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Oma in Weißwasser gesucht

Vielleicht erfüllt sich der größte Weihnachtswunsch von Robert Ehmann und Finn. Beim Speed-Dating am Sonntag.

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© Joachim Rehle

Von Constanze Knappe

Weißwasser. Um 5.30 Uhr klingelt in Weißwasser der Wecker von Robert Ehmann. Der 33-Jährige trinkt einen Kaffee und schmiert ein Brot für Finnlay Luca. Jeden Tag frisch, darauf legt er Wert. 6.30 Uhr wird der Kleine geweckt und ein bisschen gekuschelt, ehe es zur Kita geht. Halb drei wird Finn abgeholt. Wenn sein Vater nicht gerade zum Jobcenter muss, steuern die zwei den Spielplatz an. Nach Einkauf und Abendbrot liegt der Kleine halb acht im Bett. Dann sind Haushalt und Wäsche dran. Der Alltag sieht aus wie der in vielen anderen Familien. Und doch ist er ein bisschen anders.

Robert Ehmann ist alleinerziehender Vater eines zweijährigen Sohns. „Wenn man mehrmals auf dem gleichen Spielplatz ist, wird man gefragt, wo die Mama zu dem Kind ist“, erzählt er. Ein Vater, der sich allein um sein Kind kümmert, das ist in Weißwasser eben nicht so selbstverständlich. Ausgesucht hat es sich Robert Ehmann nicht. Es bleibt ihm nur, das Beste aus der Situation zu machen.

Vor Jahren zog der gebürtige Spremberger mit seinem Vater nach Weißwasser. Von Hause aus Demenzbetreuer jobbte er dann bei einem Sicherheitsdienst in Berlin. Von da aus zog es ihn 2008 der Arbeit wegen in den Westen. In der Kölner Ecke fand er einen Job in einem Altenheim – und eine Lebenspartnerin. Diese fühlte sich dort nicht so recht wohl, hatte auch wenig Kontakt zu ihrer eigenen Familie. So beschlossen sie und Robert Ehmann, dessen vier Geschwister in Weißwasser leben, hier in der Stadt ihr Leben aufzubauen. 2014 zogen sie her. Im Januar 2015 wurde Finn geboren.

Kurz nach seinem ersten Geburtstag trennten sich die Eltern. Dass die Mama nicht da ist, kann Finn kaum verstehen. Der Kleine ist extrem anhänglich, im Kontakt mit anderen Menschen sehr zurückhaltend und er braucht lange, Vertrauen zu fassen. Die erste Zeit habe Finn extrem geklammert, erzählt Robert Ehmann. Den Papa ließ der Kleine nur weg, wenn der Pieper ging. Dann wusste er, dass andere Menschen die Hilfe seines Vaters brauchen. Der ist Mitglied der freiwilligen Feuerwehr in Weißwasser. Damit er unbesorgt zum Einsatz fahren kann, springt eine Nachbarin als Oma ein oder ein Nachbar, der zwei Eingänge weiter wohnt, sieht nach dem Kleinen. Ihnen verdankt es Robert Ehmann, dass er seinem Hobby nachgehen kann.

Etliche Male bewarb er sich in der Pflegebranche. „Ich spiele mit offenen Karten und sage, dass ich nur arbeiten kann, wenn die Kita offen hat“, erklärt er. Für zwei oder drei Spätdienste im Monat würde er eine Betreuung des Kindes organisiert kriegen, aber nicht für fünf Abende am Stück. Bei Absagen habe er zu hören gekriegt, dass Arbeitgeber zwar Verständnis für seine Situation haben, aber eben Leute brauchen, die flexibel einsetzbar sind. Er musste seine Ausbildung zum Altenpfleger abbrechen, weil die Arbeitszeiten trotz anfänglicher Zusage doch nicht familienfreundlich waren. Seiner Ansicht nach hat die Stadt Weißwasser den Anschluss an die Entwicklung verpasst. „Die Stadt ist eine Hochburg in der Altenpflege. Ein Heim reiht sich ans andere. Da bräuchte man eine Kita, die sich den Arbeitszeiten in der Pflege anpasst“, sagt Robert Ehmann. Aber nur eine einzige habe länger geöffnet, die Kita der Awo, bis 20 Uhr. Entsprechend voll sei es dort.

Finn besucht die Kita Ulja. Seit Oktober qualifiziert sich Robert Ehmann in einer Maßnahme des Jobcenters zum Pflegehelfer. Wann immer es geht, ist er ehrenamtlich tätig, hat mit Paul Vogel die Bürgerinitiative „Aktion Weißwasser“ gegründet. Zuvor rief er bei Facebook eine „Meckerseite“ ins Leben. Doch er wollte nicht nur über zerbrochene Flaschen und Unrat meckern, stellte selber Reinigungsaktionen auf die Beine. Söhnchen Finn ist immer dabei. Organisatorisches klären, das geht erst, wenn der Kleine im Bett ist. Überhaupt hat sich der Freundeskreis des alleinerziehenden Vaters stark dezimiert. Dazu zählen nur noch Leute, die selber kleine Kinder haben.

„Eine Oma wäre toll“, sagt Robert Ehmann. Für ihn und Söhnchen Finn wäre das der größte Weihnachtswunsch. Großeltern könnten Erleichterung bringen: Damit er zum Vorstellungsgespräch nicht den Kleinen mitnehmen muss, ohne Sorge zur Weiterbildung der Feuerwehr kann, kein schlechtes Gewissen haben muss, wenn der Dienst eine Überstunde erfordert, damit er mit einer neuen Partnerin ein bisschen Zweisamkeit genießen könne. Robert Ehmann fallen viele Beispiele ein, wobei Oma oder Opa nützlich wären. Mit seinem Wunsch nach Großeltern steht er nicht alleine da. Das Förderprojekt „Ort-Schafft“ des Sozialen Netzwerks Lausitz will Familien, die Unterstützung bräuchten, zusammenbringen mit Senioren, deren Enkel weiter weg leben, schon groß sind oder die keine haben. „Großeltern gesucht“ heißt es beim Speed-Dating am Sonntag im Spinnnetz in Weißwasser. Robert Ehmann freut sich darauf. Vielleicht, so hofft er, findet sich da eine Leihoma für Finn. Wenn nicht, wäre das nicht tragisch. Womöglich lernt man ja dabei jemand Nettes kennen, mit dem man sich auch so gut versteht, sagt er.

Speed-Dating „Großeltern gesucht“ am 17.12. von 14 bis 16 Uhr im Spinnnetz Weißwasser. Anmeldung unter 03576218269 oder www.soziales-netzwerk-lausitz.de