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Mehr als nur Kinderspiel

Tagesmütter haben mit wachsender Konkurrenz zu kämpfen. Nicht alle im Landkreis Görlitz halten das durch.

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© Matthias Weber

Von Anja Beutler

Eva Urban hat viele Kinder. Zunächst fünf eigene und natürlich ihre kleinen Knirpse wie Frederik, Oskar und Felizitas, die sie jeden Tag während der Arbeitszeit ihrer Eltern betreut. Die Bischdorferin ist seit elf Jahren selbstständige Tagesmutter und wird in ihrer Gemeinde geschätzt. „Mit dem Bürgermeister ist es ein gutes Miteinander“, freut sich Frau Urban, die ihren Beruf liebt. Sie weiß, dass nicht alle Kolleginnen im Kreis so positive Erfahrungen in den vergangenen Jahren gemacht haben. Denn die Sicht auf ihren Beruf hat sich doch deutlich geändert. Und die generelle Lage ebenfalls.

Vor einigen Jahren noch hatten Tagespflegestellen eine herausgehobene Bedeutung für viele Gemeinden. Vor allem dort, wo Krippenplätze knapp waren. Als Puffer, als zusätzliches Angebot waren Tagesmütter – es waren ja lange Zeit nur Frauen – stark gefragt. Inzwischen aber hat sich der Markt gewandelt und die Kommunen aufgerüstet: Überall sind neue Kitas entstanden oder die bestehenden ausgebaut worden. Triebkraft für die Investitionen war der gesetzlich festgelegte Betreuungsanspruch für die Kleinen seit 2013. „Wer heute sein Kind zu mir bringt, entscheidet sich oft aus anderen Gründen als früher und tut dies meist sehr bewusst“, betont Frau Urban. Die kleine Gruppe von maximal fünf Kindern und eine sehr familiennahe Betreuung sind ihre Pluspunkte. Persönliche Erfahrungen mit ihrer Arbeit und Mund-zu-Mund-Propaganda helfen ihr, immer wieder neue Anmeldungen zu erhalten. Vielleicht spiele auch eine Rolle, dass sie ihre Arbeit als Christin ausübe, sagt sie.

Die Querelen um eine angemessene Bezahlung der Tagesmütter und die „bösen Worte“, die in der Diskussion mit dem Löbauer Oberbürgermeister über die Qualifikationen der Frauen gefallen sind, haben sie erschüttert. „Auch Tagesmütter müssen sich ständig qualifizieren und werden regelmäßig überprüft“, sagt Eva Urban, die selbst einen pädagogischen Abschluss und viel Erfahrung hat. Und: Sie und ihre Kollegen tragen zudem ihr unternehmerisches Risiko allein.

Dennoch lässt sich nicht leugnen, dass die Lage mancherorts für Tagesmütter und auch -väter schwieriger geworden ist. In Zittau haben in den vergangenen Jahren zwei der einst sieben Tagespflegestellen ihre Arbeit eingestellt. Nach SZ-Informationen hatten vor allem diejenigen schlechtere Karten, die nicht zentral in der Innenstadt lagen. Und da auch die Stadt Zittau ihre Kitas ausgebaut hat, ist der Konkurrenzdruck zusätzlich gewachsen, heißt es von einer früheren Tagesmutter. Denn natürlich hat auch die Stadt ein Interesse, ihre Einrichtungen auszulasten. Da zudem Erzieher gesucht werden, wechseln auch einige aus der selbstständigen Tagespflege nach dem zuvor nebenberuflich nachgeholten Abschluss als angestellte Erzieher in bestehenden Kindergärten.

Zu dem, was die Attraktivität, Tagesmutter zu sein schmälert, gehört definitiv die Finanzierung. Zwar macht es finanziell für die Eltern keinen Unterschied, ob das Kind in eine Kita oder zur Tagesmutter geht. Doch die Summe, mit der die Tagesmütter haushalten müssen, unterscheidet sich von Gemeinde zu Gemeinde teilweise deutlich: Trotz einer Anhebung der Sätze in der Löbauer Verwaltungsgemeinschaft bekommen hier Tagesmütter beispielsweise noch immer reichlich 100 Euro weniger pro Kind für einen vollen Platz als beispielsweise in Görlitz.

Problematisch wird es vor allem dann, wenn die Tagespflegestellen nicht gut ausgelastet sind. Dann kommt eben deutlich weniger Geld in die Kasse der Selbstständigen. „Die Frage nach der Bezahlung ist tatsächlich eine Grauzone“, sagt auch Eva Urban, die persönlich mit den Bedingungen aber zurechtkommt.

Dass sich die Konkurrenz um die Kinderbetreuung lokal verschärfen wird – nicht nur zwischen Kitas und Tagesmüttern, sondern auch zwischen Tagesmüttern – steht mit Blick auf die Zahlen zu befürchten. Das Jugendamt des Landkreises weist deutlich darauf hin, dass vor allem im Raum Löbau landesweit der stärkste Rückgang der Geburtenraten zu verzeichnen ist und generell die Geburtenzahlen in Sachsen stagnieren. Nur in den drei großen sächsischen Städten sieht es da anders aus.

Insgesamt, so bilanziert das Jugendamt des Kreises auf eine SZ-Anfrage, habe sich die Zahl der Tagespflegestellen im Kreis in den vergangenen Jahren stabil gehalten und je nach Bedarf bei den Gemeinden eingependelt. In der Tat – so zeigen es die Zahlen der Informations- und Koordinierungsstelle Kindertagespflege Sachsen, pendelt die Anzahl der betreuten Kinder im Kreis Görlitz seit 2013 immer um die 180. Der große Sprung kam dabei vor fünf Jahren, als statt 128 Kinder im Jahr 2012 plötzlich 184 einen solchen Platz nutzten.

Dass man die privaten Angebote auch künftig brauchen wird, davon geht das Jugendamt des Landkreises aus. Denn abgesehen von ganz bewussten Entscheidungen für eine solche Betreuung, gibt es auch immer wieder Eltern, die diese Möglichkeit gern nutzen, wenn in der Kita ihrer Wahl noch kein Platz frei ist. Dass zudem Tagesmütter auch inhaltlich eine Lücke vor Ort schließen, zeigen viele Beispiele von Eva Urban mit ihrem christlichen Ansatz bis zu Uta Taschner in Seifhennersdorf. Sie ist seit zwei Jahren dabei und pflegt einen „naturnahen Ansatz“, wie sie sagt. Und vieles steht und fällt eben auch mit dem Verhältnis zur Kommune. Auf ein Wort