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Meissen rutscht im Luxus-Ranking ab

Die Manufaktur erreicht vor allem jüngere Kunden nur schwer - das zeigt eine Studie des Manager Magazins. Das Unternehmen kündigt eine Offensive an.

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© Claudia Hübschmann

Von Peter Anderson

Meißen. Die Gewinner sitzen an der Müglitz, nicht an der Triebisch. Sachsens zwei bekannte Uhren-Produzenten Lange & Söhne sowie Glashütte Original haben sich an der Spitze des deutschen Luxusmarken-Rankings 2018 behauptet. Mit Nomos konnte noch ein dritter Hersteller aus dem Erzgebirge in die Top-20 aufrücken. Die Staatliche Porzellan-Manufaktur Meissen ist dagegen um sieben Plätze auf Rang 22 abgerutscht. Das lässt sich einer jetzt veröffentlichten Studie entnehmen, welche das Manager Magazin zusammen mit zwei Beraterunternehmen erstellt hat.

Bereits zum siebenten Mal im Abstand von zumeist zwei Jahren wurden zu diesem Zweck knapp 200 Experten befragt. Die Branchenkenner konnten in drei verschiedenen Bereichen insgesamt 300 Punkte pro Marke vergeben. Daraus ergab sich eine insgesamt 30 Plätze umfassende Tabelle.

Kaffee-Pott statt barockes Tässchen

Eine der Erkenntnisse aus der Analyse: Der Luxusmarkt boomt weltweit. Deutsche Hersteller tun sich allerdings schwer damit, aus dem Aufschwung Gewinn zu ziehen. Das liegt vor allem daran, dass sich das Kaufverhalten der jungen Generation stark von dem ihrer noch sehr traditionsbewussten Eltern unterscheidet. Diese Kunden müssten sehr individuell angesprochen werden, folgern die Verfasser der Studie.

Exakt vor diesem Problem steht die Porzellan-Manufaktur Meissen. Bereits der umstrittene Vorstandschef Christian Kurtzke hatte in seiner Ära begonnen, etwa mit dem Service Cosmopolitan, neue Käuferschichten jenseits von Streublümchen und Zwiebelmuster anzusprechen. Darüber hinaus erweiterte er die Produktpalette radikal um Möbel, Teppiche und Kleider. Nach seinem Ausscheiden vor drei Jahren konzentriert sich der Staatsbetrieb mittlerweile wieder auf seine Kernkompetenz: Die Produktion von kunsthandwerklich perfekt hergestelltem Porzellan – allerdings mit dem Fokus auf frischen Formen und aktuellen Dekoren.

So feilen seit Mitte vergangenen Jahres die beiden Textildesigner und Meissen-Kreativdirektoren Otto Drögsler und Jörg Ehrlich daran, dem betulichen Weißen Gold aus Omas Vitrine einen frecheren Look zu verpassen. „Wir arbeiten an diesen Themen, wenngleich heute noch nicht alles im Detail vorgestellt werden kann“, teilte Unternehmenssprecherin Sandra Jäschke am Freitag auf SZ-Nachfrage mit. In den kommenden Monaten würden zunehmend Dinge sichtbar und öffentlich präsentiert. Entscheidend sei, die richtigen Produkte für die Märkte zu konzipieren und gleichzeitig das große handwerkliche Können der Manufakturisten zu zeigen.

Als Beispiel für eine solche Innovation nennt Sandra Jäschke die im Februar zur Konsumgütermesse Ambiente in Frankfurt präsentierten Henkelbecher. Insgesamt 20 Dekore umfasst die sogenannte Mug-Collection. Zwei graue Ming Drachen ringeln sich um ein grünes Peace-Zeichen. Eines der bekanntesten Dekore der Manufaktur trifft auf das Symbol der britischen Kampagne zur nuklearen Abrüstung vom Ende der 1950er Jahre. Weitere Becher sind mit roten Knutschmündern, buntem Zwiebelmuster oder auch einem exotischen Vogel gestaltet. Traditionelle Motive wie Chinoiserien bekämen mit dem Henkelbecher eine neue Bühne, so die Unternehmenssprecherin. Ergänzt wird dies durch von Meissen bisher noch nie benutzte Motive.

Ein überarbeitetes Sortiment kann dabei höchstens die Basis für neue Verkaufshits und höhere Umsätze liefern. Der Münchner Luxus-Spezialist und Mitverfasser des Marken-Rankings Alexander Biesalski fordert von der Branche, künftig vermehrt Geschichten zu ihren Waren zu erzählen und „auf allen Kanälen“ präsent zu sein. Auf beiden Gebieten stagniert die Entwicklung bei der Manufaktur. Sowohl die Internetseite als auch der Facebook-Auftritt wirken eher altbacken und konventionell. Der letzte Facebook-Eintrag stammt vom 1. April. Das Foto zeigt zwei putzige Porzellan-Häschen. Darüber wird dem Betrachter „Frohe Ostern!“ gewünscht.

August der Starke als Botschafter

Das Defizit ist im Stammhaus an der Triebisch bekannt. Der Online-Auftritt werde ganz neu aufgesetzt. Im Rahmen der Marken- und Online-Kommunikationsstrategie sollten dann auch die Social-Media-Kanäle einbezogen werden, heißt es aus der Pressestelle. Noch in diesem Jahr würden die Ergebnisse sichtbar. Ziel sei es, wie von Berater Biesalski gefordert, starke Geschichten zu erzählen. Die 1710 gegründete, älteste europäische Luxusmarke besitze überreiches Material, um glaubwürdig und spannend über ihre Produkte und Handwerkskunst berichten zu können.

Wie das funktionieren könnte, hatte erneut Ex-Chef Christian Kurtzke beim Markteinstieg in China gezeigt. Unter dem Slogan „die Ankunft einer königlichen Legende“ wurde 2015 die Eröffnung der ersten Meissen-Boutique in Peking beworben. Die Geschichte von August dem Starken und seinem Goldmacher Johann Friedrich Böttger lieferte den Haken, um Chinas Millionäre an die Marke heranzuführen.

Die Präsentation im Internet soll dabei nicht das persönliche Erlebnis, das Betrachten und Anfassen des Porzellans vor Ort ersetzen. Im Rahmen ihrer Produkt- und Marketing-Offensive will sich die Manufaktur künftig auch an Orten und zu Anlässen präsentieren, wo sie bislang eher nicht vermutet wurde. „In wenigen Tagen sind wir in Berlin im Showroom des kanadisch-deutschen Design- und Leuchtenhauses Bocci zu Gast, um dort Meissen als Kunsterlebnis zu inszenieren“, sagt Sprecherin Sandra Jäschke. In der kommenden Woche werde Sachsens Weißes Gold im Museum Poldi Pezzoli in Mailand den Besuchern der Möbelmesse Salone di Mobile ein besonderes Erlebnis ermöglichen. Zudem wird die Präsentation in den Boutiquen umgekrempelt.

Der Weg, welchen der Traditionshersteller aus dem Triebischtal jetzt beschreitet, ist offenbar vom Uhrenproduzenten Nomos aus Glashütte bereits zu großen Teilen erfolgreich absolviert worden. An diesem Beispiel zeige sich, dass es als deutsche Luxusmarke machbar sei, eine jüngere Zielgruppe zu begeistern, heißt es im Ranking des Manager Magazins.

In den letzten drei Jahren ist das noch junge Unternehmen aus dem Müglitztal um 65 Prozent gewachsen. Dabei hat Nomos für sich ein Segment in der Uhrenwelt erschlossen, welches der geschäftsführende Gesellschafter der Uhren-Manufaktur Uwe Ahrendt gern „demokratischen Luxus“ nennt. Die meisten Nomos-Uhren, geprägt von den klaren Design-Prinzipien der Werkbund- und Bauhaus-Schule, kosten zwischen 1 000 und 4 000 Euro. Für das teuerste Modell sind reichlich 14 000 Euro fällig – in dieser Region fangen die Preislisten anderer Glashütter Luxusmarken erst an.