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Unikat unter den DDR-Schulen

Die Nixenstadt beherbergt einen besonderen Bau, um den sich so manche Frage rankt.

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© Sebastian Schultz

Von Dörthe Gromes

Strehla. Ob den 335 Schülern von Strehlas Oberschule wohl bewusst ist, in was für einer speziellen Schule sie Tag für Tag lernen? Der mit Backsteinen geklinkerte Bau ist eines der markantesten Gebäude des Elbestädtchens. An der Fassade fällt zunächst das große Wandbild aus Keramikkacheln ins Auge, das typische Schulszenen zeigt. Es wurde vom Dresdner Bildhauer Rudolf Sitte entworfen, ein Bruder des sehr viel bekannteren Malers Willi Sitte. Hinter der großen Fensterfront, welche die Wandbilder einrahmen, verbirgt sich das Herzstück der Schule: die Aula. Schulleiterin Katrin Wilczek schätzt besonders, dass die Schule diesen großzügigen Raum für Veranstaltungen aller Art zur Verfügung hat. Gerade probt eine Klasse eine Aufführung für den im Dezember stattfindenden Oma-und-Opa-Tag. Das Lied von der Weihnachtsbäckerei schallt durchs Schulhaus.

Blick auf die Sporthalle. Auch der Schulhof ist ungewöhnlich angelegt.
Blick auf die Sporthalle. Auch der Schulhof ist ungewöhnlich angelegt. © Sebastian Schultz
Der lichtdurchlässige Laubengang wird gerade saniert.
Der lichtdurchlässige Laubengang wird gerade saniert. © Sebastian Schultz
Diese Ansicht der Strehlaer Oberschule kennt jeder, der auf der B182 in Richtung Torgau durch die Stadt fährt. Das Wandbild zeigt typische Schulszenen.
Diese Ansicht der Strehlaer Oberschule kennt jeder, der auf der B182 in Richtung Torgau durch die Stadt fährt. Das Wandbild zeigt typische Schulszenen. © Sebastian Schultz

Besonders ist auch der verglaste Laubengang am Quergebäude, der gerade saniert wird. Der Fußboden dort besteht aus großen, unregelmäßig geformten Steinen, den Wermsdorfer Platten. In der 2012 sanierten Turnhalle zieht die mächtige Holzbalkendecke den Blick auf sich.

Der Kontrast zwischen der Strehlaer Schule und den in der DDR üblichen Plattenbauschulen könnte kaum größer sein. Erbaut wurde sie 1960/61, wobei die Planung schon 1957 begonnen hatte. Bereits ab Mitte der 1950er Jahre sollten Schulneubauten in der DDR vorrangig als sogenannte Typenbauten errichtet werden. Es gab eine Art architektonisches Baukastensystem mit verschiedenen Schultypen, die meisten in Plattenbauweise. Das sparte erheblich Zeit und Kosten. Die Bauten fanden sich überall zwischen Rostock und Dresden. Die Strehlaer Oberschule hingegen ist ein individueller Entwurf des aus Dresden stammenden Architekten Hans-Otto Gebauer. In dieser Form wurde sie vermutlich nur ein einziges Mal realisiert. Das glaubt zumindest Daniel Fischer. „Ich kann mir nur schwer vorstellen, dass der Strehlaer Schultyp noch mal gebaut worden ist, auch wenn es darüber Mutmaßungen gibt“, so der Dresdner, der in seiner Freizeit leidenschaftlicher Geschichtsforscher ist. Sein Hauptinteresse gilt dabei der modernen Architektur in der DDR und ihren oftmals vergessenen Architekten.

Auch der 1920 geborene Gebauer gehört dazu. In der DDR realisierte er unter anderem das frühere Autohaus Start auf dem Dresdner Postplatz sowie das Gästehaus des Ministerrates in Gohrisch. 1958 jedoch ging der Architekt nach Westdeutschland, die Schule in Strehla war sein letztes Gebäude im Osten. Auch dieser Umstand spricht in Fischers Augen stark für die Einzigartigkeit der Strehlaer Schule, die unter Denkmalschutz steht.

Es ist wohl auch Hans-Otto Gebauer zu verdanken, dass Rudolf Sitte die Gestaltung der Keramikfresken übernahm. Die beiden hatten damals bereits mehrfach zusammengearbeitet. Ausgeführt wurde Gebauers Entwurf dann von seinem Kollegen Siegfried Keller vom Städtischen Entwurfsbüro Dresden. Die Sternwarte kam übrigens erst Mitte der 1970er Jahre hinzu.

Eine Frage jedoch treibt Daniel Fischer trotz intensiver Recherchen noch um: „Warum hat die Kleinstadt Strehla eine so prächtige Schule bekommen? Warum nicht das größere Riesa?“ Nicht einmal der damalige Strehlaer Bürgermeister Helmut Kühne konnte ihm das bislang beantworten. „Vielleicht findet das ja mal ein Schülerprojekt heraus“, regt der Architekturforscher an. Ein solches hatte auch die Stadtpolitikerin Marianne Pfeil (FWG) jüngst angeregt, nachdem die SZ über die Strehlaer Oberschule als bauliche Besonderheit berichtet hatte.