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„Mindestens fünf Jahre Gefängnis“

Auf den jetzt festgenommen Mike Welzel wartet eine harte Strafe. Doch woher kamen die Drogen? Und wo ist die Waffe?

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© SZ/Peter Redlich

Von Peter Redlich

Dresden/Radebeul. Die Augen weit aufgerissen, unrasiert, nasse Schweißflecken im grau-blauen T-Shirt, auf dem ein Spruch mit California steht. Karierte kurze Hosen und eine kleine Gürteltasche mit dem Autoschlüssel und etwas Kleingeld. Auf dem linken Oberarm ist ein dicht gestochenes Tattoo zu erkennen, während die Handschellen bereits die Gelenke hinterm Rücken festhalten.

Festnahme von Mike Welzel

Die Luftaufnahme der Polizei zeigt den Ort der Festnahme.
Die Luftaufnahme der Polizei zeigt den Ort der Festnahme.
In Weistropp konnte der Gesuchte am Mittwoch um 10.58 Uhr gestellt werden.
In Weistropp konnte der Gesuchte am Mittwoch um 10.58 Uhr gestellt werden.
Eine Einheit von Spezialkräften der Polizei rückt an.
Eine Einheit von Spezialkräften der Polizei rückt an.
Das Fluchtfahrzeug fanden Polizeibeamte an einem Grundstück am Rande von Weistropp.
Das Fluchtfahrzeug fanden Polizeibeamte an einem Grundstück am Rande von Weistropp.
In diesem Notarztwagen wurde Welzel bis 12.30 Uhr vor Ort vom Arzt untersucht.
In diesem Notarztwagen wurde Welzel bis 12.30 Uhr vor Ort vom Arzt untersucht.
Nach der Untersuchung wird der 43-jähriger Radebeuler im Rettungswagen nach Dresden gefahren.
Nach der Untersuchung wird der 43-jähriger Radebeuler im Rettungswagen nach Dresden gefahren.
Notarzt und Rettungsdienst fahren durch Weistropp in Richtung Dresden. Mike Welzel soll in einem Krankenhaus weiter untersucht werden.
Notarzt und Rettungsdienst fahren durch Weistropp in Richtung Dresden. Mike Welzel soll in einem Krankenhaus weiter untersucht werden.
Ein Beamter markiert die Stelle, wo Welzel festgenommen wurde.
Ein Beamter markiert die Stelle, wo Welzel festgenommen wurde.

Mike Welzel hat Stress, großen Stress. Das ist deutlich im Gesicht des drogenabhängigen Mannes zu erkennen. Der 1,80 Meter große, muskulöse 43-Jährige sitzt beinahe gestreckt, nur die Unterschenkel angewinkelt im Polizeitransporter vor der Halle der Agrar GmbH in Weistropp. Hier wurde er gerade gefasst und festgenommen. Ihm war wohl zu diesem Zeitpunkt schon klar, dass sich das Netz der Fahnder immer weiter zusammenzog.

Es ist 11 Uhr am Mittwochvormittag. Eine knappe halbe Stunde vorher hatten die Kriminalisten vom Revier Meißen und der Polizeidirektion bei der Fahrt durch den Ort das Fluchtauto wiedererkannt. Genau diesen 5er BMW, dunkelblau, die Kühlerhaube schwarz lackiert, verdunkelte hintere Scheiben, den am Morgen, kurz vor 6 Uhr, eine Tankstellenmitarbeiterin in Gohlis, als das Fahrzeug des Gesuchten erkannt hatte. Geistesgegenwärtig rief sie noch während des Aufenthaltes die Polizei und legte den Hörer neben sich, als Welzel zum Bezahlen kam.

Wie sich inzwischen herausstellte, war das mit PIR- beginnende Kennzeichen gefälscht. Wer hat ihm das Fahrzeug gegeben, das nicht als gestohlen gemeldet war? Hat es mit seinem in Radebeul lebenden Bruder zu tun? „Wir ermitteln noch“, sagt Thomas Geithner, Sprecher der Polizeidirektion Dresden.

Ermitteln heißt im Fall von Welzel, sein Umfeld intensiv zu befragen, vor allem aber ihn selbst. Zum Umfeld gehörten bereits während der Fahndung seine Mutter und sein in Radebeul lebender Bruder. Auch Anwohner, die möglicherweise zu den Schüssen etwas sagen können, die er bei der Verfolgungsjagd mit der Polizei nahe Taubenheim abgegeben hat. Nach der Waffe wird gesucht. In Weistropp haben die Polizisten das Feld neben dem am Friedhof abgestellten BMW abgekämmt und nichts gefunden.

Die Pistole ist ein wichtiges Beweismittel, sagt Lorenz Haase, Sprecher der Dresdner Staatsanwaltschaft. Versuchter Totschlag würde dann die Anklage lauten. Und, weil der 43-Jährige mit seinem Fluchtauto vom Sonnabend auch noch ein Polizeiauto gerammt hatte, kommt obendrein gefährlicher Eingriff in den Straßenverkehr dazu. Haase: „Auf versuchten Totschlag steht fünf bis 15 Jahre. Bei dem langen Vorstrafenregister des Mannes kann ich mir kaum vorstellen, dass es unter fünf Jahren abgehen wird.“

Eine dicke Packung für den Mann, weil er schon vorher wegen Diebstahls- und Gewaltdelikten zu drei Jahren Haft verurteilt war und die Strafe noch nicht abgesessen hat. Staatsanwalt Haase erläutert auch, wie der bis zum Mittwoch per Fahndung gesuchte Radebeuler untertauchen konnte.

Er hatte sich im ersten Halbjahr dieses Jahres freiwillig in eine Drogenentzugstherapie begeben. Ende Mai wurde die Therapie allerdings erfolglos abgebrochen. In solchen Fällen werde danach die Justizvollzugsanstalt darüber informiert. Im Juli sei Mike Welzel aufgefordert worden, sich wieder zum Fortsetzen seiner Strafe im Gefängnis einzufinden. Das tat er nicht, sondern tauchte unter. Lorenz Haase sagt, dass das keine geschlossene Klinik ist und üblicherweise Straffällige sich dann auch wieder wie aufgefordert melden.

In diesem Fall ging das schief. Wo Welzel seitdem, und bis Mittwoch untergetaucht ist, gehört auch zu den Fragen, die Polizisten in Dresden jetzt stellen. Genauso wie die Fragen nach den Drogendealern. Denn, so Polizeisprecher Geithner: „Bei der Festnahme wurden Drogen bei ihm gefunden.“ Bis mindestens kommenden Montag solle auch noch die für die Fahndung gebildete Ermittlungsgruppe bestehen.

Mike Welzel wurde inzwischen im Krankenhaus untersucht. Bei der Festnahme durch die Polizisten hatte er sich leicht am Arm verletzt. Eine Schürfwunde, nichts gebrochen, sagt Geithner. Und, inzwischen dürfte der Gefasste auch frische Kleidung bekommen haben – den üblichen Anstaltsdrillich.