Merken

Susi ist der Hammer

Manche Kakadu-Besitzer üben jahrelang mit ihrem Vogel das Sprechen. Bei Susi in Stolpen klappt das im Vorbeigehen. Und noch mehr.

Teilen
Folgen
© Dirk Zschiedrich

Von Anja Weber

Stolpen. Wer an Rotraud Klingers Tür in Stolpen klingelt, wird mit einem warmen und freundlichen „Guten Tag“ von ihr empfangen. Wer einen Schritt in die Wohnung setzt, bekommt ein krächzendes, aber liebenswertes „Hallo“ oder „Ja bitte“ zu hören. Das schallt aus der offenen Badezimmertür.

Dort hat Susi, ein Gelbhauben-Kakadu, ihre tägliche Position bezogen. Und der Vogel ist ein richtiges Sprachwunder. Nicht dass Rotraud Klinger mehrmals am Tag eine „Sprechstunde“ mit ihm abhielte. „Nein, ich unterhalte mich mit Susi im Vorbeigehen. Und Susi ist offenbar so gelehrig, dass sie halt alles aufschnappt“, sagt Rotraud Klinger. Und das kann durchaus zu komischen Situationen führen. Denn Susi kann auch bellen wie Emma, die Hündin. Und wenn ein Kakadu am offenen Fenster sitzt und bellt, sind ihm die ungläubigen Blicke von Passanten gewiss.

Susi ist schon eine Dame, steht vor ihrem 24. Geburtstag. Rotraud Klinger hat das Tier von einem Züchter übernommen. Das war vor 23 Jahren. Wie sprachbegabt Susi sein wird, wusste sie da natürlich noch nicht. Doch das zeichnete sich im Laufe der Jahre schnell ab. Und so ist es gekommen, dass Rotraud Klinger als „meine Maus“ und die Nachbarin als „mein Schatz“ bezeichnet werden. Und wenn dem Kakadu tatsächlich mal der Kragen platzt und ihm etwas überhaupt nicht passt, dann kommt ein krächzendes „Spinnst du“ aus dem Bad.

Doch das ist eher selten. Susi ist ganz verträglich. Kein Wunder bei der liebevollen Pflege von Familie Klinger. Ihr wird praktisch jeder Wunsch vom Schnabel abgelesen. Wenn sie sich etwa nach dem Duschen nicht mit dem Handtuch abtrocknen lassen will, muss Frauchen eben föhnen. Und selbst wenn Rotraud Klinger noch so viel Arbeit hat, die nachmittägliche Fernsehstunde mahnt Susi ein. Gemeinsam mit Emma sitzt sie dann vorm Fernseher.

Der Kakadu könnte übrigens auch den Telefondienst übernehmen, allerdings nur mit Freisprechanlage. Klingelt das Telefon bei Familie Klinger, kommt aus ihrem Schnabel prompt ein „Hallo, ja bitte, jemand dort“.

Susi ist frei

Rotraud Klinger kann viele Geschichten erzählen, so zum Beispiel, wenn es ins Außenrevier geht. Susi ist nicht angekettet, kann sich frei bewegen. Wenn sie in den Garten darf, bleibt sie allerdings immer in Hausnähe sitzen. „Sie fliegt nicht weg, hilft dagegen fleißig bei der Gartenarbeit, zum Beispiel beim Unkrautzupfen“, sagt Rotraud Klinger. Nur das Einsammeln von Walnüssen ging schief. Die Nüsse, die im Korb lagen, hatte Susi mit dem Schnabel wieder hinausbefördert.

Nachbars Kater Joshi gehört offenbar zu Susis Freunden. Zwischen den beiden hat es noch nie Krieg gegeben. Vielmehr hört der Kater aufs Wort. Und wenn Susis krächzendes „Komm her“ aus dem Schnabel dringt, kommt Joschi angetrabt. Rotraud Klinger hält solche Bilder oft mit ihrem Fotoapparat fest. Inzwischen hat sie schon einige Alben voll. Und auch darüber kann die Stolpenerin Geschichten erzählen.

Es gibt zum Beispiel ein Foto, auf dem Susi lasziv eine Zahnbürste zum Schnabel führt. Das Foto hat sie an den Zahnbürstenhersteller Dr. Best geschickt und prompt eine nette Antwortkarte erhalten. Seitdem kann das Foto von Susi mit Zahnbürste auch dort bewundert werden.

Wer eine Zahnbürste halten kann, schafft das auch mit einem Löffel. Susi hält einen Teelöffel zwischen ihren Krallen und schleckt Joghurt, den ihr Frauchen auf den Löffel streicht. Aber nicht irgendeinen, es müssen schon Fruchtzwerge sein. Susi verspeist die aber nicht allein. Hat sie keine Lust mehr, lässt sie den Löffel fallen und ein „Emma kommt“ ist zu hören. Das ist das Zeichen für die Hündin, dass sie nun weiterfressen darf. Doch die steht nicht so auf Joghurt. Susi selbst ernährt sich hauptsächlich von Papageienfutter, Gemüse, Äpfeln, Weintrauben und Nüssen. Letztere gehören zum abendlichen Ritual. Da gibt es Fencheltee und Walnüsse. Ist das Mahl beendet, deckt Rotraud Klinger ein Betttuch über den großen Vogelkäfig. Eine Ecke bleibt offen. Und erst, wenn ein „Maus, komm schnell, gute Nacht Schatz“ ertönt, geht bei Familie Klinger der Tag zu Ende.