amtsgericht Dresden die Zeit geben, die es braucht.“

Wie lange das dauert, ist unklar. „Wir prüfen noch, das Hauptverfahren ist noch nicht eröffnet“, bestätigt die Gerichtssprecherin.